Der Norddeutsche Rundfunk hat am Mittwoch, 17. September 2025, ein rhetorisches Kunststück fertiggebracht, das ins Lehrbuch der uneigentlichen Rede gehört. Er drückt nämlich – ganz offiziell – das Gegenteil dessen aus, was geschieht. Die Botschaft des Senders lautet: „Zukunft ,Klar‘ – Das NDR/BR-Format geht weiter“. Nach der „Pilotphase“ entwickelten die Sender „das Format ,Klar‘ weiter“, heißt es in der Pressemitteilung. Für 2026 seien weitere Ausgaben geplant. Die Sendung solle „auch in Zukunft Streitfragen aufgreifen, die in der Mitte der Gesellschaft kontrovers diskutiert werden“. So schreibt der NDR. In Wahrheit geschieht etwas anderes: Der Sender topft das Magazin um und wirft die Moderatorin Julia Ruhs raus. „Klar“ gibt es beim NDR künftig nur dem Namen nach.
Versteckt wird diese Botschaft im Kleingedruckten. Da heißt es, „Klar“ werde 2026 vom NDR und vom BR „im Wechsel“ produziert. Die „BR-Kollegin Julia Ruhs“ bleibe „Teil des Moderationsteams für die Ausgaben des Bayerischen Rundfunks. Wer in Ergänzung zu Julia Ruhs die Ausgaben des NDR“ präsentiere, stehe noch nicht fest. Und welche Redaktion macht „Klar“ dann beim NDR?
Organisiertes Mobbing im NDR
Das steht, wie es auf Nachfrage heißt, auch noch nicht fest. Dem Vernehmen nach soll die neue Sendung aus der Abteilung kommen, die auch das Magazin „Reschke Fernsehen“ verantwortet. Was dabei herausspringt, kann man sich denken: Anja Reschke hatte „Klar“ in ihrer Sendung Ende Juli in einer Anspielung als „ein bisschen rechtsextrem“ bezeichnet. Damit drückte sie aus, was im NDR in den vergangenen Monaten hinter den Kulissen vorging: organisiertes Mobbing gegen Julia Ruhs und ihr Team, das es gewagt hatte, eine Sendung zu produzieren, die das Thema Zuwanderung kritisch anging und Ausländerkriminalität thematisierte. Es gab Redaktionsversammlungen, die Tribunalcharakter hatten, und eine Protestnote mit 250 Unterzeichnern, in der es hieß, das Magazin „Klar“ spalte die Gesellschaft, verstoße gegen „eine Reihe von Grundsätzen journalistischer Arbeit“ und den Staatsvertrag des NDR. Das war das Signal für den links-grün dominierten Rundfunkrat, sich mit der Sache zu befassen und „Klar“ zu rügen.
Diesem internen Druck haben sich die Verantwortlichen im NDR nun gebeugt. Was angesichts des Erfolgs von „Klar“ bei den Zuschauern umso absurder erscheint. Eine repräsentative Onlinestudie im Auftrag des NDR habe, lesen wir da, „hohe Akzeptanzwerte“ ermittelt. 63 Prozent der Befragten hätten „Klar“ die Schulnote 1 oder 2 gegeben. „Unabhängig von Geschlecht, Alter, Bildung oder regionalen Unterschieden“ zeige sich „ein durchweg positives Bild“. Das Format bediene „den Wunsch nach Meinungsvielfalt sowie klarer Haltung“ und werde „als glaubwürdige, relevante Programmerweiterung wahrgenommen“.
Der BR macht mit Julia Ruhs weiter
Der BR-Programmdirektor Thomas Hinrichs freut sich entsprechend „über die ermutigenden Werte der Medienforschung zu Inhalten und Präsentation“ des neuen Formats. Man werde die Reihe mit Julia Ruhs fortsetzen. Lob und Kritik nehme man ernst, das Echo zeige, dass die Sendung einen Nerv treffe und „Räume für kontroverse Debatten“ öffne. Vom NDR-Programmdirektor Frank Beckmann heißt es indes: „Die Vielfalt der Perspektiven in unseren Programmen abzubilden, ist stets unser Ziel. ,Klar‘ kann dafür einen Beitrag liefern.“ Er sei der Redaktion „dankbar, dass sie dieses neue Format auf den Weg gebracht hat. Die Auswertung der drei Pilotfolgen und die vielen Rückmeldungen zur Sendung haben viele wertvolle Erkenntnisse gebracht, um ,Klar‘ weiterzuentwickeln.“ Beckmanns „kann“ und „auf den Weg gebracht“ und „weiterentwickeln“ bedeutet de facto – Julia Ruhs und ihr Team sind raus.
