Nach Nichtwahl von Heidi Reichinnek: Die Reform der Schuldenbremse gerät in Gefahr

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Heidi Reichinnek ist im Angriffsmodus: „Ich bin nicht gescheitert, die Union ist mal wieder an der Demokratie gescheitert“, sagt die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei am Donnerstagabend in der ARD. Am Nachmittag haben CDU und CSU verhindert, dass die Frontfrau der Linken in das wichtige Parlamentarische Kontrollgremium, das die Geheimdienste überwacht, gewählt wird.

Nun lässt Reichinnek verbal die Muskeln spielen. „Eine Zusammenarbeit ist nur möglich, wenn die Union auf uns zukommt und es eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe gibt.“

Es ist gerade einmal gut 50 Tage her, dass Reichinnek und ihre erstarkte Linksfraktion Friedrich Merz eine schnelle zweite Kanzlerwahl ermöglichten und damit die Blamage des CDU-Chefs in Grenzen hielten. Hochrangige Konservative dankten den Linken öffentlich, direkt wurde über eine Lockerung im Verhältnis der beiden Parteien spekuliert.

Nun der erneute Konflikt, der ein zentrales Vorhaben der schwarz-roten Koalition akut gefährdet: die Reform der Schuldenbremse.

Die Union ließ weitere Linken-Kandidaten durchfallen

Im Koalitionsvertrag haben sich CDU, CSU und SPD darauf verständigt, „eine Expertenkommission unter Beteiligung des Deutschen Bundestags und der Länder einzusetzen, die einen Vorschlag für eine Modernisierung der Schuldenbremse entwickelt“. Dadurch sollten dauerhafte Investitionen, sprich Schulden, ermöglicht werden. Noch in diesem Jahr will die Koalition die Reform abschließen.

Die Zeit drängt, doch für eine Reform der Schuldenbremse braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und damit auch die Stimmen von Grünen und Linken. Doch die Fronten sind verhärtet, zumal am Donnerstag nicht nur Reichinnek nicht gewählt wurde.

Auch Parteichefin Ines Schwerdtner verweigerte die Union die Unterstützung für den Einzug in ein Gremium zum Bundesschuldenwesengesetz, die Linken-Abgeordnete Tamara Mazzi scheiterte bei der Wahl ins Gremium zum Bundeswehrfinanzierungs- und Sondervermögensgesetz.

Schwerdtner hält die Gründe der Union für vorgeschoben: Sie erwarte von den Konservativen lediglich „absolute Grundlagen der normalen parlamentarischen Arbeit“. Die Linken-Chefin sagt dem Tagesspiegel über die Union: „Solange sie das nicht hinbekommen, sehe ich nicht, wie sie Zweidrittelmehrheiten hinbekommen sollen. Als reine Mehrheitsbeschafferin stehen wir nicht zur Verfügung“, betont Schwerdtner.

Doch genau darauf könnte es die Union ankommen lassen. In der Linkspartei fürchtet man, dass man nicht Teil der Expertenkommission für die Schuldenbremsen-Reform wird. Die soll nach Tagesspiegel-Informationen noch vor der parlamentarischen Sommerpause gebildet werden. Die Mitglieder sind noch nicht bekannt.

Mit der Linken ist kein Staat zu machen.

Die CDU-Politikerin Gitta Connemann will keine Zusammenarbeit mit der Linkspartei.

Große Sympathien für eine Beteiligung gibt es bei den Konservativen, die einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit den Linken haben, nicht. „Die Linkspartei kann für uns keine politische Partnerin sein“, sagt etwa die Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, Gitta Connemann, dem Tagesspiegel.

Als SED-Nachfolgepartei weigere sich die Linke, ihre DDR-Vergangenheit aufzuarbeiten und lehne die Soziale Marktwirtschaft ebenso wie die Sicherheit Israels als deutsche Staatsräson ab. Connemanns Fazit: „Mit der Linken ist kein Staat zu machen. Wirtschaftspolitisch, außenpolitisch und ethisch.“ Es liege in der Verantwortung der Parteien der Mitte, Lösungen für die Probleme dieses Landes zu entwickeln.

Was Connemann indirekt und andere Abgeordnete von CDU und CSU hinter vorgehaltener Hand andeuten: Falls eine Reform der Schuldenbremse scheitert, wäre das für die Konservativen nicht so schlimm. In der Union will man die SPD vielmehr dazu bringen, mehr Einsparungen beim Sozialstaat, etwa dem Bürgergeld oder der Rente, vorzunehmen.

Der Bonner Politikwissenschaftler Frank Decker hält diese Strategie jedoch für unklug. „Es wäre vorausschauend von der Union, wenn man das Verhältnis zur Linkspartei, die im Osten seit Langem mitregiert, entkrampft“, sagt er dem Tagesspiegel.

Denn die Linkspartei wird auch für andere Grundgesetzänderungen oder die Berufung von Verfassungsrechtlern benötigt. Zudem sei eine Reform der Fiskalregeln nicht nur für die SPD wichtig, argumentiert Decker: „Die Reform der Schuldenbremse ist die zentrale Aufgabe dieser Legislatur, an der auch alle anderen Reformen hängen. Sie ist auch im Interesse der Union.“

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