1. Wadephuls Fünf-Prozent-Ansage setzt die Bundesregierung unter Zugzwang
Ein wichtiger preußischer König soll mal gesagt haben: »Diplomatie ohne Waffen ist wie Musik ohne Instrumente.« Heute Nachmittag haben in Istanbul Gespräche zwischen russischen und ukrainischen Unterhändlern begonnen, von denen sich viele Menschen zumindest einen Waffenstillstand oder sogar einen Frieden im Ukrainekrieg erhoffen (Hier mehr dazu).
Am Vormittag machte eine Äußerung des neuen deutschen Außenministers Johann Wadephul Furore: Bei einem Nato-Außenministertreffen im türkischen Antalya sagte er, dass Deutschland hinter der Forderung von US-Präsident Donald Trump stehe, die Verteidigungsausgaben der Nato-Staaten auf jeweils fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung zu erhöhen (Lesen Sie hier mehr ).
Aktuell kommen die Deutschen mit Mühe und Not auf die bislang vereinbarte Nato-Quote von zwei Prozent, deshalb, so berichtet mein Kollege Matthias Gebauer, sei Wadephuls Äußerung »ein politischer Paukenschlag«. Die Fünf-Prozent-Ansage gelte für die Zeit bis 2032 und gehöre zu einem ausgeklügelten Plan, um Trump vor dem anstehenden Nato-Gipfel in Den Haag im Juni milde zu stimmen.
Für Deutschland würde das in der aktuellen Lage rechnerisch wohl mehr als 200 Milliarden Euro bedeuten, während sich die gesamten Ausgaben des Bundeshaushalts im vergangenen Jahr auf rund 466 Milliarden Euro beliefen (hier mehr dazu ).
Der Plan, der auf Nato-Generalsekretär Mark Rutte zurückgeht, sieht ein Reform der Lasten- und Aufgabenverteilung vor. Europa und Kanada könnten das Ziel beschließen, künftig 3,5 Prozent in ihre Streitkräfte zu investieren, und weitere 1,5 Prozent Ausgaben mit Verteidigungsbezug dazurechnen. Das können Ausgaben für Straßen, Brücken, Tunnel, Schienen oder Häfen sein, Investitionen in den zivilen Katastrophenschutz oder die Aufrüstung der Geheimdienste. 3,5 plus 1,5 ergeben Trumps 5 Prozent.
»Mit seinen klaren Worten setzt Wadephul die ganze Bundesregierung unter Zugzwang«, sagt Matthias, »hinter die Zusage kann nun auch Kanzler Merz nicht mehr zurück. Der neue Kanzler hätte gern den Nato-Gipfel abgewartet, nun wird er schneller als gewünscht erklären müssen, wie er den Sprung von derzeit zwei auf fünf Prozent bei der Nato-Quote realisieren will.«
Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Was es mit Wadephuls Fünfprozentplan auf sich hat
2. Die Ziele werden vorläufig erreicht – ist mit dem Klima in Deutschland nun alles prima?
Überraschend liegt Deutschland im Plan bei der Verfolgung der Klimaziele fürs Jahr 2030 – das ist eine gute Nachricht, die der Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung bei der Vorstellung eines Prüfberichts verkündete (Hier mehr).
Wenn alle Klimamaßnahmen wie derzeit beschlossen fortgesetzt würden, könnte das Gesamtziel von 65 Prozent weniger CO₂-Emissionen gegenüber 1990 bis Ende des Jahrzehnts eingehalten werden, heißt es in dem Bericht. Als wichtigsten Grund nennt der Rat die schlechte Konjunktur der vergangenen Jahre.
Mein Kollege Kurt Stukenberg hat den Ratsvorsitzenden Hans-Martin Henning interviewt. Weniger Treibhausgase als gedacht - das liegt laut Henning an den Auswirkungen von Corona, der wirtschaftlichen Schwäche der vergangenen Jahre und dem Energiepreisschock nach dem Beginn des Kriegs Russlands gegen die Ukraine (Lesen Sie hier mehr dazu ).
»Dadurch ist seit 2021 ein Puffer entstanden, Deutschland hat also weniger CO₂ emittiert, weil zeitweise weniger produziert und weniger Auto gefahren wurde, als es bei einer stabilen Wirtschaftslage ohne Pandemie und Krieg der Fall gewesen wäre«, so Henning. »Zusätzlich ging die Stromproduktion aus Kohle merklich zurück und die erneuerbaren Energien haben einen Boom erlebt. In der Klimabilanz profitieren wir jetzt von diesem Fehlbetrag der vergangenen Jahre.«
Der Grund für die erfreuliche Prognose des Rats ist also nicht eine überdurchschnittlich erfolgreiche Klimaschutzpolitik. Für die Jahre nach 2030 sehen die Prognosen entsprechend auch weniger gut aus.
Lesen Sie hier die ganze Interview: Sind wir beim Klimaschutz plötzlich wieder auf Kurs, Herr Henning?
3. Auf dem roten Teppich sind Dresscode-Regeln ganz okay
Ja, mach nur einen Plan, diese Devise gilt auch in Cannes, wo die Filmfestspiele laufen. Ich war selbst schon öfter als dort, und natürlich ist das Festival nicht bloß ein tolles Spektakel für Künstlerinnen und Künstler, sondern auch ein Fest für Journalisten und besonders für Fotografen und Fernsehleute. Deren Job ist es, Bilder der Stars vom roten Teppich in die Welt zu schicken.
In diesem Jahr gibt es eine schriftliche Kleiderordnung. »Die größte mediale Aufmerksamkeit erzeugte naturgemäß das Nacktheitsverbot«, schreibt mein Kollege Xaver von Cranach. »Wer hier Spießigkeit oder gar einen reaktionären Vibe-Shift vermutet, liegt aber wirklich völlig daneben.« (Hier mehr .)
Fast schon süß detailliert bemühten sich die Organisatoren des Festivals, den Besucherinnen und Besuchern zu erklären, was anständige Kleidung ist, und geben sogar Tipps. Eigentlich ist »Abendgarderobe« vorgesehen, also »langes Kleid, Smoking«. Beinahe verzweifelt wird dann aber festgestellt: »Alternativ können Sie auch ein ›kleines Schwarzes‹, ein Cocktailkleid, einen dunklen Hosenanzug, ein elegantes Oberteil mit schwarzer Hose, einen dunklen Anzug mit Fliege oder dunkler Krawatte tragen.« Wenn aber schon Besucher der Galaveranstaltungen des berühmtesten Filmfestivals der Welt nicht selbst wüssten, wie man sich angemessen anzieht, so findet Xaver, »dann lässt das wirklich nichts Gutes vermuten über den Zustand der Welt«.
Der deutsche Regisseur Fatih Akin, dessen Filme ich sehr mag, trug Sneaker zur Eröffnung in Cannes. Xaver findet das ein bisschen albern. »Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es in manchen Fällen nicht rebellisch ist, sich nicht an den Dresscode zu halten, sondern peinlich«, sagt er. Bei einem Empfang des Berliner US-Botschafters wurde Xaver mal von einem Botschaftsmitarbeiter zur Seite genommen und gefragt, warum er kein Sakko tragen würde, obwohl doch ausdrücklich formelle Kleidung auf der Einladung verlangt worden war. »Das fühlte sich das nicht nach Aufbruch, sondern nach Niederlage an.«
Lesen Sie hier mehr: Dress Code d’Azur
Was heute sonst noch wichtig ist
TikTok verstößt gegen EU-Recht: Keine Angaben, wer mit personalisierter Werbung angesprochen wird und wer welche Werbeanzeigen finanziert: TikTok erfüllt laut EU-Kommission die Vorgaben der EU nicht. Das Social-Media-Unternehmen riskiert eine hohe Geldstrafe.
Kfz-Versicherung hat sich binnen drei Jahren um 50 Prozent verteuert: Ein Experte spricht von einer »historisch beispiellosen Beitragsdynamik«: Autobesitzer in Deutschland müssen immer mehr Geld aufwenden. Neuerdings könnte sich ein Tarifvergleich wieder mehr lohnen.
Deutsche 15-Jährige sind besonders oft am Bildschirm: Sieben Stunden täglich: Jugendliche in Deutschland nutzen digitale Medien sehr viel. Im OECD-Vergleich verbringen besonders viele 15-Jährige Vergnügungszeit am Bildschirm. Einfach abschalten ist für Experten aber keine Option.
Meine Lieblingsgeschichte heute: Löcher im Eis

