Merkels Bekannte: Ein Blick ins Personenregister der Memoiren

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Ihre Kollegen

Nicolas Sarkozy findet in Merkels Buch fast so oft Erwähnung wie sonst nur ihr Ehemann Joachim Sauer und Helmut Kohl. Spitzen Sarkozys wie „Frankreich arbeitet daran, in Deutschland denkt man nach“ habe sie geflissentlich überhört, wenn sie der Ansicht war, ein Wachstumsprogramm könne noch etwas warten, so Merkel.

An George W. Bush kritisiert sie ihrerseits Zögerlichkeit, nämlich in der Klima- und Wirtschaftskrise. Als Wolfgang Schäuble ­vorschlug, Griechenland ­vorübergehend aus der Euro­zone auszuschließen, habe sie glücklicherweise gezögert. Wohl ohne zu zögern, lobt sie ihren Vorgänger Helmut Kohl für traumwandlerisch sicheres Handeln im Herbst 1989. (wiel.)

dpa, AFP

Ihre Präsidenten

Müsste aus Angela Merkels Buch rekonstruiert werden, wie viele Präsidenten die Bundesrepublik während ihrer Kanzlerschaft hatte, man käme nur auf zwei. Auf Horst Köhler, den sie als ­weltoffenen Mann mit seinem wunderbaren Satz kenn­zeichnet, die Menschlichkeit un­serer Welt entscheide sich am Schicksal Afrikas. Und Frank-Walter Steinmeier, der dabei war, als für sie der letzte Zapfenstreich geblasen wurde, und darum erwähnt wird. Christian Wulff hin­gegen und Joachim Gauck kommen kurz vor, aber nicht als Bundespräsidenten. Gauck hält in der Welt­meister­kabine von 2014 zwar eine Rede, aber in welcher Funktion wird nicht erwähnt. Erinnerungen können sehr kalt sein. (kau.)

AFP, Frank Röth, dpa

Ihr Mismatch

Er tritt als unhöflicher Beschwerdeführer auf, der alles mit dem Horizont eines Immobilienhändlers wahrnimmt: Entweder das Grundstück gehört mir oder dir. Kooperation, warum denn? Weshalb Zahlen zur Kenntnis nehmen, wenn man doch auch das Thema wechseln kann? Trumps Vorwurf, Nord Stream 2 sei keine gute Idee, nimmt Merkel entsprechend nur als das eines Fracking-Lobbyisten wahr. (kau.)

AFP

Ihr Ackermann

Als 2008 in den USA das ­Finanzwesen schwer zickte, bald mit deutschen Folgen, rief Steinbrück bei Merkel an, sie solle Ackermann anrufen, der, wie sie heute schreibt, „wegen des Gewichts der Deutschen Bank“ der richtige Gesprächs­partner war. Ihm fiel was ein. Es war geborgt worden, jetzt wurde gebürgt. Noch später kränkelte die Deutsche Bank. Merkel bewahrte den Über­blick: „Zur Deutschen Bank möchte ich nur so viel sagen, dass die Deutsche Bank ein Teil des deutschen Banken- und Finanzsystems ist.Und dass wir uns natürlich wünschen, dass alle Unter­nehmen, auch wenn es temporäre Schwierig­keiten gibt, eine gute Entwick­lung nehmen.“ Darauf wäre Karl Marx nicht gekommen. (dda.)

Helmut Fricke

Ihre Schurken

Das Gruselkabinett der Dr. Merkel ist eines Caligari würdig. Ein Triumvirat aus Massenmördern, Kriegs­ver­brechern und volkseigenen Tyrannen hat den Weg der Kanzlerin begleitet, und während Saddam Hussein und Erich Honecker höchstens noch in der Hölle Unheil anrichten, macht es Wladimir Putin auf Erden jeden Tag. Grausam und schrecklich sind Merkels Erinnerungen: Honecker verbot kaltherzig der jungen Angela das Tragen von Jeans in der Schule. Und Putin zwitscherte beim G-8-Gipfeltreffen in Heiligen­damm so ausgiebig vom Radeberger Pils, dass er viel zu spät zum Abendessen kam. „Äußerlich plauderte ich entspannt mit den an­de­ren, innerlich kochte ich.“ Was musste diese tapfere Frau nicht alles ertragen? (str.)

