Militärausgaben: Deutschlands Botschaft an Trump

vor 8 Stunden 1

Diplomatische Tänze sind nie einfach, zumal wenn der Partner Donald Trump heißt. Je aufgeräumter dann die Tanzfläche ist, desto besser. Das gilt ganz besonders für das Nato-Gipfeltreffen Ende Juni in Den Haag, sozusagen der Wiener Opernball unter den großen internationalen Zusammenkünften.

Der Generalsekretär der Allianz, Mark Rutte, hat in den vergangenen Monaten hart daran gearbeitet, dass bei dem Gipfel möglichst keine Hindernisse auf dem Parkett herumstehen. Trump wirft den Europäern vor, die USA sicherheitspolitisch und wirtschaftlich auszunutzen. Seine Unzufriedenheit mit der Nato wird allenfalls von seiner Wut auf die EU übertroffen, gegen die er Strafzölle verhängt hat und der er weitere androht.

Eine Stolperfalle, die Rutte wohl erfolgreich weggeräumt hat – unter tatkräftiger Hilfe der Bundesregierung –, ist das neue Ausgabenziel der Nato bei den Verteidigungsausgaben ihrer Mitglieder. Bisher lag es bei zwei Prozent der Wirtschaftsleistung. Das ist angesichts des Krieges in der Ukraine und der Bedrohung durch Russland viel zu wenig, finden praktisch alle Nato-Staaten. Die von Trump geforderten fünf Prozent stießen in Europa aber auf erhebliche Skepsis.

Berlins Rückendeckung gilt in Brüssel als wichtig

Rutte hat daraufhin einen Kompromiss ausgearbeitet, hinter den sich in den vergangenen Tagen auch die Bundesregierung öffentlich gestellt hat – zunächst Außenminister Johann Wadephul, dann Verteidigungsminister Boris Pistorius, am Donnerstag schließlich Bundeskanzler Friedrich Merz bei einem Besuch in Litauen. Da Deutschland das wirtschaftlich stärkste europäische Nato-Mitglied ist und im Bündnis über ein entsprechendes politisches Gewicht verfügt, wird die Berliner Rückendeckung für Rutte im Nato-Hauptquartier in Brüssel als äußerst wichtig eingestuft.

Laut Ruttes Plan, der in Den Haag vermutlich gebilligt werden wird, sollen sich die Nato-Länder verpflichten, bis 2032 ihre Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung zu erhöhen. Diese Summe teilt sich aber auf zwei Kategorien auf: 3,5 Prozent für eindeutige Militärausgaben gemäß den Nato-Kriterien, also vor allem für die personelle und materielle Ausstattung der Armeen. Hinzu sollen weitere Ausgaben in Höhe von 1,5 Prozent der Wirtschaftskraft für Dinge kommen, die im weiteren Sinne sicherheitsrelevant sind, zum Beispiel den Zivil- und den Cyberschutz oder den Ausbau von militärisch wichtiger Verkehrsinfrastruktur.

3,5 Prozent „harte“ Verteidigungsausgaben plus 1,5 Prozent „weiche“ – unterm Strich stünden dann fünf Prozent. „Das sind zwei Zahlen, denen wir uns aus der Sicht der Bundesregierung nähern könnten“, sagte Merz in Litauen. Sie seien „vernünftig“ und bis 2032 auch „erreichbar“.

Ein wohl willkommener Nebeneffekt dieses Zugeständnisses an Trump ist, dass Merz so vor seinem geplanten bilateralen Besuch im Weißen Haus ein mögliches Konfliktthema entschärft haben könnte. Die Gefahr, von Trump im Oval Office mit Grafiken zu den deutschen Verteidigungsausgaben vorgeführt zu werden, die 2024 zum ersten Mal die Zwei-Prozent-Marke erreicht haben, dürfte gesunken sein.

Das Thema Ukraine bleibt schwierig

Bei einem anderen Thema allerdings, das den Gipfel in Den Haag beschäftigen wird, ist die Nato von amerikanisch-europäischer Harmonie weit entfernt: beim Umgang mit der Ukraine und mit Russland. Seit 2022 gilt Russland wieder als Hauptgegner der Allianz. Der Ukraine hat das Bündnis dagegen mehrmals die Aufnahme zugesagt, ihr Weg in das Bündnis wurde als „unumkehrbar“ definiert. Das geschah jedoch, als Joe Biden noch der US-Präsident war.

Trump will davon nun nichts mehr wissen, einen Nato-Beitritt der Ukraine hat er ausgeschlossen. Dem Vernehmen nach sperrt sich das Weiße Haus bisher sogar gegen eine Sitzung in Den Haag, an der die 32 Staats- und Regierungschefs der Nato und der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij teilnehmen.

Das wird es beim Gipfel schwierig machen, eine gemeinsame Position aller Nato-Staaten zu finden. Denn weder wollen die USA die Beitrittszusage an die Ukraine bekräftigen, noch wollen die Europäer sie offiziell wieder kassieren. Offenen Streit mit Trump aber wollen sie auch nicht. Eine mögliche Lösung: Im Abschlussdokument des Gipfels, so es denn überhaupt eins gibt, wird die Ukraine einfach nicht erwähnt.

Zudem wollen die Europäer partout vermeiden, dass Trump die Einstufung Russlands als gefährlichste Bedrohung für die Nato in Den Haag relativiert. Einige Diplomaten hoffen dabei auf die Kraft der Logik: „Die Anhebung der Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent ist ja an die Einschätzung gekoppelt, dass Russland uns existenziell bedroht“, sagt ein Regierungsvertreter in Brüssel. „Wenn man diese Einschätzung ändert, lässt man die Europäer wieder vom Haken.“ Mit Logik ist es bei Trump allerdings ähnlich wie beim Tanzen – schwierig.

Gesamten Artikel lesen