Liefern statt lamentieren: Weber gibt Gas

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Zwei Bosse sind weg, einer ist auf dem Absprung. Benjamin Weber ist noch da - und liefert. Herthas Sportdirektor schärft derzeit sein Profil.

 Hertha-Sportdirektor Benjamin Weber liefert - auch bei der Königs-Personalie Fabian Reese.

Arbeitsreiche Wochen: Hertha-Sportdirektor Benjamin Weber liefert - auch bei der Königs-Personalie Fabian Reese. IMAGO/DeFodi Images

Als sich das Gros der Branche noch sehr sicher war, dass es Fabian Reese im Sommer ganz bestimmt wegziehen werde aus Berlin und den Tiefen der Zweitklassigkeit, sprach Benjamin Weber bereits von "ein paar sehr, sehr guten Argumenten", die "wir haben". Anfang April war das, und davor und danach hat Herthas Sportdirektor hinter den Kulissen mit maximalem Fleiß weiter gewerkelt an der Königs-Personalie.

An diesem Sonntag, beim Saisonabschluss gegen Hannover 96, soll Reeses Vertragsverlängerung bis 2030 verkündet werden. Der vom kicker am 6. Mai enthüllte Master-Plan des Klubs, seinen besten Spieler mit einem Langzeit-Kontrakt inklusive Gehaltserhöhung und Anschlussvereinbarung für die Zeit nach der Karriere zu halten, funktioniert. Für Hertha BSC ist das eine ziemlich gute Nachricht - und für Weber schon auch.

Mit Neuendorf und Pauls hat Weber zwei Vertraute verloren

Reeses Ja-Wort krönt eine Woche, in der die Berliner mit den Vertragsverlängerungen von Kapitän Toni Leistner (bis 2026) und Vollblut-Zweikämpfer Deyovaisio Zeefuik (bis 2027) sowie der ablösefreien Rückkehr von Mittelfeldspieler Leon Jensen (KSC) in wichtigen Personalien Vollzug vermelden konnten. Schon Anfang Mai sendete der Klub mit der vorzeitigen Vertragsverlängerung von Mittelfeldspieler Michael Cuisance bis 2029 ein Signal nach innen und außen.

Weber schärft aktuell sein Profil - zu einer Zeit, in der sich in Herthas Führungsetage ein Umbruch vollzieht, der nicht ohne Verwerfungen abgeht. Am Ostersonntag hatte in Andreas "Zecke" Neuendorf ein langjähriger Weber-Vertrauter seinen Posten als Direktor Akademie und Lizenzspielerbereich geräumt und war damit der von Klubseite beschlossenen Trennung am Saisonende zuvorgekommen. Geschäftsführer Thomas E. Herrich verlässt den Klub eineinhalb Jahre vor Vertragsende nicht uneingeschränkt freiwillig und wird am Rande des Hannover-Spiels verabschiedet. Wer ihm in der Geschäftsführung folgt, ist weiter offen. Und am Mittwoch hatte Kaderplaner Timon Pauls den Klub über seine Wechselabsichten informiert, ihn zieht es als Sportdirektor zum Karlsruher SC. Weber, der Pauls im November 2023  vom FC Augsburg nach Berlin gelotst hatte, war mindestens vom Zeitpunkt überrascht.

Diesmal soll der Kader früher komplett sein

Zusätzliche Unruhe schürt der Kampf um die Lizenz. Hertha muss nachsitzen und der DFL bis zum 4. Juni eine Lösung für die 40-Millionen-Euro-Anleihe, deren Rückzahlung im November fällig ist, präsentieren. Finanzgeschäftsführer Ralf Huschen ist unter Druck - und im engen Austausch mit seinem Sportchef, dessen aktuelle Performance zwei Schlüsse zulässt.

Erstens: Hertha will den Kader für die neue Saison früher komplett haben als in den vergangenen beiden Jahren. Nach dem Bundesliga-Abstieg 2023 musste Weber einen XXL-Umbruch bewerkstelligen, größte Herausforderung damals: Abnehmer für die mit sündhaft teuren Verträgen ausgestatteten Krzysztof Piatek (Basaksehir), Dodi Lukebakio (FC Sevilla) und Lucas Tousart (Union Berlin) zu finden. Im Sommer 2024 warfen die späten Not-Verkäufe von Haris Tabakovic (Hoffenheim) und Marc Oliver Kempf (Como) inklusive der schweren Reese-Verletzung die Planungen über den Haufen. Diesmal soll Trainer Stefan Leitl nach Möglichkeit am 23. Juni die Vorbereitung mit einem annähernd kompletten Kader aufnehmen.

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16.05.25 - 11:56 Uhr 14:58 Minuten

Die Vertragsverlängerungen von Reese und Cuisance schließen Blitzwechsel kurz vor Ende der Transferperiode nicht gänzlich aus, aber sie reduzieren die Wahrscheinlichkeit erheblich - und erhöhen zugleich im Verkaufsfall den Wert des Spielers. Paradebeispiel: Die Ende August vergangenen Jahres von Weber und Neuendorf umgesetzte Vertragsverlängerung mit Ibrahim Maza brachte Hertha in die Lage, in diesem Sommer eine Sockelablöse von zwölf Millionen Euro von Mazas neuem Klub Bayer Leverkusen einzustreichen. Auch die zu Saisonbeginn verlängerten Verträge von Tjark Ernst, Linus Gechter (beide bis 2027) und Marton Dardai (2028) zahlen darauf ein.

Strategiewechsel: Hertha schaut verstärkt auf den deutschen Markt

Und der zweite Schluss: Hertha setzt künftig verstärkt auf Profis, die den deutschen Fußball kennen. Zu viele Experimente mit Spielern aus anderen Märkten schlugen in den vergangenen Jahren fehl. Andreas Bouchalakis, Smail Prevljak, Bilal Hussein, Jon Dagur Thorsteinsson, Bradley Ibrahim, Gustav Christensen - sie alle taten sich schwer mit der Umstellung auf die 2. Bundesliga. Weber, der nach Stürmer Sebastian Grönning (17 Saisontore für Drittligist Ingolstadt) und Rückkehrer Jensen mit Innenverteidiger Niklas Kolbe (Ulm, 100 000 Euro Ablöse) den dritten Neuzugang bereits unter Dach und Fach hat, räumt auf Nachfrage einen "Strategiewechsel" ein und sagt: "Dass wir einen gewissen Fokus auf Spieler haben, die die Liga kennen, ist sicherlich nicht zu verneinen." Es ist ein Learning aus Fehlern der Vergangenheit.

Weber, zwischen 2014 und Februar 2022 Leiter der Akademie und seit Januar 2023 Sportdirektor, entscheidet manches anders als früher - und einiges auch schneller. Der Klub hat seinen Vertrag im Oktober bis 2027 verlängert. Dass das nichts bedeuten muss, hat Weber am Aufstieg und Fall Neuendorfs, dessen Arbeitspapier damals ebenfalls ausgedehnt wurde, erlebt. Aktuell baut der Sportdirektor im Verbund mit Leitl, seinem Assistenten Sami Allagui und dem Scouting-Team um Sven Kretschmer sehr zielstrebig den Kader der Zukunft - und sammelt nebenbei Argumente in eigener Sache.

Steffen Rohr

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