USA gegen Dänemark bei der Eishockey-WM in Herning
Foto: Šimánek Vít / CTK / dpaIch habe selbst in meiner Jugend begeistert Eishockey gespielt in den Nachwuchsmannschaften des im Allgäu beheimateten Vereines ESV Kaufbeuren; deshalb kann ich die Beschwerden über das löchrige Eis bei der derzeit stattfinden Eishockey-WM in Dänemark ganz gut verstehen. Es kann tückisch und sogar spielentschedend sein, wenn das Eis nicht vollständig gefroren ist oder sich darin kleine oder große Löcher auftun. Beim 5:2-Erfolg der deutschen Mannschaft am Dienstag gegen Norwegen musst die Partie zweimal wegen eines größeren Loches im Eis unterbrochen werden. Heute hat der Eishockey-Weltverband IIHF wegen des schlechten Zustands der Eisfläche bei der WM im dänischen Herning erste Maßnahmen verkündet. Demnach wird die Drittelpause jeweils um zwei Minuten auf nun 17 Minuten verlängert. Dadurch soll das Eis nach der Aufbereitung vollständig gefroren und die Oberfläche härter sein. Vom Verband hieß es: »Wir glauben, dass es erheblich dabei helfen wird, die Eisqualität in Herning konstant aufrechtzuerhalten.«
Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Wegen der Löcher im Eis – Weltverband verlängert die Pausen
Was heute weniger wichtig ist

Aus der »Pforzheimer Zeitung«

Entdecken Sie hier noch mehr Cartoons.
Klaus Stuttmann
Und heute Abend?
Könnten Sie sich, falls Sie gern Podcasts hören, mit dem offenbar sehr außergewöhnlichen Podcast »Heavyweight« beschäftigen (Hier mehr dazu ). Der ist das Werk des kanadisch-US-amerikanischen Mittfünfzigers Jonathan Goldstein und nun in vier neuen kleinen Episoden verfügbar, wie meine Kollegin Carolina Torres schreibt.
»Man kann ›Heavyweight‹ als investigatives Storytelling-Doku-Format beschreiben. Und Goldstein als Privatdetektiv, Mediator und Therapeuten in Personalunion.« Der Podcast nehme sich zum Beispiel eines Geschwisterpaars an, das im Kindesalter per Gerichtsbeschluss getrennt wurde. Oder einer Harvard-Studentin, die ihre Mentorin enttäuscht hat und Wiedergutmachung leisten will. Goldstein selbst formuliert seine Geschäftsphilosophie so: »Ich glaube, dass es für unsere Hörerinnen und Hörer spannend ist, aus einer sicheren Entfernung in die persönlichsten Geschichten anderer Menschen einzutauchen.«
Einen schönen Abend. Herzlich
Ihr Wolfgang Höbel, Autor im Kulturressort