1. Harvard will sich nicht vorschnell beugen, aber auch dort sind Forschung und Lehre bedroht
Es ist ein Feldzug der Geistlosigkeit, den der US-Präsident und seine Mitstreiter gegen die besten Universitäten der USA führen. Besonders hat es Donald Trump auf die Harvard University abgesehen. Heute wurde bekannt, dass Harvard wegen des Widerstands der Unileitung gegen den Präsidenten seine Steuerbefreiung verlieren könnte. Trumps Regierung hat bereits Fördergeld für Harvard in Milliardenhöhe auf Eis gelegt und nun wohl die zuständige Behörde IRS gebeten, den für US-Hochschulen üblichen steuerlichen Sonderstatus der Universität zu widerrufen.
Der Konflikt zeige, wie abhängig selbst die reichste US-Uni von öffentlichen Geldern ist, berichtet meine Kollegin Anika Freier . Es sei nicht bloß die Auseinandersetzung zwischen einer Eliteuniversität und der US-Regierung, sondern »ein Kampf der Wissenschaft gegen staatliche Eingriffe«.
Alan Garber, der Präsident von Harvard, hatte zu Beginn der Woche Trumps Forderungen abgelehnt mit den Worten: »Keine Regierung – unabhängig davon, welche Partei an der Macht ist – sollte vorschreiben, was private Universitäten lehren dürfen.«
Harvard ist eine private Einrichtung und verfügt über ein Vermögen von rund 53,2 Milliarden Dollar. Fördergeld aus öffentlichen Mitteln bekommt sie dennoch. Bei vielen privaten Unis in den USA ist das üblich. Harvard könnte nun ein Signal an andere Hochschulen senden, sich nicht vorschnell zu beugen .
»Unabhängig von der jüngsten Eskalation berichten Forschende in den USA, dass sie bereits jetzt ihre Arbeit nicht wie gewohnt fortsetzen können. Manche Zuschüsse hatte die US-Regierung schon vor der jüngsten Auseinandersetzung gestrichen«, berichtet Anika. Sollte Harvard auf Trumps Druck tatsächlich seine Steuerbefreiung verlieren und als politische Organisation eingestuft werden, könnte das erhebliche finanzielle Folgen haben.
Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Wie viel Widerstand kann sich Harvard leisten?
2. Noch streiten Fachleute, ob auf dem fernen Exoplaneten K2-18b wirklich Leben möglich ist
Albert Einstein wird der Satz zugeschrieben: »Im unbegreiflichen Weltall offenbart sich eine grenzenlos überlegene Vernunft.« Ob das stimmt? Ich finde die Nachricht aufregend, dass Forscher Hinweise auf mögliches außerirdisches Leben entdeckt haben, und zwar auf dem 124 Lichtjahre entfernten Exoplaneten K2-18b. Dort haben sie Gase gefunden, die eigentlich nur von Lebewesen produziert werden.
Es seien die bisher stärksten Anzeichen für mögliches Leben jenseits unseres Sonnensystems, sagen die Wissenschaftler eines internationalen Forschungsteams, die mithilfe des »James Webb«-Weltraumteleskops in der Atmosphäre des Exoplaneten Hinweise auf zwei chemische Verbindungen gefunden haben. Exoplaneten sind Himmelskörper außerhalb unseres Sonnensystems.
