Mitte-Studie: Mehrheit besorgt über zunehmenden Rechtsextremismus

vor 2 Stunden 1

Wie verbreitet ist ein rechtsextremes Weltbild in der deutschen Gesellschaft? Darüber wird vermehrt seit dem Aufstieg der AfD diskutiert. Die neue »Mitte-Studie« der Universität Bielefeld und der Friedrich-Ebert-Stiftung  liefert nun Zahlen dazu.

Auch wenn die Mehrheit anders tickt: Mehr als jede und jeder Siebte befürwortet laut der Studie etwa Verhältnisse wie in einer Diktatur. So bejahen 15 Prozent voll oder überwiegend die Aussage, dass Deutschland einen Führer haben soll, der es zum Wohle aller mit starker Hand regiert. Zehn Prozent finden dies teils/teils, rund 75 Prozent lehnen die Aussage ab. Ein Viertel ist für »eine einzige starke Partei, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert«.

Sogar rund jede fünfte Person zeigt sich demnach offen für extreme und nationalistische Positionen. Ein klar rechtsextremes Weltbild teilen 3,3 Prozent. Allerdings ist der Anteil der Menschen mit klar rechtsextremen Einstellungen im Zweijahresvergleich von acht um 4,7 Prozentpunkte zurückgegangen. Doch im längeren Zeitvergleich sei das Niveau konstant: Seit 2014 habe es stets zwischen zwei und drei Prozent Rechtsextreme gegeben.

Rund 2000 Befragte

Zu so einem rechtsextremen Weltbild gehört eine Befürwortung einer Diktatur, die Verharmlosung des Nationalsozialismus, eine völkisch-nationalistische Ideologie, Rassismus oder Sozialdarwinismus, also eine Unterscheidung zwischen Höher- und Minderwertigen, wie der Studienautor Andreas Zick erläuterte. »Wir reden hier von Menschen, die 18 Aussagen eindeutig zustimmen.«

Rund 20 Prozent äußern sich ambivalent gegenüber rechtsextremen und nationalchauvinistischen Aussagen, stimmen also weder zu noch lehnen sie ab. »Dieser Graubereich«, so die Studie, »hat sich gegenüber dem Vorjahr gefestigt und zeigt eine Offenheit für antidemokratische Orientierungen«. Die Zahl junger, rechtsextremer Tatverdächtiger hat sich verdoppelt. Mehr dazu lesen Sie hier .

Für die laut der Universität repräsentative Umfrage führten die Umfrageinstitute Uzbonn und Nhi² vom 30. Mai bis zum 4. Juli 2001 Interviews mit 18- bis 94-Jährigen durch. Auftraggeber ist die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung.

Laut der Studie verorteten 57 Prozent der Befragten ihre politischen Ansichten »genau in der Mitte« – eine leicht steigende Tendenz. »Die Mehrheit der Menschen in Deutschland ist demokratisch eingestellt und äußert Sorgen wegen des zunehmenden Rechtsextremismus«, heißt es.

»Gewöhnungseffekte und Normalisierung«

Generell sehen die Wissenschaftler aber »Gewöhnungseffekte und Normalisierung« bei rechtsextremen Einstellungen. Abwertende Ansichten gegenüber Asylsuchenden haben mehr als 30, gegenüber Langzeitarbeitslosen sogar 36 und gegenüber trans Menschen 19 Prozent. Ein Drittel unterstellt Geflüchteten Sozialmissbrauch. Dass für Menschen mit Behinderung in Deutschland teils »zu viel Aufwand betrieben« werde, meinen acht Prozent.

Die Zustimmungswerte unterscheiden sich zwischen den Gesellschaftsgruppen:

  • Ein hoher Schulabschluss geht demnach mit deutlich geringerer Zustimmung zu antidemokratischen Einstellungen einher. Männer befürworten teils deutlich häufiger als Frauen Rechtsextremismus und Gewalt.

  • Es gibt laut der Studie auch ein Gefälle zwischen Ost und West: Im Osten gebe es mehr Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Im Westen seien Sozialdarwinismus und Klassismus, also Herabwürdigung aufgrund sozialer Herkunft, weiter verbreitet.

Rekordwert findet, Demokratie funktioniert nicht gut

Beim Großteil der Misstrauenden sei das Misstrauen in die Demokratie eine umfassende Einstellung, sagte Zick. Rund 18 Prozent, dreimal so viel wie vor vier Jahren, haben kein Vertrauen in demokratische Wahlen, zwei von fünf Bürgerinnen und Bürgern haben kein Vertrauen in die demokratischen Institutionen. Nur für 52 Prozent der Befragten funktioniere die deutsche Demokratie im Großen und Ganzen ganz gut. Ein Rekordwert, 24 Prozent, verneint dies.

Zwar meinen laut der Studie fast 88 Prozent, in einer Demokratie solle die Würde und Gleichheit aller an erster Stelle stehen. Doch 34 Prozent sind der Ansicht: »Im nationalen Interesse können wir nicht allen die gleichen Rechte gewähren.« Ein Viertel meint, es werde zu viel Rücksicht auf Minderheiten genommen. 7,5 Prozent billigten körperliche Gewalt gegen »Fremde«.

Auch Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft behandelt die Studie. 5,5 Prozent meinen eher oder voll, Juden hätten eine Mitschuld an ihren Verfolgungen. Knapp 13 Prozent meinen dies teils/teils. Aufgrund des Nahostkonflikts geben 17 Prozent an, sie könnten »gut verstehen, dass man etwas gegen Juden hat«.

Gesamten Artikel lesen