Die Warnungen des BND-Chefs vor einem russischen Austesten der Nato-Beistandspflicht sind wichtig: Bis heute ist unzureichend geklärt, wann und wie Artikel 5 greift.
28. November 2024, 18:33 Uhr
Was Deutschlands oberster Spion am Mittwoch bei einer Berliner Fachkonferenz vortrug, war höchst ungewöhnlich – und beunruhigend. Bruno Kahl, der Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), ließ durchblicken, dass die westliche Abschreckung womöglich nicht funktioniert. Es spricht für Kahls Sorge, wenn er als einer der höchsten Sicherheitsbeamten des Landes öffentlich solche Zweifel äußert: Liebe Leute, es kann sein, dass unsere Lebensversicherungspolice abgelaufen ist.
Denn darum geht es hier – um den Kern der deutschen Sicherheitsdoktrin, um die sogenannte Bündnisverteidigung im Rahmen der Nato. Nach Einschätzung des BND bezweifeln hochrangige Offizielle im russischen Verteidigungsministerium, dass die wechselseitige Beistandsverpflichtung der Nato-Mitgliedsstaaten im Ernstfall eingehalten würde. Insbesondere stelle der Kreml infrage, ob die USA den Europäern im Kriegsfall tatsächlich zu Hilfe kommen würden.