Für unseren Liveblog verwenden wir neben eigenen Recherchen Material der Nachrichtenagenturen dpa, Reuters, epd, KNA und Bloomberg.
Wichtige Updates
Außenminister Wadephul für „grundnüchterne Prioritätensetzung“
Digitalministerium erhält weitreichende Zuständigkeiten
Linke in Lila: Protest gegen die niedrige Frauenquote im Parlament
Alle Mitglieder der neuen Regierung ernannt
"So wahr mir Gott helfe": Merz legt Amtseid ab
Merz beschwichtigt nach verfehltem ersten Wahlgang und will „keine Motivforschung“ betreiben
Der neue Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sieht trotz der turbulenten Kanzlerwahl eine solide Vertrauensbasis für die Arbeit in seiner schwarz-roten Koalition. „Es ist ein ehrlicher Tag gewesen, aber am Ende des Tages auch ein Vertrauensbeweis der Koalition aus CDU, CSU und SPD“, sagte Merz in einer ARD-Sondersendung, in der er sein erstes Interview als Bundeskanzler gab. Er habe nach diesem Tag „keinen Zweifel“, dass die Koalition „vertrauensvoll zusammenarbeiten“ werde, betonte er. Es habe trotz der Abweichung vom ursprünglichen Zeitplan „einen ordentlichen, stilvollen Regierungswechsel“ gegeben.
Die Kanzlerwahl war zuvor überraschend zur Zitterpartie geworden. Merz wurde erst im zweiten Wahlgang zum Kanzler gewählt, weil ihm im ersten Anlauf sechs Stimmen zur notwendigen Mehrheit von 316 Stimmen fehlten. „Das ist sicherlich ein kleiner Makel“, räumte Merz am Abend im ZDF ein. Sein Vertrauen in SPD-Vizekanzler Lars Klingbeil sei aber „unverändert groß“. Die Motive derjenigen aus den Reihen der eigenen Koalition, die zunächst nicht für ihn gestimmt hätten, kenne er nicht. Er werde aber auch „keine Motivforschung“ betreiben. Das Entscheidende sei, dass sich die Koalition nun an die Arbeit machen könne. In der ARD sagte er zu dem Thema, es sei „normal, dass nicht alle zustimmen“. Die Verfassung habe für diesen Fall Vorkehrungen getroffen. Alle Fraktionen hätten in einem „einstimmigen Konsens“ eine Fristverkürzung ermöglicht und somit den Weg für eine zweite Abstimmung freigemacht, so Merz.
Außenminister Wadephul für „grundnüchterne Prioritätensetzung“
Der neue Außenminister Johann Wadephul kündigt nach einer wertegeleiteten Politik seiner Vorgängerin Annalena Baerbock (Grüne) eine auf Sicherheit, Interessen und Wirtschaft fokussierte Außenpolitik an. Angesichts geopolitischer Realitäten und weltweiter Krisen wolle er „eine grundnüchterne Prioritätensetzung“ vornehmen, sagte der CDU-Politiker bei der Amtsübergabe durch Annalena Baerbock (Grüne) im Auswärtigen Amt in Berlin.
Deutsche Außenpolitik müsse konsequent auf die Interessen Deutschlands und Europas ausgerichtet werden, forderte Wadephul. Dies erfordere eine Konzentration auf das wesentliche – „die Wahrung der Sicherheit, der Freiheit, des Wohlstandes Deutschlands und Europas“. Wadephul schloss mit dem norddeutschen Spruch: „Na denn mal los.“
Ja, ein bisschen Wehmut schwingt mit“, sagte Baerbock in ihrer Abschiedsrede. Sie sprach von einer verkürzten Amtszeit im Krisen-Dauermodus, sie habe „gefühlt drei Amtszeiten im Modus des Nicht-Schlafens“ verbracht. Zugleich habe sich Deutschland in dieser Zeit in der Welt neu aufgestellt - etwa mit der Nationalen Sicherheitsstrategie oder der Klima-Außenstrategie. Sie warb für ihr Konzept einer aktiven Außenpolitik angesichts einer Welt der Narrative, in der Fake News Teil von Kriegsstrategie seien.
Linnemann: Kanzler-Wahl am Freitag wäre „katastrophal“ gewesen
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann ist froh, dass die Wahl von Parteichef Friedrich Merz zum Bundeskanzler doch noch wenige Stunden nach dem verlorenen ersten Wahlgang geglückt ist. Eine Verschiebung auf den Freitag wäre „katastrophal“ gewesen, sagte Linnemann in der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“. Ein tagelanges Vakuum hätte sich Deutschland nicht leisten können.
