NFL-Hype in Berlin: Footballer im Döner-Fieber

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Wandgemälde am Savignyplatz

Wandgemälde am Savignyplatz

Foto: Soeren Stache / dpa

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Die Zutaten für das Spektakel lauten wie folgt: Dönerbrot, amerikanischer Senf, scharfe Mayo, Rindersalami, Pastirma, also noch mehr Rindfleisch, Gouda und Dönerkalbfleisch.

Das klingt nicht zwingend nach Sportlernahrung, aber darum geht es auch gar nicht, wenn die Footballmeute an diesem Wochenende in Berlin einfällt. Das Berlin Game, die einzige NFL-Partie in diesem Jahr, die in Deutschland ausgetragen wird, ist vor allem ein überwältigendes PR- und Marketingevent: inklusive eines eigens kreierten Döners.

Man kann der NFL in Berlin an diesem Wochenende nicht entgehen

Man kann der NFL in Berlin an diesem Wochenende nicht entgehen

Foto: Soeren Stache / dpa

In Berlin-Mitte, wo sonst, wird dieser spezielle Fleischberg angeboten und nennt sich »Döner Kebuc«. Ausgedacht hat sich das die Werbeagentur Jung von Matt in Kooperation mit den Tampa Bay Buccaneers. Die spielen zwar am Sonntag im Berliner Olympiastadion überhaupt nicht – dort duellieren sich die Atlanta Falcons und die Indianapolis Colts; aber die Gelegenheit, den deutschen Markt zu befeuern, nutzen am Wochenende auch die anderen NFL-Teams.

Foodtrucks und Souvenirshops

Überall in der Stadt ist die National Football League plakatiert oder mit Foodtrucks, Souvenirshops und Mitmachspielchen unterwegs: vom Brandenburger Tor bis zu den komplett durchgentrifizierten Ecken in Mitte und vor der Uber Arena an der Spree nahe dem Ostbahnhof – dort wo sonst die Berliner Eishockey- und Basketballfans das Sagen haben.

 Zwei Wahrzeichen dieses Berliner Wochenendes

Unschwer zu erkennen: Zwei Wahrzeichen dieses Berliner Wochenendes

Foto: Martin Meissner / AP

Am S-Bahnhof Savignyplatz in Charlottenburg wurde bereits am Donnerstag ein riesiges Wandgemälde enthüllt, natürlich ist es nun das größte seiner Art in der ganzen Stadt. Size Matters. Es zeigt den ehemaligen deutschen NFL-Profi Björn Werner im Bärenkostüm, die Berliner Wahrzeichen, der Fernsehturm, das Brandenburger Tor, sie sind klein im Hintergrund zu sehen, an den Rand gedrängt von dem ganz großen Ding, dem Berlin Game.

Werner will Berlin als Dauerstandort

Werner ist dieser Tage ein gefragter Interviewpartner, er ist so etwas wie der oberste Berlin-Influenzer in Sachen American Football. Zwar gab es schon NFL-Gastspiele in Frankfurt und München, aber Berlin sei, so Werner, »das nächste Level«. Viel knalliger, viel größer als in den anderen Städten, wer so etwas sagt, kommt bei den Berlinern immer gut an. Vor allem, wenn er dann noch anfügt: »Ich habe das Gefühl, das gehört hier her. Und es sollte auch hier bleiben. Sie sollten den Vertrag anpassen, dass jedes Jahr hier ein Spiel ist.«

NFL-Spiele als jährliches Zirkusspektakel analog zum DFB-Pokalfinale, so stellt sich das Werner vor. Und es könnte passieren: Für 2027 und 2029 hat sich die Football-Karawane schon wieder für das Olympiastadion angesagt.

