Gladbach hat das Saisonziel verfehlt. Dazu das Problem mit der Verletzung des Torjägers. In den nächsten Tagen kommt alles auf den Prüfstand.

Zeit für die Analyse: Roland Virkus und Gerardo Seoane. IMAGO/fohlenfoto
Ein paar Tage werden die Beteiligten brauchen, um dieses Saisonfinale zu verdauen. Neben dem nächsten sportlichen Nackenschlag mit dem 0:1 gegen Wolfsburg muss auch die Hiobsbotschaft durch den langen Ausfall von Torjäger Tim Kleindienst weggesteckt werden. Viel Negatives ist zusammengekommen in den vergangenen Tagen. Und speziell der Einbruch in den letzten Saisonwochen wird das zentrale Thema bei der anstehenden Analyse sein.
Von Platz fünf nach dem 27. Spieltag ging es runter auf Platz zehn. Nur zwei Punkte kamen in den letzten sieben Partien noch drauf aufs Punktekonto. Die Negativserie zum Schluss wirft einen dunklen Schatten auf die gesamte Spielzeit. "Wir haben uns vor der Saison mit Platz neun ein ambitioniertes Ziel gesetzt. Das haben wir tabellarisch nicht erreicht. Das enttäuscht uns", sagte Sport-Geschäftsführer Roland Virkus am Samstag. Die Enttäuschung der Fans entlud sich direkt nach dem Abpfiff in lautstarken Pfiffen. Virkus hat das registriert. Es gelte jetzt, "die Dinge sacken zu lassen, Emotionen rauszulassen und dann nüchtern zu analysieren", erklärte der Sportchef.
Es gibt im Borussia-Park viele Dinge zu untersuchen und zu bewerten. Angefangen bei den Fakten. Das erklärte Saisonziel, die Einstelligkeit, wurde um einen Platz verfehlt. Wegdiskutiert kann ebenfalls nicht werden, dass der wochenlange Abwärtstrend bis zum Ende ungebremst blieb. Sieben sieglose Spiele hintereinander gab es in der Zeit von Trainer Gerardo Seoane noch nie. Alles das führte dazu, dass die große Chance aufs internationale Geschäft verspielt wurde.
Tatsache ist aber ebenso: Die Borussia hat elf Punkte mehr eingefahren als in der vergangenen Saison. In der Tabelle ging es um vier Plätze nach oben. Rang zehn und 45 Zähler - das entspricht der Bilanz unter Trainer Adi Hütter in der Spielzeit 2021/22. Danach folgten 43 Punkte (Platz 10) unter Daniel Farke und die 34 Punkte im ersten Seoane-Jahr. Die Trendumkehr hat wie angestrebt stattgefunden.
"Es war nicht alles schlecht. Dreiviertel der Saison haben wir gut performt, im letzten Viertel dann nicht mehr. Jetzt müssen wir klar und ehrlich miteinander umgehen und fragen: Woran hat es gelegen?", sagte Virkus am Samstag. Und: "Es gab viele gute Ansätze, aber es gibt immer noch viele Steine, die wir aus dem Weg räumen müssen. Wir alle müssen selbstkritisch mit uns umgehen, auch die Mannschaft. Wir haben elf Punkte mehr geholt, das ist Fakt. Aber da ist ohne Wenn und Aber auch das Gefühl, dass wir etwas liegengelassen haben."
Zu diskutieren sein werden in der Analyse weitere Fragen. Etwa: Wie kann man in Sachen Fitness noch mehr aus jedem Einzelnen herausholen? Was hat sich in Sachen Mentalität auf dem Platz getan? Wie läuft es mit dem Einbau und der Förderung von jungen Spielern? Wurden, auch das ist ja ein erklärtes Ziel für die Zukunft, Werte im Kader geschaffen? Welche Möglichkeiten bestehen im Sommer auf dem Transfermarkt? Welchen Wünschen sind wirtschaftliche Grenzen gesetzt? Die Verantwortlichen müssen ein breites Spektrum an Themen durchgehen. Und dann entsprechende Lösungen finden.
Virkus will nicht über den Trainer diskutieren
Aus den Worten von Virkus und Seoane ließ sich am Samstag noch einmal klar heraushören, dass beide Seiten gemeinsam diese Lösungen für die Zukunft finden wollen. "Es gibt keinen Grund zu sagen, es war alles schlecht und wir müssen über den Trainer diskutieren", sagte Virkus bei Sky. Später meinte er noch mal zum Thema Trainerzukunft: "Ich weiß nicht, woher der Druck kommt. Der Trainer hat einen Vertrag bis 2026. Es sind sehr, sehr viel positive Ansätze. Aber noch mal: Wir müssen auch schauen, woran es im letzten Saisonviertel gelegen hat. Da müssen wir alle mit reinnehmen, auch die Mannschaft. Wo sind die paar Prozent, die wir liegengelassen haben? Denn wir haben auf jeden Fall etwas liegengelassen. Und dieses Gefühl ist nicht gut."
Seoane stand nach dem Abpfiff die Enttäuschung über den verpatzten Saisonabschluss ins Gesicht geschrieben. "Wir haben unser Saisonziel nicht erreicht. Es gilt zu reflektieren, selbstkritisch zu sein", sagte der Schweizer. Aber er blickte auch schon wieder nach vorn. "Wir versuchen, gute Entscheidungen zu treffen - um dann nächste Saison wieder voller Energie und hoch motiviert anzugreifen."
Ducksch und Machino im Kandidatenkreis
In den Gesprächen in der nächsten Woche wird zwangsläufig noch ein neuer Punkt auf die Liste zu setzen sein. Die Suche nach einem treffsicheren Stürmer bekommt Dringlichkeit durch die schwere Knieverletzung von Kleindienst, der operiert wird und mehrere Monate ausfällt. Bremens Marvin Ducksch (31, Vertrag bis 2026) und Kiels Shuto Machino (25, Vertrag bis 2027) sind zwei Namen, die zum Kandidatenkreis gehören. Ducksch könnte übergangsweise die Mittelstürmerposition von Kleindienst übernehmen, auf Sicht aber auch zusammen mit dem Nationalspieler funktionieren. Machino wäre nicht zuletzt wegen seiner Vielseitigkeit eine hochinteressante Option.
Jan Lustig