dpa, dpa, AP

Ihr Feminismus

Ob sie eine Feministin sei, wollte 2017 eine Moderatorin von Angela Merkel wissen – und erhielt nach vielen strauchelnden Sätzen trotzdem keine ein­deutige Antwort. Die Frau, die ab An­­fang der Neunzigerjahre als Ministerin für Frauen und Jugend politisch im Hosenanzug aufge­treten war und später als Erste ihres ­Ge­schlechts das mächtigste Amt im Staate bekleidete, konnte sich nicht durchringen, ihren Namen in einer Reihe mit Frauen wie Simone de Beauvoir zu nennen. Manche Einsichten müssen reifen: 2024 braucht es nur noch ein volles Kapitel von zehn­ein­halb Seiten, an dessen Ende das ­Be­kenntnis seht: „Ja, ich bin Femi­nistin, auf meine Art.“ Nicht schrill, nicht bunt – und ohne Beauvoirs sozialistische Weltsicht, das ist Merkel wichtig. (kirk.)

dpa

Ihre Hoheit

Was hat es nicht für zarte Beschreibungen der insgesamt acht (!) Begegnungen von Angela Merkel und Königin Elisabeth II. gegeben! Herrn Schröder wollte die Queen nicht kennenlernen, Frau Merkel wohl. Man trank Tee mitein­ander und aß Kekse. Disziplin verbindet. Aber Merkels Buch widmet der Queen nur sieben Zeilen. Die auffälligste davon lautet: „Wir sprachen Englisch mit­ei­­nander, sie ertrug meine Fehler stoisch.“ Memoiren können sehr verschwiegen sein. (P.I.)

dpa

Ihre Büroleiterin

In Sachen Liebe ist Merkel erwartungsgemäß sehr diskret. Ihr erster Mann Ulrich Merkel taucht auf, ist aber bald schon wieder weg: „Es war eine ­Stu­dentenliebe“, heißt es lapidar. „Wir verliebten uns“, ist über Joachim Sauer zu lesen (die näheren Umstände werden verschwiegen). Wie es war, als sich Beate Baumann am 31. Januar 1992 pünktlich um 15 Uhr in der Merkel’schen Wohnung als potentielle Mit­arbeiterin vorstellte, wird dagegen auf drei Seiten ­ge­schildert. Man spürt, wie wichtig es beiden – Baumann fungiert als Ko-Autorin der Autobiographie – ist, den zauberhaften Anfang ihrer offenbar wechselseitig als wunderbar empfundenen Arbeitsbeziehung zu schildern. Es funkte sofort: „Ich war entschieden, Beate Baumann auch.“ Im Register taucht Baumann nicht auf, sie hat es nicht nötig. (ale.)

Picture Alliance

Ihr Schweigen

Dass sie Habermas unerwähnt lässt, mag an seiner Kritik liegen. Merkels Lieblingsadjektiv „alternativlos“ musste der Philosoph des Ausverhandelns als Affront begreifen. Aber auch Freunde wie Ulrich Matthes lässt sie weg. Den Schauspieler hat sie unlängst bei einer Ehrung in Berlin laudatiert – und wie man hört, es sich nicht nehmen lassen, die Rede selbst zu schreiben. Sie würdigte Matthes als Menschenfreund, der sich nicht scheue, auf der Bühne finsterste Abgründe auszuleuchten.

Was hat sich die Theatergängerin Merkel von den Matthes-Schurken abgeschaut? Sein „Macbeth“ lehrte sie vielleicht die töd­liche Gefahr von Macht. Mit Kleists Dorfrichter Adam aber, der über eine Tat zu richten hat, die er selbst beging, verhält es sich ein wenig wie mit „Freiheit“. Nicht alles, was Merkel in sechzehn Jahren an der Macht tat, war richtig, doch rück­blickend bewertet sie es als alternativlos. Das Wort kommt in „Freiheit“ übrigens nur viermal vor. (S.K.)

Frank Röth
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