Kultusminister beschließen Reform des Verfahrens mit NS-Raubkunst

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Rückgabe von Kunst Kultusminister beschließen Reform des Verfahrens mit NS-Raubkunst

Bisher war eine Beratende Kommission in Streitfragen zuständig. Die Kultusminister der Länder und Staatsministerin Roth setzen nun ein Schiedsgericht ein, das über Restitutionsansprüche jüdischer Beraubter entscheiden soll.

09.10.2024, 19.53 Uhr

 »Neuland« betreten

Kulturstaatsministerin Roth: »Neuland« betreten

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Carsten Koall / dpa / picture alliance

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Bund und Länder werden den Umgang mit NS-Raubkunst neu regeln . In der Kultusministerkonferenz am Mittwoch haben sich Kulturstaatsministerin Claudia Roth und die Kulturminister der Länder auf ein neues Verfahren zur Behandlung von Restitutionsansprüchen geeinigt.

Die bisherige Instanz, die in Streitfällen um eine Prüfung und Empfehlung gebeten werden konnte, wird aufgelöst. Diese Beratende Kommission war 2003 gegründet worden. Ihr soll nun eine sogenannte Schiedsgerichtsbarkeit folgen, die im Laufe des kommenden Jahres ihre Arbeit aufnehmen soll. Deren Schiedsrichter werden von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden sowie vom Zentralrat der Juden und der Jewish Claims Conference ausgewählt.

»Mit dem heutigen Beschluss betreten wir Neuland.«

Claudia Roth

Bereits seit März zeichnete sich eine solche durchaus umstrittene Lösung ab. Zu den Kritikern gehört etwa der Staatsrechtler Hans-Jürgen Papier , der der bisherigen Kommission vorstand. Wie viele Experten, die fanden, Deutschland komme seiner Pflicht zur Wiedergutmachung nicht ausreichend nach, forderte er ein Restitutionsgesetz.

So weit wollte die aktuelle Regierung eben nicht gehen. Stattdessen gibt sie nun einem eher unerprobten Verfahren den Vorzug. Kulturstaatsministerin Claudia Roth  räumte selbst ein: »Mit dem heutigen Beschluss betreten wir Neuland.« Zugleich betonte sie, mit den Neuerungen werde »die Rückgabe von NS-Raubgut verbessert, vereinfacht und beschleunigt«. Eine Schiedsordnung und ein Verwaltungsabkommen sollen die Basis der Neuerungen sein.

Altes Versprechen eingelöst

Dass eine merkliche Verbesserung gelingen kann, wurde schon im Vorfeld bezweifelt. Im Gegenteil, manche befürchteten, dass ein solch bürokratisches Verfahren die komplexen Vorgänge nicht erfassen könne. Und sich das zum Nachteil der Antragsteller auswirken könne, also den Erben der meist jüdischen Eigentümer. Umso deutlicher wird nun auch von Roth die Zusammenarbeit mit der Jewish Claims Conference, die sich für jüdische NS-Verfolgte einsetzt, und dem Zentralrat der Juden hervorgehoben, Roth bedankte sich bei beiden Organisationen für das »gewährte Vertrauen«. Dabei hatte der Zentralrat Roths Wirken immer wieder kritisiert .

Zum neuen Verfahren sagte Josef Schuster, Präsident des Zentralrates, er erhoffe sich eine »neue Dynamik für die Restitution von NS-Raubkunst«. Er sagte aber auch: »Am Ziel sind wir noch nicht.« Er strebt ein bindendes Restitutionsgesetz an, das auch für private Fälle gelte.

Immerhin eine alte Zusage soll mit der neuen Regelung eingelöst werden: Künftig soll die vermittelnde Instanz – nun ein Schiedsgericht – auch dann tätig werden dürfen, wenn nur eine Seite das wünscht. Bisher mussten beide Parteien einverstanden sein, was zu Problemen führte.

Den Bundesländern galt die Beratende Kommission als zu rückgabefreundlich. Der Freistaat Bayern weigerte sich etwa bis zuletzt, ein strittiges Gemälde überhaupt von ihr prüfen zu lassen. Das soll sich nun ändern, der Schiedsgerichtsvariante steht man offener gegenüber.

Den Kritikern dieser Lösung zufolge wären allerdings umfassendere Verbesserungen notwendig, etwa strikte Regelungen zur Erforschung und ausgeweitete Pflichten zur Herausgabe von Kunst. Der renommierte Kunsthistoriker Wolf Tegethoff, Papiers Stellvertreter in der Kommission, hatte schon im Vorfeld geäußert, die geplanten Änderungen seien ein »Meisterstück der deutschen Verwaltungsbürokratie« und dienten »lediglich der Fassadenkosmetik«.

Dass mit dem Beschluss auch ein Versprechen des Koalitionsvertrags gebrochen wurde – nämlich die Stärkung der Beratenden Kommission – dürfte die Skepsis gegenüber der Reform noch vergrößern.

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