Mein Kollege Martin Schlak beurteilt die Nachricht nüchtern: »Noch sind die Messungen kein Beleg für außerirdisches Leben.« Fachleute seien sich uneinig, ob auf K2-18b überhaupt Bedingungen herrschten, die Leben möglich machen. »Die fraglichen Schwefelverbindungen könnten auch in geochemischen Prozessen entstehen. Einen sicheren Nachweis werden wir wohl erst haben, wenn wir von einem fremden Planeten spezielle elektromagnetische Signale abfangen: eine Botschaft an uns Erdlinge.«
Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Forscher entdecken Hinweise auf außerirdisches Leben
3. Die Hörsaalbesetzung war offensichtlich das Werk radikaler Aktivisten
Ähnlich wie an US-amerikanischen und britischen Universitäten kam es auch an deutschen Hochschulen in den vergangenen Monaten immer wieder zu Kundgebungen propalästinensischer Protestierender. Gestern haben Aktivisten in der Berliner Humboldt-Universität einen Hörsaal besetzt. Das Präsidium der 1810 gegründeten Uni hat die Polizei gebeten, das Gebäude zu räumen, weil Sachbeschädigungen begangen, das Existenzrecht des Staats Israel geleugnet und Gewalt verherrlicht worden seien. Heute wurde bekannt, dass die rund 90 von der Polizei aus dem Gebäude herausgeführten Menschen einen Großteil der Sitze herausgerissen und alle Wände beschmiert haben, der Hörsaal dürfte für Wochen nicht zu benutzen sein.
»Es gibt auf dem Humboldt-Campus regelmäßig Demonstrationen, mit denen sich ganz gewöhnliche Studierende solidarisieren«, sagt mein Kollege Lukas Hildebrand. »Besucht man diese Demos, dann merkt man, das ist ein Anliegen vieler Studierender – die sich von antisemitischen Botschaften distanzieren.«
Die Besetzungen seien aber eine andere Nummer. Zwar zeigten sich die Leitungen der Humboldt-Universität und der Freien Universität seit Monaten gesprächsbereit, doch träfen sie dabei teils auf Gruppierungen, die radikale Forderungen formulieren, etwa einen Abbruch jeder Kooperation mit israelischen Universitäten.
»Mitglieder dieser Gruppierungen sind teilweise nicht einmal Studierende der Berliner Universitäten und lehnen Gespräche mit der Presse ab«, sagt mein Kollege. »Die Präsidien der Universitäten geben Gesprächsangebote und öffnen Seminare, um mit den Studierenden ins Gespräch über den Krieg in Gaza zu kommen. Sie haben aber aufgrund der Geschehnisse auch eine Null-Toleranz-Politik etabliert, um Protestaktionen mit antisemitischen Botschaften zu unterbinden.«
Lesen Sie hier mehr: Hörsaal der Humboldt-Universität nach Besetzung für Wochen nicht nutzbar
Was heute sonst noch wichtig ist
Bundestag schließt Russland von Weltkriegsgedenken aus: Der Bundestag lädt die Botschafter von Russland und Belarus nicht zur Gedenkfeier zum 80. Jahrestag des Kriegsendes ein. Das Auswärtige Amt hatte zuvor vor einer Instrumentalisierung des Weltkriegsgedenkens gewarnt.
EZB senkt Leitzins auf 2,25 Prozent: Europas Zentralbank lockert ihre Geldpolitik, um die Wirtschaft anzukurbeln. EZB-Chefin Christine Lagarde warnt vor Donald Trumps erratischer Handelspolitik. Diese sei eine »außergewöhnliche Unsicherheit«.
Heftiger Regen im Norden Italiens: Piemont, Südtirol und die Toskana haben mit schweren Unwettern zu kämpfen. In mehr als hundert Gemeinden wurde die höchste Warnstufe verhängt. Zahlreiche Züge in Richtung Schweiz stehen still.
Meine Lieblingsglosse heute: Beim Wort genommen
Am Ende der Woche finden Sie hier immer die Kolumne »So gesehen« meines Kollegen Stefan Kuzmany als Teil der Lage am Abend. Heute schreibt Stefan über Streit um den Koalitionsvertrag:

Markus Söder (CSU), Friedrich Merz (CDU), Lars Klingbeil (SPD) und Saskia Esken (SPD)
Foto:Kay Nietfeld / dpa
Die Vorsitzenden von Union und SPD widersprechen Berichten, denen zufolge zwischen ihren Parteien bereits vor dem Start der neuen Regierung Streit über die Auslegung des kürzlich vorgestellten Koalitionsvertrags herrsche. »Wir haben alles besprochen und festgelegt«, heißt es in einer gemeinsamen Presseerklärung, »einer erfolgreichen Partnerschaft steht nichts mehr im Wege.« Freilich gebe es an der einen oder anderen Stelle noch »Marginalien zu klären«, man habe dafür aber bereits eine Arbeitsgruppe »Interpretation« eingerichtet, diese komme »gut voran«.
