Radfahren und Zufußgehen sind prinzipiell gesund. Allerdings kann die Belastung mit Feinstaub den Aufenthalt unter freiem Himmel beeinträchtigen. Das Forschungszentrum Informatik (FZI) in Karlsruhe hat nach eigenen Angaben eine App entwickelt, mit der es möglich ist, die individuelle Feinstaubbelastung zu bestimmen.
Feinstaub kann unter anderem Atemwegserkrankungen und andere Krankheiten auslösen. Eine zuverlässige, individuelle Datengrundlage, um das Gesundheitsrisiko für aktive Verkehrsteilnehmer einzuschätzen, fehlt jedoch bislang. Das soll die App leisten. "Bisher wussten wir, wo die Luft verschmutzt ist – aber nicht, wie stark Menschen sie tatsächlich einatmen", sagte Projektleiter Christoph Becker. An dem Projekt waren noch das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und das Unternehmen IDEA System, das auf Dosimetrie spezialisiert ist, beteiligt.
Die App misst die Feinstaubbelastung der Nutzer pro zurückgelegter Strecke. Dazu bestimmt sie alle zehn Sekunden den Standort und ruft von Google die aktuelle Feinstaubkonzentration für diesen Ort ab. Zudem erfasst sie die aktuelle Fahrt- oder Gehgeschwindigkeit.
Die App unterteilt die Strecke in Abschnitte mit etwa gleicher Geschwindigkeit und berechnet zunächst die nötigen Parameter für die Inhalationsfunktion. Daraus ermittelt sie das durchschnittliche Atemvolumen anhand der empirischen Inhalationsfunktion und so unter Einbeziehung der aktuellen Feinstaubbelastung die Menge an geatmeten Partikel für jeden Abschnitt und schließlich für die gesamte Strecke.
Bei Bewegung steigt das Atemvolumen
Das durchschnittliche Atemvolumen beim Gehen sowie dem Fahren mit verschiedenen Fahrradtypen wurde von Sportwissenschaftlern des KIT in Belastungsmessungen ermittelt. Dabei wurden Körpergröße, Gewicht, Geschwindigkeit sowie Geländeprofil einbezogen. In Ruhe atme ein Mensch etwa 6 bis 8 Liter Luft pro Minute ein. Beim Gehen oder Radfahren steige der Wert auf 40 bis 50 Liter, was die Feinstaubaufnahme erhöhe, sagte Stefan Altmann vom KIT. "Zusätzlich ist das eingeatmete Luftvolumen stark von individuellen Faktoren abhängig. Daher haben Nutzer*innen der App die Möglichkeit, diese anzugeben, um eine präzise Schätzung zu ermöglichen."
Als Zielgruppe sehen die Initiatoren neben Fußgängern und Radfahrern auch Stadtplaner: "Fußgänger und Radfahrende sind eine Risikogruppe, weil sie häufig in direktem Kontakt stehen. Wenn sie wissen, welche Strecken stark belastet sind, können sie ihr Risiko aktiv reduzieren", sagte Richard Doerfel, Gründer und Geschäftsführer von IDEA System. "Umgekehrt kann die Verkehrsinfrastruktur durch Messergebnisse von Bürger*innen optimiert werden."
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation, WHO) ist Feinstaub die vierthäufigste Todesursache weltweit. Die zwischen 2,5 und 10 Mikrometer großen Partikel spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Atemwegserkrankungen, Krebs und Herz-Kreislauf-Leiden oder verschlimmern bestehende. Menschen auf der Straße sind jedoch nicht nur Feinstaub ausgesetzt. Die Initiatoren entwickeln deshalb ihre App weiter, um weitere Schadstoffe wie Stickoxide zu berücksichtigen.
(wpl)