News des Tages: Was will Jürgen Klopp bei Red Bull?

vor 14 Stunden 1

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1. Kickl ohne Land

Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen ist von der üblichen Praxis abgewichen, die stimmenstärkste Partei damit zu beauftragen, eine Regierung zu bilden. »Die Lage ist diesmal alles andere als üblich«, sagte er und verwies auf die Wahlergebnisse. Die extrem rechte FPÖ hatte vor zehn Tagen erstmals die Nationalratswahl mit ihrem bisher besten Ergebnis von rund 29 Prozent gewonnen.

FPÖ-Chef Herbert Kickl besteht seitdem darauf, dass er als Sieger federführend mit den anderen Parteien über eine etwaige Koalition verhandeln darf. Allerdings halten bisher alle Parteien an ihrer Linie fest, eine Zusammenarbeit mit Kickl auszuschließen. Es gebe eine »Pattsituation«, sagte Van der Bellen. Seine Gespräche mit Kickl, Karl Nehammer von der ÖVP und Andreas Babler von der SPÖ hätten diesen Eindruck verstärkt. Er wolle nun sichergehen: »Meinen alle Beteiligten ernst, was sie gesagt haben?«

»Das ist ein eleganter Zug des Präsidenten«, sagt mein Kollege Oliver Das Gupta. »Van der Bellen spielt den Ball zurück zu den Spitzen der drei stärksten Parlamentsparteien. Sollten Konservative und Sozialdemokraten bei ihrer Ablehnung Kickls bleiben, kann der FPÖ-Chef sich schwer zum Märtyrer stilisieren, den das Staatsoberhaupt von der Macht abhält.«

2. Topjob für Klopp

Red Bull verleiht Titel – und zwar an Jürgen Klopp. Der arbeitet künftig als »Head of Global Soccer« für den Brausekonzern. Als er vor einigen Monaten seinen Rückzug beim FC Liverpool ankündigte, sagte Klopp den schönen, weil ehrlich klingenden Satz: »I’m running out of Energy.« Jetzt folgt das Engagement beim Energydrink-Produzenten. Vier Fragen dazu:

  1. Verstehen die Leute, dass Klopp als Fußballchef antritt? Oder assoziiert bei »Head of Global Soccer« doch jemand wirr Richtung Kopfball? Viele Deutsche geraten schon bei englischen Werbesprüchen ins Stolpern. Die Drogeriekette Douglas warb einst mit »Come in and find out«, der Sender Sat.1 mit »Powered by Emotion«. Die Leute verstanden »Komm rein und finde wieder heraus« und »Kraft durch Freude« (hier mehr dazu). Wie soll das erst bei denglischen Jobtiteln enden? (Stein->Glashaus: Fragen Sie mal jemanden, was ein »Blattmacher im Editorial Desk« beim SPIEGEL tut.)

  2. Warum macht Klopp das? »Viele romantisieren ihn«, kommentiert mein Kollege Marcus Krämer, »aber natürlich ist er ein knallharter Profitrainer, dem es ums Geld geht.« (Hier der ganze Kommentar. )

  3. Was genau macht Klopp als Fußballchef bei Red Bull? Frühstücksdirektor mit Privatflugzeug, wie mein Kollege Martin Wolf mutmaßt? Nein, es gibt tatsächlich etwas zu tun. »Der Konzern hatte und hat Fußballklubs auf vier Kontinenten in seinem Portfolio«, sagt mein Kollege Peter Ahrens. »In Salzburg, Leipzig, New York, aber auch in Brasilien und Ghana – alle haben natürlich eigene Trainer.« Hinzu kommt der FC Liefering samt Fußballakademie in Österreich, wo Talente heranwachsen sollen. »Über Jahre lief die Kette junger Fußballer von Liefering über Salzburg nach Leipzig«, sagt Peter. »Dieser Profitransfer, als Geschäftsmodell seit Jahren kritisiert, war zuletzt deutlich ins Stocken geraten.« Darum wird sich Klopp kümmern müssen.

  4. Wird er irgendwann doch noch Bundestrainer? »Für den DFB ist er der erklärte Wunschkandidat«, sagt Peter. »Der Job passt perfekt zu dem, was Klopp anstreben dürfte: Es ist der am höchsten angesehene Trainerposten im Lande, ohne dafür den Tagesstress aus dem Klubfußball mitnehmen zu müssen.« Und Nagelsmann? »Absolut denkbar, dass er seinen Posten nach der WM 2026 zur Verfügung stellt.«

Vorschlag für die Visitenkarte: Executive National Schland-Coach / Head of Soccer Tactics. Haben Sie bessere Ideen? Schreiben Sie an lageamabend@spiegel.de , die besten veröffentlichen wir hier morgen.

