Muss das, wovon ein literarischer Text handelt, vorher erlebt worden sein oder auf Tatsachen basieren? Die Frage wirkt mit Blick auf bestimmte Genres wie Märchen oder Science-Fiction lächerlich – und doch wird sie immer wieder gestellt. Leicht lassen sich wichtige Werke aufzählen, die auf unterschiedlichste Weise tatsachenbasiert sind – von alten Epen bis zu Balzac und Tolstoi, von Erich Maria Remarque über Truman Capote bis zu Ingeborg Bachmann und Annie Ernaux. Ebenso leicht fallen uns bedeutende Werke ein, die vor allem aus der Imagination geschaffen sind. Emblematisch geworden für die Kraft literarischer Phantasie ist etwa Xavier de Maistres „Reise um mein Zimmer“ (1796), ein fiktives Reisetagebuch, ersonnen in einer Arrestzelle.