Neues KI-Modell soll vorhersagen, wann Menschen krank werden oder sterben

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Risiko für Erkrankungen

Autorenprofilbild von Lynn Pinders

Stand: 07:27 UhrLesedauer: 3 Minuten

MODEL RELEASED. Female doctor showing senior patient xray of hand on digital tablet.
Kann der Arzt bald in die Zukunft blicken? Ein KI-Modell ermöglicht Vorhersagen zur GesundheitQuelle: Getty Images/Science Photo Library RF

Wissen Menschen künftig frühzeitig über eine Krankheit Bescheid, die ihnen bevorsteht? Ein neues KI-Modell soll das persönliche Risiko für mehr als 1000 Krankheiten vorhersagen können. Das wirft ethische und rechtliche Fragen auf.

Ein neu entwickeltes KI-Modell soll künftig das Risiko für mehr als 1000 Erkrankungen vorhersagen können. Ferner liefert es Prognosen darüber, wie sich der Gesundheitszustand einer Person in den kommenden 20 Jahren entwickeln könnte.

In einer Studie entwickelten Forscher des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie das Modell „Delphi-2M“. Dafür trainierten sie ein „Generative Pre-trained Transformer“-Modell – ein sogenanntes GPT-Modell. Als Datengrundlage dienten Informationen von 400.000 Teilnehmern der britischen „UK Biobank“, die anonymisierte biologische Proben und Gesundheitsdaten sammelt, sowie rund zwei Millionen Teilnehmern aus dem dänischen Krankheitsregister.

Ziel der Studie war es, künftig mithilfe von Künstlicher Intelligenz Prognosen zu erstellen, wie sich die Gesundheit eines Menschen entwickeln könnte. Anhand dieser Einschätzungen sollen Therapiemöglichkeiten oder Präventionsmaßnahmen für mögliche Erkrankungen gezielter geplant werden, wodurch jeder Einzelne mehr Verantwortung für seine zukünftige Gesundheit übernehmen könnte.

Das KI-Modell analysiert biografische Krankheitsdaten und berechnet daraus Wahrscheinlichkeiten für mögliche zukünftige Erkrankungen. Dabei werden Faktoren wie Alter, Geschlecht sowie frühere Krankheitsphasen – etwa Pocken, Erkältungen oder Asthma – berücksichtigt und der jeweiligen Lebensphase zugeordnet. Ergänzend fließen auch Informationen wie Body-Mass-Index (BMI), Alkohol- oder Tabakkonsum in den jeweiligen Lebensjahren in das Modell ein.

Bisher schafft das Modell relativ sichere Vorhersagen bei Erkrankungen mit klaren und konsistenten Verlaufsmustern, wie bei bestimmten Krebsarten und Herzinfarkten, aber auch beim Tod. Bei psychischen Störungen oder Schwangerschaftskomplikationen jedoch ist die Vorhersage bislang noch mangelhaft. Laut der Autoren sei dieses KI-Modell bisher nicht bereit für den Einsatz in der Klinik, sondern solle weiter erforscht und beispielsweise mit zusätzlichen Daten, wie Blutwerten, ergänzt und optimiert werden.

Robert Ranisch, Professor für Medizinische Ethik an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Potsdam, spricht von „Zukunftsmusik“ und warnt vor verfrühten Erwartungen. „Bei allen Potenzialen dürfen wir uns nicht in eine KI-gestützte Glaskugelschau verrennen – auch die besten Modelle erkennen Muster, aber sie sagen keine Zukunft voraus“, schätzt Ranisch die Studie ein. „Solche Prognosen sind keine Schicksalsurteile.“

Ethische und rechtliche Tragweite bislang unklar

Patienten müssen außerdem wissen, dass das KI-Modell nicht dazu verleiten soll, um jeden Preis um die zukünftige Gesundheit zu ringen. Ranisch betont, dass die „Autonomie im Jetzt“ demnach nicht darunter leiden dürfe. Ebenso wichtig sei das „Recht auf Nichtwissen“, das weiterhin gegeben sein müsse.

Ein weiteres Problem liegt in der Datenbasis: Sie überrepräsentiert vor allem ältere und britische Personen. Andere Bevölkerungsgruppen werden dagegen zu wenig berücksichtigt– ein Ungleichgewicht, das Bias und potenzielle Diskriminierungen begünstigen könne, erläutert Ranisch. „Solche Verzerrungen können dazu führen, dass bestimmte Gruppen systematisch über- oder unterschätzt werden – etwa nach Geschlecht, Herkunft oder sozialem Status.“

Ranisch äußert vor allem mit Blick auf gesunde Menschen ethische Bedenken: „Was bedeutet es für gesunde Menschen, die in ein Muster ‚bald Erkrankter‘ passen? Wie schützen wir Gesundheitsinformationen, wenn plötzlich eine Vielzahl persönlicher Daten für KI-Prognosen relevant wird?“ Noch stehe man ganz am Anfang, die rechtlichen und ethischen Konsequenzen dieser Entwicklung zu begreifen, betont der Experte.


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