1. Merztours
Friedrich Merz schläft heute im weißen Haus. Also nicht in DEM Weißen Haus, aber hey, immerhin ist es auch weiß von außen, das Blair House, wo der Bundeskanzler heute Nacht einchecken wird. Der offizielle Gästesitz der US-Regierung ist nur ein paar Hundert Meter vom Oval Office entfernt, mit der Taschenlampe könnte Merz Morse-Lichtzeichen geben (»Na, Donald, auch schon so aufgeregt?«) – eine Standardszene der Spannungsliteratur: Die drei ??? und der unheimliche Präsident.
Um 22 Uhr hebt der Merz-Jet in Berlin ab, gegen 1 Uhr Ortszeit landen Kanzler und Tross dann in der US-Hauptstadt. Meine Kollegin Marina Kormbaki ist dabei beim Speed Date in Washington, keine 24 Stunden ist die Delegation in Amerika: morgen Vormittag das erste Gespräch, Mittagessen, zum Abschluss Pressetermin auf goldenen Stühlen. Waffen für die Ukraine, Trumps Zoll-Harakiri, klar, es gibt viel zu besprechen, serious stuff, aber wie wird es atmosphärisch? »Merz bringt auf jeden Fall ein Gastgeschenk mit«, verrät mir Marina. Was allerdings, ist mindestens so geheim wie die Namen der Abweichler bei Merz’ verstolperter Kanzlerwahl. »Das wird erst bekannt gegeben, wenn es ausgepackt wird«, so Marina. Hohoho, Santa Friedrich. Vielleicht hat Blasinstrumentalist Merz ja eine goldene Klarinette dabei? Für ein transatlantisches Duett? Fragt sich, ob das Moll oder Dur ausfällt. Oder bei Trumps erratischem Politikstil eher in Richtung Zwölftonmusik abbiegt? Marina: »Merz’ Team hofft zwar, dass alles glattläuft, es spielt aber auch schon mal Worst-Case-Szenarien durch.«
Es wäre ja schon ein Erfolg, wenn sich die beiden zumindest auf eine gemeinsame Tonart einigen würden.
Lesen Sie hier, was Trumps neuester Zollhammer für Europa bedeutet
2. Die KI und mein Puls
Und am achten Tag, einfach aus göttlicher Schadenfreude heraus, schuf der Herr KI-Chatbots. Grrrr. Meine jüngste »Experience« (»Wie bewerten Sie Ihre Erfahrung? Ein Klick genügt«): Gestern Abend, Couch, ich schreibe mit dem Bot einer Reise-App. »Hallo, ich will die Buchung 2377880 stornieren.«
Es geht um ein Hotel in Berlin, keine große Sache, denke ich. Es macht Ping, und der Bot antwortet: »Ich habe verstanden, dass Sie Ihre Reise nach Mailand stornieren wollen. Ich sage sofort die Flüge und das Hotel für Sie ab.« Oh nein! Doch nicht Mailand, das ist ein Geburtstagsgeschenk! Mit pumpendem Puls tippe ich hastig: »Nein, Mailand bitte nicht stornieren, es geht um die Buchung 2377880, Berlin.« Ping: »Entschuldigen Sie, ich habe Sie nicht verstanden.« Seufz. Kalkulierte Kakofonie.
Es gibt jetzt zwei Möglichkeiten. Und ich weiß nicht, welche ich besorgniserregender finde: Entweder, die KI ist einfach noch nicht so weit. Oder: Sie spielt mit uns. Wie der sinistre HAL 9000 in »Odyssee im Weltraum«. »I’m sorry, Dave, I’m afraid I can’t do that.« So oder so glaube ich nicht daran, dass die KI uns innerhalb der nächsten drei Jahre alle arbeitslos macht. Unsere Kolumnistin Sara Weber auch nicht: Im Gegenteil, noch immer gibt es zu viele »Bullshit-Jobs«, schreibt sie, Berufe, die »sinnlos sind, und zwar nicht (nur) von außen betrachtet, sondern (auch) aus Sicht der Beschäftigten selbst«. In der Verwaltung, im Marketing, im Personalwesen. These: Kann sich die KI nicht um die kümmern? Statt um Mailand?
Was Sara genau meint und was sie als Lösung vorschlägt, lesen Sie hier.
3. Mehr Monaco wagen!
Wissen Sie eigentlich, was das Kilo Kaviar inzwischen kostet? Und wenn Sie heute eine Stahl-Daytona von Rolex kaufen wollen, müssen Sie ein Jahr warten, mindestens. Sie merken schon: Das Leben des Durchschnittsmillionärs ist voller Zumutungen.
Kein Wunder also, dass es sich um eine aussterbende Art handelt: 1,6 Millionen Menschen mit mindestens einer Million Euro frei verfügbarem Vermögen gibt es in Deutschland, das sind rund 41.000 weniger als im Vorjahr, verkündet der World Wealth Report heute. Warum die Entwicklung zum Kleinsparer? Der Hauptgrund ist wohl der schwächelnde Immobilienmarkt, der auch Großvermieter trifft, so die Autoren der Studie. Und überhaupt, die Offshore-Investments… mehr Monaco wagen! Wenn Sie trotz all dieser Entbehrungen gern zum Klub der Reichen gehören würden, empfehle ich Ihnen unser Interview mit dem Anlagestrategen Stefan May. Den MSCI World hält er für ein Riesenmissverständnis, von Gold rät er ab, ebenso von Krypto, gerade empfindlichen Seelen: »Manchen Menschen bereiten die Schwankungen der Kurse regelrecht physische Schmerzen.«
Was er stattdessen empfiehlt und wie sich seine Anlagestrategie mit zunehmendem Alter verändert, lesen Sie hier: »Ich halte den Hype um den MSCI World für ein Riesenmissverständnis«
Was heute sonst noch wichtig ist
Bundesregierung will Abschiebungen erleichtern: Die Einstufung von sicheren Herkunftsländern soll vereinfacht werden. Mit dem Beschluss des Bundeskabinetts verschärft Schwarz-Rot die Asylpolitik in Deutschland. Die Grünen kritisieren den Schritt.
Klöckner wirft Linkenabgeordnete Köktürk aus dem Plenarsaal: Bundestagspräsidentin Julia Klöckner achtet penibel auf die Einhaltung der Parlamentsetikette, auch in puncto Kleidung. Nun verwies sie die Linkenabgeordnete Cansın Köktürk des Saals. Die fällt nicht zum ersten Mal auf.
Schutzstatus für Ukrainer soll um ein Jahr verlängert werden: Wer vor dem Krieg in der Ukraine geflohen ist, bekommt in der EU unbürokratisch Hilfe. In einem Jahr wäre diese Regelung ausgelaufen – nun soll sie nach dem Willen der Kommission um ein Jahr verlängert werden.
Wann um Pfingsten mit besonders viel Stau zu rechnen ist: Auf zahlreichen Straßen soll es ab Freitag voll werden. Der Grund: Das Pfingstwochenende steht bevor. Zudem starten Baden-Württemberg und Bayern in zweiwöchige Ferien. Die Stau-Hotspots liegen allerdings woanders.
Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