3. Europa vs. Ungarn

Was für ein Rededuell: Im EU-Parlament sind heute Viktor Orbán und Ursula von der Leyen aufeinandergetroffen. Ungarns Regierungschef vs. Europas deutsche Kommissionspräsidentin – das wurde zum rhetorischen Schlagabtausch, wie mein Kollege Timo Lehmann aus Straßburg berichtet: »Einst waren sie in der europäischen Parteienfamilie verbündet, inzwischen sind sie erbitterte Gegner.«

Orbán wollte die ungarische Ratspräsidentschaft präsentieren. »Budapest hat den Posten gerade turnusgemäß für eine Jahreshälfte inne und hat den eigentlich organisatorisch angelegten Posten bereits maximal provozierend angelegt«, schreibt Timo, »mit Reisen nach Moskau, Peking und Kiew zum Beispiel, die Orbán selbstbewusst als ›Friedensmissionen‹ rechtfertigte.« Orbán provozierte heute mit Parolen wie diesen: »Die Zuwanderung befördert Antisemitismus, Gewalt gegen Frauen und Homophobie.« Puh, ausgerechnet der Chef einer frauen- und LGBTIQ-feindlichen Regierung versucht, die Rechte von Frauen und Minderheiten gegen Migranten auszuspielen.

Von der Leyen konterte: Es sei richtig, dass die Außengrenzen der EU geschützt werden müssen, auch im Interesse der Sicherheit, sagte sie. »Wie kann es sein, dass Ungarn Menschen aus Russland ohne Sicherheitschecks reinlässt?« Die Kommissionschefin spielte damit auf die von der EU scharf kritisierten Visaregeln Ungarns für Russen an, die viele als Einfallstor für russische Spione sehen. »Sie ging ihn so hart an, dass sich Orbán aus der Reserve locken ließ«, sagt Timo. »Seine Gegenrede bestand aber vor allem aus Beschimpfungen.« Die allermeisten Abgeordneten applaudierten von der Leyen.

Was heute sonst noch wichtig ist

  • Habeck beklagt hohe Inflation – »das Biest, das die Menschen ärmer gemacht hat«: Bei der Vorstellung der Herbstprognose bemüht sich Wirtschaftsminister Habeck trotz schlechter Zahlen um Zuversicht. Unternehmensverbände kritisieren die Bundesregierung derweil scharf.

  • Verbände warnen vor steigenden Mieten durch neues Baugesetz: Mit einer Novelle des Baugesetzes will die Bundesregierung den Wohnungsbau ankurbeln. Doch Sozial- und Umweltverbände schlagen Alarm: Das Vorhaben könnte die Preise weiter treiben.

  • NRW plant Gesetz gegen Machtmissbrauch an Hochschulen: Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen möchte verstärkt gegen Übergriffe und Belästigung an Hochschulen vorgehen. Anlass ist auch ein Fall an der Universität Köln, über den der SPIEGEL zuerst berichtet hat .

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

Was heute weniger wichtig ist

Übersprungshandlung: Die zweimalige 3000-Meter-Hindernis-Europameisterin Gesa Felicitas Krause, 32, hat sich verlobt, wie sie der Welt via Instagram kundtat. Auf einem Foto prostet sie ihrer Tochter zu, darunter steht, »darauf, für immer mit deinem Papa zusammen zu sein«.

Mini-Hohlspiegel

Aushang in den Toiletten der Markthalle in Bremen:

Entdecken Sie hier noch mehr Cartoons.

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Illustration: Thomas Plaßmann

 Trifft ein Rabbi eine Podcasterin

Noah (Adam Brody) und Joanne (Kristen Bell) in »Nobody Wants This«: Trifft ein Rabbi eine Podcasterin

Foto:

Saeed Adyani / Netflix

Könnten Sie einer Empfehlung meiner Kollegin Lisa Ludwig folgen und endlich bei Netflix die Serie »Nobody Wants This« gucken. Die Handlung ist zwar nicht soooooo einfallsreich: Sex-Podcasterin Joanne (Kristen Bell) und Rabbi Noah (Adam Brody) treffen bei einem Abendessen in der luxuriösen Villa einer Freundin aufeinander, passen nicht zueinander, verlieben sich aber ineinander. »Sie müssen ihre Liebe gegen Freunde, Familie und die schnöde Unerträglichkeit des Alltags verteidigen«, schreibt Lisa. »Klingt nach der 0815-Version einer romantischen Komödie mit vorhersehbarem Ausgang, doch die Serie ist mehr.«

Seit Tagen hält sich die Netflix-Produktion auf Platz eins der meistgestreamten Titel. »Weil die Geschichte von Joanne und Noah trotz der Klischees so einfühlsam erzählt ist. Und weil die Millennials im Internet wegen der Besetzung der Serie ausflippen.« (Mehr dazu lesen Sie hier .)

Ich wünsche Ihnen einen entspannten Abend. Herzlich

Ihr Oliver Trenkamp, Blattmacher in der Chefredaktion

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