Tatsächlich ist ein hochkarätig besetztes Team seit Wochenbeginn im Geheimen mit der Exegese der Koalitionsvereinbarung beschäftigt. Ziel sei die »Ausräumung aller Missverständnisse« und »ein dauerhaft gemeinsames Verständnis der getroffenen Übereinkünfte«.
Gerade, so berichten Insider, befinde man sich in einer hitzigen Debatte über eine prominente Formulierung des Vertragswerks. In Zeile eins stehe das Wort »Präambel«, diese Vokabel verstünden die kommenden Koalitionäre grundlegend unterschiedlich: Während die SPD davon ausgehe, dass diese Überschrift einen Abschnitt einleite, der Geist und Absicht des Vertrags verbindlich zusammenfasst, vertrete die CDU die Auffassung, eine Präambel sei nur eine sprachliche Girlande ohne bindende Wirkung.
Vom Vertreter der CSU, einem Spitzenpolitiker aus Franken, werde sogar die nachträgliche Streichung des Begriffs gefordert: »Präambel« klinge in seinem Dialekt so, als wäre die neue Koalition lediglich das Vorspiel zu einer neuerlichen Ampelkoalition. »Die Ambel« müsse »weg«, andernfalls könne die CSU nicht in die Regierung eintreten.
Übers Wochenende soll weiter verhandelt werden, eine Einigung gilt als wahrscheinlich: »Wir gehen davon aus, ab Montag über Zeile zwei reden zu können.«
Was heute weniger wichtig ist
Hätte, hätte, Kandidatenkette: George Clooney, 63, politisch engagierter Schauspieler, hätte im vergangenen US-Präsidentschaftswahlkampf nach Joe Bidens spätem Verzicht auf eine Kandidatur lieber eine »schnelle Vorwahl« aufseiten der demokratischen Partei gesehen. Anstatt, wie es die Demokraten taten, einfach die damalige Vizepräsidentin Kamala Harris ins Rennen zu schicken, hätte man Harris gegen andere Mitbewerberinnen und Mitbewerber etwa aus den Reihen demokratischer Gouverneure antreten lassen sollen. In einem Interview nannte Clooney unter anderem den Namen von Gretchen Whitmer aus Michigan. Er sagte: »Ich denke, wir haben einige wirklich gute Gouverneure.«
Mini-Hohlspiegel

Aus dem »Westfälischen Anzeiger«

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Foto:Klaus Stuttmann

Liebesnovelle: Wie eine Gebetsanleitung
Foto: Tero Vesalainen / iStockphoto / Getty ImagesKönnten Sie mal wieder ein Buch lesen und sich mit einem sehr französischen Blick auf die Dinge des Lebens und der Liebe beschäftigen. Mein Kollege Christian Buß lobt die Novelle »Jede Sekunde«, in der der Schriftsteller Nicolas Mathieu das Fremdgehen als Akt des Widerstands gegen die Ökonomisierung der Liebe beschreibt. »Der Ich-Erzähler feiert die Haut, die einer Person gehört, die eigentlich an jemand anderen gebunden ist«, schreibt Christian. »Jede einzelne Körperregion der Geliebten wird besungen und gepriesen wie die Entdeckung eines fremden Kontinents.« Man kenne diese aberwitzige Erhöhung der Lotterliebelei aus großen französischen Filmen wie François Truffauts »Der Mann, der die Frauen liebte« oder Louis Malles »Die Liebenden«. Im Unterschied zu solchen Filmen berichte das Buch »Jede Sekunde« allerdings davon, so mein Kollege, »dass eine Affäre unter gewissen Umständen auch ein subversiver Akt sein könnte«.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Herzlich
Ihr Wolfgang Höbel, Autor im Kulturressort