Mohamed Al Fayed: BBC-Doku berichtet über sexuelle Gewalt, Überwachungskameras, Knebelverträge

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Sexuelle Gewalt, Überwachungskameras, Knebelverträge Die Akte Al Fayed – darum geht es bei den Vorwürfen

Als Vater von Dianas Liebhaber und Kaufhaus-Milliardär wurde Mohamed Al Fayed berühmt. Nach seinem Tod berichten Hunderte Frauen von Vergewaltigung und Übergriffen. Wie konnte das so lange unentdeckt bleiben?

11.10.2024, 19.38 Uhr

Mohamed Al Fayed starb 2023 im Alter von 94 Jahren

Mohamed Al Fayed starb 2023 im Alter von 94 Jahren

Foto: WWD / Penske Media / Getty Images

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Worum geht es?

Die BBC hat eine Dokumentation mit dem Titel: »Al Fayed: Predator at Harrods« veröffentlicht. Darin erzählen 20 Frauen, wie ihr Traum einer Karriere im Londoner Kaufhaus Harrods in sexueller Gewalt endete. Fünf Frauen berichten von Vergewaltigungen, 15 weitere von anderen Formen sexueller Gewalt. Das Management des Kaufhauses soll die Übergriffe vertuscht haben.

Mohamed Al Fayed und Designerin Paloma Picasso

Mohamed Al Fayed und Designerin Paloma Picasso

Foto: Georges De Keerle / Getty Images

Einige Frauen berichten aber auch von Belästigungen in Paris, Saint-Tropez und Abu Dhabi. Eine schildert in der Dokumentation, sie sei als Teenager in Al Fayeds Wohnung in der Londoner Park Lane vergewaltigt worden. »Mohamed Al Fayed war ein Monster, ein sexuelles Raubtier ohne Moral«, sagte sie der BBC.

Wer war Mohamed Al Fayed?

Al Fayed war Besitzer mehrerer Luxusimmobilien, unter anderem des Hotels Ritz in Paris und des berühmten Londoner Kaufhauses Harrods. Er war außerdem Eigentümer des Fußballklubs FC Fulham. Sein Reichtum wurde ihm nicht vererbt; er wuchs als ältester Sohn eines armen Grundschullehrers in Alexandria, Ägypten, auf. Erst als er seine Frau Samira heiratete, die Schwester des saudischen Waffenhändlers Adnan Khashoggi, wandelte sich sein Leben. Sein Schwiegervater verschaffte ihm eine führende Position in dessen Importunternehmen in Saudi-Arabien. Mit seinen Brüdern Ali und Salah gründete er eine Reederei mit Büros in Großbritannien. 1955 kam Sohn Dodi zur Welt.

Mohamed Al Fayed mit Prinzessin Diana auf einem Charity-Event 1996

Mohamed Al Fayed mit Prinzessin Diana auf einem Charity-Event 1996

Foto: Jayne Fincher  / Princess Diana Archive  / Getty Images

Sein Reichtum wuchs, die Liebe zerbrach: Al Fayeds erste Ehe scheiterte bereits nach zwei Jahren; einige Jahre später zog es ihn nach London. Er verliebte sich erneut, gründete eine Familie und zeugte vier weitere Kinder. Der Geschäftsmann war ein gemachter Mann, zur britischen Elite gehörte er nicht. Als sich sein Sohn Dodi in Prinzessin Diana verliebte, wurden die Al Fayeds weltweit berühmt. Die beiden sollen sich erstmals auf einer der vielen Jacht-Partys Al Fayeds begegnet sein.

1997 starb Dodi Al Fayed zusammen mit Prinzessin Diana in Paris bei einem Autounfall auf der Flucht vor Paparazzi. Diese Erklärung wollte sein Vater nie akzeptieren. Er initiierte Ermittlungen, um zu beweisen, dass die britische Königsfamilie Diana und Dodi töten ließ, damit die Prinzessin keinen Muslim heiratet. Das Gericht bezeichnete Al Fayeds Vorwürfe als Verschwörungstheorie – eine, der er wohl noch bis zu seinem Tod anhing. Am 30. August 2023 starb Mohamed Al Fayed in London im Alter von 94 Jahren.

Welche Auswirkungen hatte die Dokumentation?

Seit der Ausstrahlung meldeten sich noch mehr Frauen – laut BBC insgesamt 65. 37 gaben demnach an, ebenfalls für das Kaufhaus Harrods gearbeitet zu haben. In einer Stellungnahme an die BBC erklärte das Unternehmen Harrods: »Seit der Ausstrahlung der Dokumentation gibt es über 200 Personen, die nun im Harrods-Prozess sind, um Ansprüche direkt mit dem Unternehmen zu regeln.«

 Hier mit Schauspielerin Liz Hurley und Leonard Alan Lauder

In sein Kaufhaus kamen viele Promis: Hier mit Schauspielerin Liz Hurley und Leonard Alan Lauder

Foto: John Li / Getty Images

Vergangene Woche hatten die Anwälte der mutmaßlichen Opfer erklärt, dass ihre Gruppe mittlerweile mehr als 70 Personen umfasst. Die Initiative »Justice for Harrods Survivors« berichtete, dass immer mehr Frauen den Mut haben, sich zu melden. Ein Sprecher der Gruppe gab an, dass sie weitere 220 Anfragen bearbeiten.