Ohne eine Zweidrittelmehrheit zur Änderung der Geschäftsordnung wäre ein zweiter Wahlgang am gleichen Tag nicht möglich gewesen. Deshalb war die Union sogar auf die Linke zugegangen, obwohl ein sogenannter Unvereinbarkeitsbeschluss eine Zusammenarbeit mit dieser Partei eigentlich ausschließt.
Doch diesen Vorgang möchte Linnemann nicht überbewerten. Schon in der Vergangenheit seien Verfahrensfragen zwischen den Parlamentarischen Geschäftsführern geklärt worden, sagte der Generalsekretär und versicherte: „Der Unvereinbarkeitsbeschluss gilt.“
Digitalministerium erhält weitreichende Zuständigkeiten
Das neue Digitalministerium wird noch umfangreichere Kompetenzen erhalten als ursprünglich geplant. Das geht aus dem sogenannten Organisationserlass der neuen schwarz-roten Regierung hervor, den das neue Bundeskabinett am Dienstagabend in seiner ersten Sitzung billigte. Danach erhält das Ministerium von Karsten Wildberger (CDU) Abteilungen oder Zuständigkeiten aus insgesamt sechs Häusern. Ziel ist es, die Digitalisierung in Deutschland massiv zu beschleunigen.
Aus dem Kanzleramt kommen dafür die Zuständigkeiten für strategische Vorausschau und Grundsatzfragen der Digitalpolitik in das neue Ministerium, das zunächst in einem Gebäude des Innenministeriums sitzen soll. Das Innenministerium muss die beiden Abteilungen digitale Verwaltung und digitale Gesellschaft sowie die allgemeine IT-Beschaffung, "die Steuerung der IT des Bundes einschließlich der zugehörigen Infrastruktur und der darauf begrenzten zugehörigen IT-Sicherheit" und sogar die Cybersicherheit in der Bundesverwaltung abgeben. Diese wollte das BMI als Sicherheitsministerium unbedingt behalten.
Das bisherige Ministerium für Verkehr und Digitales gibt die Digital- und Datenpolitik sowie die Abteilung für die digitale Infrastrukturen ab. Aus dem Wirtschaftsministerium bekommt Wildberger die Zuständigkeiten für europäische und nationale bessere Rechtsetzung und Bürokratieabbau, sowie unter anderem die Zuständigkeiten für den Digitalgipfel, die Digitalpolitik (ohne Post) und digitale Wirtschaft. Das Finanzministerium muss etwa teilweise die Zuständigkeit für das Informationstechnikzentrum (ITZBund) sowie für die sogenannte souveräne Cloud für Verwaltungen abgeben. Das Justizministerium gibt die Geschäftsstelle für Bürokratieabbau, für bessere Rechtssetzung und für den Nationalen Normenkontrollrat sowie die federführende Umsetzung der EU-Direktive für Künstliche Intelligenz ab.
Damit das neue Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung aber die gesamte IT des Bundes besser steuern kann, erhält es zudem einen Zustimmungsvorbehalt „für alle wesentlichen IT-Ausgaben der unmittelbaren Bundesverwaltung“. Ausnahmen gelten nur für Sicherheitsausgaben und die Steuerverwaltung. Die besondere Wertschätzung für das von Kanzler Friedrich Merz geforderte Ministerium zeigt sich auch daran, dass es als neues Ressort in der im Kabinett ebenfalls festgelegten Reihenfolge der Häuser noch vor dem Verkehrs-, Umwelt- oder Gesundheitsministerium rangiert.
Kanzler Merz kündigt Telefonat mit Trump an
Der neue Bundeskanzler Friedrich Merz will an diesem Donnerstag mit US-Präsident Donald Trump telefonieren. „Wir kennen uns bisher persönlich nicht“, sagte Merz im ZDF. Zu einem Treffen der beiden werde es spätestens auf dem Nato-Gipfel Ende Juni in Den Haag kommen, „vielleicht auch früher“, betonte der CDU-Vorsitzende. „Wir werden offen miteinander reden.“
Merz kritisierte die Stimmen aus Teilen der US-Regierung, die sich im Bundestagswahlkampf für die AfD ausgesprochen und zuletzt die Einstufung der Partei als rechtsextremistisch durch den Verfassungsschutz kritisiert hatten. Es handele sich um „absurde Betrachtungen der Bundesrepublik Deutschland“, meinte Merz. „Ich habe mich nicht in den amerikanischen Wahlkampf eingemischt und einseitig Partei ergriffen für den einen oder den anderen.“ Er ermuntere daher die amerikanische Regierung, die Innenpolitik in Deutschland Innenpolitik sein zu lassen.