Kupferausstieg: Österreichs Regulierer hofft auf Kooperation der Netzbetreiber

vor 22 Stunden 2

Die EU-Kommission möchte, dass spätestens 2030 die letzten Telecom-Netze auf Kupferbasis abgeschaltet werden. Diese Frist sei "freundlich gesehen, sehr herausfordernd", meint Klaus Steinmaurer, Geschäftsführer Telekommunikation und Post der österreichischen Regulierungsbehörde RTR. Die Lage sei in Österreich einfach anders als in Spanien oder Rumänien. Diese mit Österreich zu vergleichen, sei naiv. "Wenn wir echt Gas geben, ist 2035 ein echt ambitioniertes Ziel mit angenommen 80 bis 90 Prozent Copper Switch Off. Hundert Prozent bis 2040 erachte ich als machbar."

Im Mai hat die RTR (Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH) einen Workshop zum Thema Kupferausstieg für ausgewählte Netzbetreiber ausgerichtet. Damit versucht Steinmaurer, einen enormen Spagat vorzubereiten: Der Umstieg auf Kupfer soll kooperativ erfolgen, ohne Überbau bei Glasfaser; gleichzeitig sollen die Großhandelsangebote attraktiv sein und der Wettbewerb im Markt nicht leiden. Glasfaser soll flächendeckend kommen, zum Nutzen von Kunden wie Anbietern. Letztere dürften dabei nicht in kurzfristigen Business Cases denken, sondern müssten langfristige Ziele verfolgen.

Dr. Klaus M. Steinmaurer, Geschäftsführer des Fachbereichs Telekommunikation und Post der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR)

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Der Jurist findet auch kritische Worte: "Die EU spricht sehr generisch von Copper Switch Off, ohne sich genauer damit auseinanderzusetzen, was sie genau damit meint. Auch eine Erklärung, warum das von Bedeutung ist, ist noch nicht sehr konkret vorgelegt worden." Die österreichischen Netzbetreiber sollen daher selbst, gemeinsam, das Warum und das Was definieren. Beispielsweise ist zu klären, ob es um Glasfaser bis ins Wohnzimmer geht (Fibre to the Home, FTTH), bis in den Keller von Mehrparteienhäusern (Fibre to the Basement, FTTB), oder nur bis zum Kabelschrank in der jeweiligen Straße (Fibre to the Cabinet, FTTC). Auch die Frage, ob nur die klassische Kupferdoppelader dran glauben muss, oder auch koaxiale TV-Kabel, ist noch nicht anschließend beantwortet.

Darauf soll sich die österreichische Branche also einigen, bevor sich auf das Wie und das Wann, also einen Zeitplan, verständigt. "Entweder wir warten auf den Gesetzgeber und versuchen so viel wie möglich einzelne Interessen hinein zu lobbyieren, oder wir wählen eine Form der Kooperation, bei der die Gestaltungshoheit bei den Betroffenen bleibt", stellt Steinmaurer die Netzbetreiber vor die Wahl. Er "würde die zweite Option vorziehen."

"Es ist jeder Marktteilnehmer aufgerufen, hier seinen Beitrag zu leisten. Das ist insofern der Unterschied zur früheren Telecomregulierung, wo es quasi den Monopolisten und den Rest gab", zeichnet der Behördenleiter das Bild neuer Herangehensweisen – bei der Regulierung ebenso wie bei den notwendigen Investitionen: Es gelte "zu überlegen, wie es möglich ist, wettbewerbswidriges Verhalten ordentlich zu sanktionieren, um darin ebenfalls einen Anreiz zur Kooperation zu schaffen. Ein wichtiger Anreiz sollte dabei auch sein, dass durch geteilte Investitionen auch mehr in der Fläche mit positiven Effekten für alle erreicht werden kann." Schließlich können die Kupfernetze nur verschwinden, wenn es Glasfaser flächendeckend auch am Land gibt.

Aus dem Workshop sind jetzt einmal vier Arbeitsgruppen hervorgegangen, in denen sich Vertreter der eingeladenen Netzbetreiber zu Themen wie Prozesse und Abläufe, rechtliche Anforderungen oder Kommunikation mit der Öffentlichkeit befassen werden. heise online hat in der Branche auch kritische Stimmen vernommen: Offenbar waren nicht alle Netzbetreiber, die gerne mitarbeiten würden, eingeladen.

Natürlich hat Steinmaurer auch eigene Vorstellungen zum Thema. In einem Gespräch mit heise online wurde deutlich, dass er beim Kupferausstieg davon ausgeht, dass es um FTTB geht, nicht unbedingt um FTTH. "Backhaul und Backbone brauchen Glasfaser", sagte Steinmaurer. In Österreich, so glaube er, sei das bis 2035 zu circa 80 Prozent zu schaffen, bis 2040 "eventuell hundert Prozent". Damit meint er nur die klassischen Kupferdoppeladern. "Coax wird noch länger dauern", erwartet er noch erhebliche Laufzeiten für TV-Kabel.

Österreichische Kunden sind verwöhnt. Verbraucher erhalten heute von den Mobilfunknetzen oft bessere Leistung als von TV-Kabel und DSL zu vergleichbaren Preisen. Das weiß auch Steinmaurer. Er betont die langfristige Perspektive: "Die nächsten 50 bis 100 Jahre." Digitale Souveränität und Quantencomputing kann er sich langfristig nur mit Glasfaser vorstellen. "Quantencomputing kann nur seine volle Macht entfalten, wenn die Quantencomputer international zusammenarbeiten." Und auch bei früheren Netzupgrades sei die weitere Entwicklung nicht deutlich gewesen: "Bei 3G hat niemand gewusst, was der Durchbruch sein wird. Wir haben geredet über Videotelefonie, der Durchbruch war dann das mobile Internet mit dem Smartphone."

Bei Vergleichen mit anderen Ländern mahnt Steinmaurer gegenüber heise online zu Vorsicht: "Rumänien ist eines der Top-Länder (in der Glasfaser-Statistik). Da gab’s kaum ein Kupfernetz. Jetzt ist der Glasfaserausbau da, aber nicht unbedingt sicher. Kabel hängen über Fahrradwege. Da gibt es billigen Ausbau mit schlechteren Standards, dafür hält es nicht so lange."

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