20 Jahre nach "Muxmäuschenstill" bekommt Jan Henrik Stahlbergs Bürgerwehr-Satire eine Fortsetzung. Sie erzählt fast die gleiche Geschichte, diesmal immerhin ohne Femizid.
2. Mai 2025, 16:16 Uhr
Vor gut 20 Jahren war Muxmäuschenstill ein Überraschungshit. Im Mittelpunkt stand der ehemalige Philosophiestudent Mux, der in Berlin Schwarzfahrer, Falschparker und Beckenpinkler stellte und dabei zu immer radikaleren Mitteln griff. Der Low-Budget-Film erhielt mehrere Auszeichnungen beim renommierten Saarbrücker Filmfestival Max Ophüls Preis und war auch im Kino ein Publikumserfolg. Hauptdarsteller Jan Henrik Stahlberg schrieb das Drehbuch, für den Schauspieler Marcus Mittermeier (den man unter anderem aus der ZDF-Krimireihe München Mord kennt) war es das Regiedebüt.
Schaut man sich die mit wackeliger Handkamera gedrehte Mockumentary heute wieder an, muss man feststellen: Sie ist nicht gut gealtert. Satire hin oder her, der Sexismus ist schwer erträglich. Mux drängt zum Beispiel eine Ladendiebin dazu, sich in der Umkleide zu entblößen, vor seinen Augen und zu seinem Vergnügen. Später erschießt der selbst ernannte Kämpfer für das Gute seine Ex-Freundin, nachdem er sie mit einem anderen erwischt hat. Ihre Leiche lässt er verschwinden und flieht nach Italien. Am Ende des Films wird er von einem Raser überfahren, dem er sich in den Weg gestellt hatte.
20 Jahre später, in Muxmäuschenstill X, erfahren wir: Mux hat den Unfall überlebt. Das ist allerdings auch die einzige Überraschung, die diese Fortsetzung zu bieten hat, in der Stahlberg neben Hauptrolle und Drehbuch auch die Regie übernommen hat.
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Die späte Rückkehr von Mux wird mit einem Langzeitkoma erklärt, aus dem er nach 20 Jahren erwacht. Die Welt hat sich in der Zwischenzeit komplett verändert: überall Smartphones und soziale Medien. Die Bahn ist kaputtgespart, dafür kann man mit Drohnen Videos drehen. Die Eingliederung ins Deutschland der 2020er Jahre klappt erstaunlich schnell, weil Mux während seines Wachkomas über den laufenden Fernseher upgedatet wurde. Das wird so behauptet, wie vieles im Film. Vom Krankenbett aus stellt der Patient sein "muxistisches Manifest" fertig, an dem er jahrelang innerlich gearbeitet hat. Natürlich fühlt er sich sofort wieder berufen, die Welt nach seinen Vorstellungen zu verbessern.
Erst widmet sich Mux alltäglichen Ungerechtigkeiten. Zugreisende aus der überfüllten zweiten führt er in die fast leere erste Klasse, zum Leidwesen der Anzugträger, die es sich dort bequem gemacht haben. Im Hintergrund gibt eine Durchsage nach der anderen Updates über die Dauer der Verspätung, mit der Mux sein erstes Ziel erreichen wird: Elstertrebnitz an der Mulde.
In der ostdeutschen Provinz empfangen ihn erstaunlicherweise bereits Anhänger. "Vor 20 Jahren plädierte Mux für mehr Eigenverantwortung. Doch dieser Begriff hat in der Zwischenzeit einen neoliberalen Schlag bekommen", erklärt Jan Henrik Stahlberg in einem Interview in der Pressemappe. Heute heiße Eigenverantwortung: "Wenn es dir nicht gut geht, bist du selber schuld, dann setzt du dich halt auf die Straße oder sammelst Flaschen."
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Sein heutiger Mux will die Demokratie nun retten, indem er den Neoliberalismus bekämpft. Im ersten Film war die Figur noch als Mischung aus Moralapostel und Bürgerwehrler angelegt. "Sozialschmarotzer und Kriminelle" bestrafte Mux eigenmächtig mit Erziehungsmaßnahmen. In der Fortsetzung entfernt er sich von diesem Wutbürgertum, womöglich auch, weil einige Positionen heute zu sehr denen der AfD ähneln würden. Die bezeichnet Mux im Laufe des Films als "Rattenfänger", obwohl er sich in der Ansprache der sogenannten "kleinen Leute" gar nicht so sehr unterscheidet.