Gab es davor schon Verdachtsfälle?

Ja, es gab bereits vor dem Tod von Al Fayed im Jahr 2023 mehrfach öffentliche Anschuldigungen. 1995 veröffentlichte die Zeitschrift »Vanity Fair« einen Artikel, in dem ihm Rassismus, Überwachung und sexuelles Fehlverhalten gegenüber Mitarbeitenden unterstellt wurden. Al Fayed verklagte das Magazin daraufhin wegen Verleumdung. »Vanity Fair« sammelte daraufhin weitere Hinweise. Nach dem Tod von Al Fayeds Sohn 1997 stimmte der Verlag zu, die Recherchen »aus Respekt vor dem trauernden Vater« einzustellen. Al Fayeds Klage wurde daraufhin zurückgezogen.

Die Harrods Food Hall 1995

Die Harrods Food Hall 1995

Foto: Andre Camara / News Licensing / IMAGO

Im Dezember 1997 berichtete der britische TV-Sender ITV über weitere Vorwürfe, darunter sexuelle Belästigung. Al Fayed wies diese Anschuldigungen als »ungeheuerlich und unwahr« zurück. 1998 schilderte ein Biograf erneut mutmaßliche Vorfälle. Es gab noch weitere Fälle: 2008 erstattete eine 15-Jährige Anzeige wegen sexueller Übergriffe. Über den Fall wurde vielfach berichtet , er führte aber zu keiner Anklage. 2013 erstattete eine junge Frau Anzeige wegen Vergewaltigung. Auch über diesen Fall wurde mehrfach berichtet , doch auch er führte zu keiner Anklage. Es gab noch mehrere weitere Fälle, allerdings musste sich Al Fayed für keinen davon juristisch verantworten. Er selbst leugnete stets die Vorwürfe.

Warum melden sich viele Frauen erst jetzt?

Viele Frauen, die mit der BBC sprachen, geben an, aus Angst geschwiegen zu haben. Al Fayed war bekannt dafür, Vorwürfe aggressiv abzustreiten und Kritiker auch juristisch zu verfolgen. In der Dokumentation erzählt etwa eine ehemalige Assistentin des Kaufhausunternehmers, wie sie auf Auslandsreisen bedrängt worden sei. Später habe Al Fayed sie trotz deutlicher Gegenwehr vergewaltigt. Direkt nach der Tat habe er ihr befohlen, sich mit Desinfektionsmittel zu waschen – offenbar, um Spuren zu verwischen. Als sie Harrods verließ, habe man sie zur Unterzeichnung einer Verschwiegenheitsvereinbarung, eines sogenannten NDAs gedrängt, so die Frau. Sie erhielt nach eigenen Angaben eine Geldzahlung, musste dafür aber im Beisein eines Harrods-Mitarbeiters sämtliche Beweismittel vernichten.

Mohamed Al Fayed bei der Eröffnung einer neuen Abteilung im Kaufhaus 1994

Mohamed Al Fayed bei der Eröffnung einer neuen Abteilung im Kaufhaus 1994

Foto: Band Photo / Avalon.red / IMAGO

Ehemalige Mitarbeiter von Harrods bestätigen, dass im Unternehmen Telefone abgehört und versteckte Kameras installiert wurden. Der frühere Vizesicherheitschef berichtet, es sei seine Aufgabe gewesen, diese Aufnahmen zu kontrollieren. Al Fayed habe die Überwachungstechnik genutzt, um Untergebene einzuschüchtern.

Wie geht es jetzt weiter?

Die Metropolitan Police hat angekündigt, alle Missbrauchsvorwürfe gegen Al Fayed zu überprüfen, um sicherzustellen, dass es keine neuen Ermittlungsansätze gibt. Dies geschieht aufgrund der in den Medien veröffentlichten Anschuldigungen. Dabei soll auch untersucht werden, ob gegen weitere Personen ermittelt werden sollte. Dies könnte etwa Menschen betreffen, die Al Fayed möglicherweise bei seinen Taten unterstützt oder die Vorwürfe vertuscht haben.

Al Fayed 2016 in Paris

Al Fayed 2016 in Paris

Foto: Kamil Zihnioglu / AP

Mehrere Frauen haben außerdem Zivilklage gegen Harrods eingereicht. Harrods hat sich in einigen Fällen bereits außergerichtlich geeinigt, ohne eine juristische Verantwortung anzuerkennen. Das Kaufhaus hat sich öffentlich entschuldigt. Die BBC sucht derzeit weitere Frauen, die helfen können, die Vorwürfe zu erhärten.

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