Nyke Slawik: Grünenpolitikerin kritisiert Vorstöße der Union zum Selbstbestimmungsgesetz

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Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) übt angesichts des möglichen Missbrauchs des Selbstbestimmungsgesetzes grundsätzliche Kritik an den Regelungen. Die Unionsfraktion hält das Gesetz gar für »nicht tragbar« und will »ernsthaft über eine Neuregelung« sprechen. Widerstand kommt nun von den Grünen, die das Gesetz als Teil der Ampelkoalition einst vorangetrieben und umgesetzt hatten.

»Wegen einer Person, die das Selbstbestimmungsgesetz eventuell missbräuchlich in Anspruch genommen hat, nun die Grundrechte von trans, inter und nicht-binären Personen pauschal beschneiden zu wollen, wäre populistisch und entsetzlich zugleich«, sagte die queerpolitische Sprecherin der Grünen, Nyke Slawik. Slawik bezog sich dabei auf den Fall der Rechtsextremistin Marla Svenja Liebich.

Liebich steht im Mittelpunkt der Auseinandersetzung über das Gesetz. Die unter dem Namen Sven Liebich bekannt gewordene Rechtsextremistin hatte kurz nach Inkrafttreten des Gesetzes ihren Geschlechtseintrag im November 2024 ihren Namen ändern lassen und tritt seitdem als Frau auf. Liebich war jedoch in der Vergangenheit mehrfach mit queerfeindlichen Äußerungen aufgefallen. So besteht der Verdacht, dass Liebich das Selbstbestimmungsgesetz nutzt, um es lächerlich zu machen und die Behörden vorzuführen.

Die Behörden müssen wegen Liebichs Eintragsänderungen Entscheidungen treffen: Liebich muss wegen einer Verurteilung, unter anderem wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Beleidigung, ins Gefängnis. Zum Haftantritt wurde Liebich gemäß Geschlechtseintrag in die Justizvollzugsanstalt Chemnitz, ein Frauengefängnis, geladen. Dort werde noch geprüft, wie mit dem Fall umgegangen wird, sagte ein Sprecher des sächsischen Justizministeriums zuletzt dem SPIEGEL.

Zuvor hatte bereits die Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sophie Koch (SPD), davor gewarnt, sich von dem Einzelfall treiben zu lassen. »Rechten Stimmungsmachern sollte man nicht auf den Leim gehen«, sagte Koch dem SPIEGEL. Sie nutzten alle möglichen Mittel, um die Gesellschaft verächtlich zu machen und Hass und Hetze zu säen. »Wir sind gut beraten, solche extremen Einzelfälle nicht zum Maßstab unseres Handelns zu machen«, so Koch.

Slawik: »Stellen ja auch nicht alle Unionspolitiker unter Generalverdacht«

Das Selbstbestimmungsgesetz wegen einer Person zu ändern, befeuere jedoch »Misstrauen und Hass gegen trans Personen«, sagte auch Slawik. »Wir stellen ja auch nicht alle Unionspolitiker unter Generalverdacht, nur weil ihr Fraktionsvorsitzender in einen Maskendeal verwickelt war.«

Besondere Kritik äußerte Slawik an einer Verordnung des Innenministeriums zum Selbstbestimmungsgesetz. Dobrindt will per Verordnung dafür sorgen, dass die ursprünglichen Geschlechtseinträge weiter in den Behördensystemen gespeichert bleiben. Die persönliche Identität soll demnach in den Registern nachvollziehbar bleiben. Slawik kann das nicht nachvollziehen. »Die Identität einer Person bleibt bereits nach geltendem Recht, das heißt auch ohne Dobrindts Verordnung, stets nachvollziehbar«, so die Politikerin.

Auch im Fall Liebich hätten Sicherheitsbehörden und Justiz offenkundig zu keinem Zeitpunkt Probleme gehabt, die betreffende Person zu identifizieren oder ausfindig machen zu können, so die Grünenpolitikerin.

Slawik hatte sich mit 17 Jahren selbst als trans Mädchen geoutet. »Ich ging durch die Transition, durch Therapien, die ganzen Gutachterprozesse. Das war eine schwierige Zeit und es gab in der Schule einige, die mich nicht gut behandelt haben«, sagte sie vor einigen Jahren dem SPIEGEL.

Ziel des Selbstbestimmungsgesetzes war es, Änderungen im Personenstandsregister zu vereinfachen, damit Menschen ihre Einträge unkomplizierter in Einklang mit ihrer Identität bringen können. Waren für Änderungen des Geschlechtseintrags und Namens bis dato eine gerichtliche Entscheidung und zwei psychologische Gutachten nötig, reicht durch das Selbstbestimmungsgesetz nun eine persönliche Erklärung gegenüber dem Standesamt.

Die Union hatte in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl Anfang des Jahres die Abschaffung des Gesetzes angekündigt. Im Koalitionsvertrag mit dem Regierungspartner SPD wurde stattdessen eine Evaluierung für 2026 vereinbart.

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