Mitmachspielchen fürs Publikum

Mitmachspielchen fürs Publikum

Foto: Joerg Carstensen / dpa

Die Stadt legt sich jedenfalls dafür mächtig ins Zeug. Innensenatorin Iris Spranger von der SPD hatte die Bewerbung um die drei Spiele offensiv vorgetragen, der Senat ist mit immerhin 12,5 Millionen Euro mit dabei, um das Event mitzufinanzieren. Und Timo Rohwedder, Geschäftsführer der Berliner Olympiastadion GmbH, spricht schon ganz wie einst Berlins Regierender Bürgermeister Ernst Reuter: »Die ganze Welt wird auf uns schauen.« Ihr Völker der Welt, schaut auf dieses Footballspiel. Soll München doch die Olympischen Spiele bekommen, wir haben die NFL!

Kabinenwände eingerissen

Beim Olympiastadion schaffen sie jedenfalls jetzt schon Tatsachen dafür, dass NFL-Football im Westend zum künftigen Dauerbrenner wird. Für das Spiel am Sonntag haben sie Kabinenwände eingerissen, damit die Prachtkerle in voller Montur auch durch die Tür passen. Zudem brauchen die Teams sowieso mehr Platz als die Fußballer der Hertha. Die NFL kommt mit Kadern von mehr als 50 Spielern in die Katakomben, dazu reichte der übliche Raum in der Umkleide nicht.

Fan-Pub der Kansas City Chiefs in Berlin

Fan-Pub der Kansas City Chiefs in Berlin

Foto: Foot Bowl / Thomas Sobotzki / IMAGO

Wenn man die aufgeregte Berichterstattung dieser Tage verfolgt, könnte man fast den Eindruck haben, die Superstars aus Übersee seien vor allem wegen des Döners nach Berlin gekommen. Die Spieler lassen sich bereitwillig beim Fleischkonsum fotografieren, jedes zweite deutsche Wort, das sie in die Mikros sprechen, lautet Döner.

Nur der Falcons-Cheftrainer Raheem Morris war noch leicht skeptisch: »Mein Sprachlehrer muss mir erst übersetzen, was das ist und checken, ob ich dagegen allergisch bin«, sagte er. Er wird auch noch überzeugt werden. Mit Scharf, Salat komplett.

Innensenatorin Iris Spranger als NFL-Fangirl

Innensenatorin Iris Spranger als NFL-Fangirl

Foto: Soeren Stache / dpa

In jeder Hinsicht wird seit Tagen groß aufgetischt. Merchandising-Produkte an jeder Ecke, am Brandenburger Tor darf das Publikum bei der »NFL Experience« mal zur Probe die Pille durch die Luft werfen, Watch Partys schießen aus dem Boden, und am Potsdamer Platz gibt es den, man ahnt es schon, größten NFL-Shop Europas.

Auch Oliver Bierhoff, der frühere DFB-Direktor und jetzige NFL-Lobbyist, hat die Bühne genutzt, um dafür zu werben, dass dann auch die deutschen Fußballer demnächst Bundesliga- oder Pokalspiele im Ausland absolvieren sollen. »Damit kann man etwas für den Fußball im Allgemeinen tun«, sagte er auf einem NFL-Event der »Bild«-Zeitung.

Nichts daran kann einen überraschen.

Am Sonntagnachmittag gibt es dann tatsächlich nach all den Tagen der Vor-Vermarktung tatsächlich auch noch das Spiel. 70.000 Zuschauer werden erwartet, die Karten in Höhe bis zu 375 Euro bezahlt haben. Die Nationalhymnen werden intoniert, die deutsche und die US-amerikanische, es gibt selbstverständlich auch eine Halbzeitshow mit dem Rapper The Kid Laroi. Die Vermarkter nenne das Ganze nicht weniger als den »Mini-Super Bowl«.

»Berlin im Ausnahmezustand« hat die »Süddeutsche Zeitung« geschrieben. Dass die NFL sich für dieses Spektakel den 9. November ausgesucht hat, der in Berlin für ganz andere welthistorische Ereignisse, erfreuliche wie fürchterliche, steht, ist in dem Hype ziemlich untergegangen und wurde kaum thematisiert.

Ach, ja, und der Döner der Buccaners, wie schmeckt der eigentlich? Auch hier war der »Tagesspiegel« erfreulich investigativ unterwegs und hat die Kunden befragt.  Eine Antwort: »Super lecker. So gar nicht nach Döner.«

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