Ruhs: „Fassungslos über die Entscheidung“
Sie sei „zutiefst enttäuscht, ja fassungslos über die Entscheidung des NDR, genauso wie mein gesamtes ,Klar‘-Team“, schreibt die 31 Jahre alte Journalistin auf Linkedin: „Dass ich ,Klar‘ für den NDR nicht mehr moderieren darf, ist ein Armutszeugnis. Geht es beim NDR mit dem Format weiter, wird auch die Redaktion (+ Chef) eine andere sein. Das Format hat mir auch deshalb sehr viel Spaß gemacht, weil ich Leute im Team hatte, die ein starkes Rückgrat haben. Leider haben das zu viele Hierarchen nicht. Cancel Culture wird nur dadurch möglich, weil genau diesen Chefs der Mut fehlt, sich auch mal querzustellen. Wir haben in den letzten Wochen rührende Zuschriften von Fans erhalten, die uns schrieben, sie hätten wieder Hoffnung in den ÖRR. Endlich! – kam zigmal bei uns an. Und jetzt? Wurden all die Vorurteile, die sie in Bezug auf die Meinungsvielfalt schon hatten, bestätigt. Ihr dürft jedoch noch Hoffnung in den Bayerischen Rundfunk haben. Wir werden weiterhin das machen, was beim NDR offenbar unmöglich ist. Das Format authentisch weiterführen, und das mit mir. Ich war noch nie so froh, beim BR zu sein.“
Beim Norddeutschen Rundfunk heißt es auf Nachfrage, warum es mit „Klar“ der Form nach weitergehen soll, aber nicht mit denselben Leuten, das sei vor allem eine Frage der Arbeitsorganisation, die sich nach den ersten drei Pilotfolgen stelle. Der NDR wolle „ein eigenes Gesicht einbringen“. Zur „Verstetigung des Formats nach der Pilotphase“ brächten BR und NDR „jeweils Ausgaben ein – wie bei vielen Gemeinschaftsformaten in der ARD üblich“. Auf die Frage nach dem internen Druck, den Mitarbeiter des Senders aufbauten, heißt es abwiegelnd: „Der NDR fördert eine offene Diskussionskultur und schützt seine Mitarbeitenden, indem er den internen Austausch vertraulich behandelt und keine öffentlichen Auskünfte darüber erteilt.“
Es gilt nur eine Meinung
So vermittelt sich der Eindruck, dass der NDR bei dieser Gelegenheit alle Vorurteile, die man über die „links-grün-woke“ Blase im öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben kann, bestätigt: Da gibt es keine Meinungsvielfalt, sondern nur eine – linke – Meinung. Es geht um „Gut“ gegen „Böse“. An- und Einsichten aus der Mitte der Gesellschaft werden, wenn sie nicht ins eigene Weltbild passen, als „rechts“ oder „rechtsextrem“ gerahmt, die man bestenfalls gar nicht erst ins Programm lässt. Wer als Journalist aus der Meinungsreihe tanzt, wird weggemobbt und in Sendungen wie „Reschke Fernsehen“ oder Böhmermanns ZDF-Zirkus geächtet.
In ihrem kürzlich erschienenen Buch „Links-grüne Meinungsmacht. Die Spaltung unseres Landes“ (Langen Müller Verlag, 195 Seiten, 20 Euro) analysiert Julia Ruhs diese Schieflage ohne falsche Rücksicht, aber auch ohne Bitterkeit recht genau. Und da erzählt sie unter anderem von der Episode, bei der sie auf dem Land zu einer Reportage über Windräder unterwegs war und in einem Ort die Stimmen von Befürwortern wie Gegnern der Windkraft einsammeln wollte. Vor die Kamera trauten sich nur Windkraftfans, die anderen schauten auf das BR-Logo an der Kamera und winkten ab – von einem öffentlich-rechtlichen Sender erwarteten sie keine faire Wiedergabe ihrer Aussagen. Am Ende fand Julia Ruhs, wie sie schreibt, doch zwei Anwohner, die sich gegen Windräder an ihrem Ort aussprachen, und der eine lederte dann auch gleich kräftig über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als abgehobenen Verein ohne Verständnis für die Bürger kräftig ab. Mit der Geschichte von „Klar“, wie der NDR sie handhabt, dürfte sich der von Julia Ruhs anonym Zitierte bestätigt sehen.