Finanzminister Klingbeil: Keine Angst vor neuen Schulden
Foto: Kay Nietfeld / picture alliance / dpaSo soll Klingbeils 500-Milliarden-Euro-Topf aussehen: Mit einer Rekordsumme will Schwarz-Rot die deutsche Infrastruktur voranbringen: Details zu dem Milliardentopf hat Finanzminister Klingbeil jetzt intern vorgelegt. Wer dabei profitiert und wo die Risiken sind.
Was heute weniger wichtig ist
Go, Johnny, Go: Schauspieler Michael J. Fox, 63, sucht eine Gitarre. Und zwar die eine rote, die er im ersten Teil des Achtzigerklassikers »Zurück in die Zukunft« spielt, am Ende: Er singt Chuck Berrys »Johnny B. Goode«, samt Angus-Young-Duckwalk und – typisch Gitarrist – Angeber-Solo. Schon bei den Dreharbeiten zur Fortsetzung war die »Gibson ES-345 Cherry Red« verschollen. Fox scherzt, genretypisch natürlich: »Sie ist irgendwo im Raum-Zeit-Kontinuum verloren gegangen.« Mr Spock, übernehmen Sie!
Mini-Hohlspiegel
Aus den Teilnahmebedingungen für ein Gewinnspiel der Bremer Stadtreinigung: »Das Foto muss bis zum 13.6.2025 per E-Mail bei bio@dbs.bremen.de eingehen und ist nur gültig, wenn der vollständige Vorname und Name sowie die gültige Anschrift der Biotonne in der E-Mail enthalten sind.«
Hier finden Sie den ganzen Hohlspiegel.
Cartoon des Tages

Entdecken Sie hier noch mehr Cartoons.
Klaus Stuttmann

Polarlichter über Passau im Oktober 2024
Foto: Dominik Kindermann / IMAGONach oben: Ich stand heute Morgen auf dem Dach. Das war nicht erfreulich, es ging um feuchte Stellen, Asbest, Dämmung, und der Bizeps des Zimmermeisters triggerte bei mir leichten Muskelneid. Aber, und darauf will ich hinaus: Plötzlich hatte ich eine Himmel-Panoramasicht, 360 Grad, kein Baum, kein Hochhaus im Blickfeld. Nur Wolken, Vögel, ein blasser Mond, lupenreine diamonds in the sky. Deshalb mein Vorschlag für heute Abend: Steigen Sie so hoch Sie können, irgendein ehemaliges Karstadt-Kaufhaus werden Sie in Ihrer Nähe schon finden, zur Not tut es auch der Balkon Ihres Penthouse-Nachbarn. Und dann schauen Sie nach oben: Wo war er noch mal, der Große Wagen? Diese tanzenden Schleier in Grün-Violett, waren das etwa Polarlichter ? Und hast du die Sternschnuppe gesehen?
Also: Ich wünsche Ihnen was.
Herzlich
Ihr Jens Radü, Chef vom Dienst