Nordkorea: Blamage beim Stapellauf

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Es gibt Satellitenbilder zu dem Unfall beim Stapellauf eines Kriegsschiffs im Hafen von Chongjin in Nordkorea. Planet Labs, eine private US-Firma zur Erdbeobachtung, legte sie vor. Man kann jetzt also auch aus westlicher Quelle sehen, dass etwas schiefgelaufen ist in der aufrüstenden Parteidiktatur Nordkorea. Der 5000 Tonnen schwere Zerstörer liegt quer im Hafenbecken. Eine Seite ragt ins Wasser, die andere ist mit einer blauen Plane bedeckt. Dabei war die Einweihung des Schiffs am Mittwoch offensichtlich als Feier der nordkoreanischen Stärke geplant gewesen. Wie Staatsmedien berichteten, war Machthaber Kim Jong-un anwesend. Und dann musste er dabei zusehen, wie das große neue Schiff falsch im Wasser aufsetzte und umkippte. Wie konnte das passieren?

Das fragt sich das Regime jetzt auch. Am Freitag berichtete die staatliche Nachrichtenagentur KCNA, dass Untersuchungen begonnen haben. Wobei Kim Jong-un schon am Donnerstag eine klare Meinung zur Schuldfrage verbreiten ließ. Zur Verantwortung zu ziehen seien demnach Amtsträger verschiedener Institutionen, unter anderem der Abteilung für Rüstungsindustrie in der Arbeiterpartei, der Staatlichen Akademie der Wissenschaften, des Zentralen Schiffsbauinstituts und der Chongjin-Werft. Von einer „kriminellen Handlung“ sprach Kim, von „Nachlässigkeit, Verantwortungslosigkeit und unwissenschaftlicher Methodik“.

Eine unverzeihliche Straftat – das Land verliert wohl einige seiner besten Marine-Ingenieure

So ist es immer in Nordkorea: Wenn etwas so schlecht läuft, dass es sich selbst mit rosigster Propaganda nicht verbergen lässt, überzieht Kim die Funktionäre seines Staates mit Kritik und Zorn. Es ist seine Art, in Krisenmomenten Führungsstärke zu zeigen. Ob sein Urteil gerecht ist, spielt für ihn keine große Rolle. Schon gar nicht in diesem Fall. Ein umgekipptes Kriegsschiff beim Stapellauf ist eine Peinlichkeit, die sich Nordkorea eigentlich nicht leisten kann. Sie unterwandert die Abschreckungsstrategie des Regimes. „Binnen eines Augenblicks“ habe der Vorfall „die Würde und den Stolz unserer Nation beschädigt“, sagte Kim.

Westliche Schadenfreude ist trotzdem nicht angebracht. Das umgefallene Schiff von Chongjin ist kein Anzeichen dafür, dass Nordkoreas Militär schlecht gerüstet ist. Im Gegenteil, in den USA hat der nationale Militärgeheimdienst DIA gerade wieder berichtet, dass Nordkorea sich in der „stärksten strategischen Position seit Jahrzehnten befindet“ und über Waffen verfüge, die „US-Streitkräfte und US-Verbündete in Nordostasien gefährden“. Nordkoreas Atomarsenal wachse. Sanktionen unterlaufe das Regime, indem es sich – oft mit russischer und chinesischer Hilfe – „illegal“ Güter beschaffe, die es in Nordkorea nicht gibt.

 Kim Jong-un besucht  laut nordkoreanischen Angaben hier vergangene Woche ein Luftwaffenregiment.
Die Panne dürfe nicht ablenken von Nordkoreas Gefährlichkeit, sagen Experten: Kim Jong-un besucht  laut nordkoreanischen Angaben hier vergangene Woche ein Luftwaffenregiment. (Foto: kcna/dpa)

Das steht in der neuesten Gefahreneinschätzung, welche die DIA am 11. Mai im parlamentarischen Unterschuss für Streitkräfte vorlegte. Die Einschätzung ließ auch deshalb aufmerken, weil US-Präsident Donald Trump über Kim Jong-un regelmäßig so redet, als gehe von diesem eigentlich kein größeres Problem aus. Trump hat Kim 2018 und 2019 dreimal getroffen, ohne dass sich an Kims Nuklearprogramm letztlich etwas geändert hätte. Seither sagt Trump, dass er sich mit Kim „gut verstanden“ habe.

Und nun hilft der DIA-Bericht also auch zu verstehen, dass eine missglückte Kriegsschifftaufe nicht von der Wehrhaftigkeit Nordkoreas ablenken darf. Aber auch Nordkorea selbst schien zeigen zu wollen, dass man das Missgeschick nicht falsch verstehen solle. Nur wenige Stunden nach den Nachrichten von dem Schiffsdebakel feuerte das Regime mehrere Test-Marschflugkörper ab; das meldete das südkoreanische Militär. Und Experten glauben, dass selbst die Staatsmedienberichterstattung über den gescheiterten Stapellauf eine Art Warnung sei. „Das ist eine beschämende Sache“, sagt der Seouler Marine-Experte Moon Keun-sik in der Nachrichtenagentur AP, „aber Nordkorea hat den Vorfall bekannt gegeben, um zu zeigen, dass es die Modernisierung seiner Seestreitkräfte vorantreibt.“

Wenn man die Staatsmedien richtig versteht, geht es in Nordkorea jetzt erst mal darum, die Schuldigen zu finden. Der Schaden am Schiff sei zwar nicht so schlimm, heißt es, aber das Versagen eben schon. Die Zentrale Militärkommission der Arbeiterpartei teilt mit: „Unabhängig davon, wie gut der Zustand des Kriegsschiffes ist, bleibt die Tatsache, dass es sich bei dem Unfall um eine unverzeihliche Straftat handelt.“ Laut KCNA habe es schon die ersten Verhaftungen der „eindeutig für den Unfall Verantwortlichen“ gegeben. Namentlich wurde Hong Kil-ho genannt, der Manager der Chongjin-Werft. Das Regime ist nicht bekannt dafür, milde zu strafen, deshalb muss Hong Schlimmes befürchten. Und wohl nicht nur er. Kims Unmut und die ausführliche Berichterstattung seien auffällig, findet Andrei Lankov, Nordkorea-Experte von der Kookmin-Universität. Im südkoreanischen Fachportal NK News sagt Lankov: „Das bedeutet wohl, dass Nordkorea einige seiner besten Marine-Ingenieure verlieren wird.“

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