Mehr als 100 internationale Journalisten fordern einen sofortigen Zugang zum Gazastreifen. Die Petition der Journalistenorganisation „Freedom to Report“ haben unter anderem die CNN-Journalisten Christiane Amanpour, Anderson Cooper und Clarissa Ward unterzeichnet, ebenso die britische Kriegsberichterstatterin Lindsey Hilsum und der Kriegsfotograf Don McCullin.
Die Reporter kritisieren, dass die israelische Regierung „noch nie dagewesene Restriktionen gegen ausländische Medien verhängt und internationale Journalisten daran gehindert hat, aus dem Gazastreifen unabhängig und frei zu berichten“. Deshalb fordern sie sowohl Israel als auch die islamistische Terrororganisation Hamas auf, die Einreise nach Gaza zu gestatten, um ausländischen Journalisten eine freie Berichterstattung zu ermöglichen.
Seit dem terroristischen Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 mit 1200 ermordeten Israelis und 250 verschleppten Geiseln herrscht Krieg in Gaza. Noch immer sind 50 Geiseln in den Händen der Islamisten. Seit mehr als 21 Monaten lässt Israel keine ausländischen Journalisten unabhängig aus dem Küstenstreifen berichten, er ist praktisch abgeriegelt. Laut Angaben des in New York ansässigen Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) sind im Zuge des Gazakriegs mindestens 186 Journalisten und Medienschaffende getötet worden. Gaza sei das tödlichste Kriegsgebiet für Journalisten seit Beginn der Datenerfassung durch das CPJ im Jahr 1992. Einem Bericht der „Washington Post“ zufolge sind in Gaza inzwischen mehr als 60.000 Menschen ums Leben gekommen – mehr als die Hälfte davon seien Frauen und Kinder. In der Statistik wird jedoch nicht zwischen Kombattanten und Nicht-Kombattanten unterschieden.
Verband der Auslandspresse in Israel warnt
Die „Freedom to Report“-Petition, die der brasilianische Kriegsfotograf André Liohn initiiert hat, verweist auf das Zusatzprotokoll 1 der Genfer Konvention, das einen besonderen Schutz von Journalisten und Zivilpersonen in Kriegs- und Krisengebieten betont. Andere Staaten und Organisationen sollten sich mit ihnen solidarisieren, fordern die Journalisten. Sollten Israel und die Hamas den Appell ignorieren, reisten die Reporter eben ohne Erlaubnis in den Gazastreifen ein. Es sei für Journalisten ethisch geboten, aus Konfliktgebieten auch ohne Zustimmung von offizieller Seite zu berichten, heißt es in der Petition. Es gelte, Zeugnis über die Geschehnisse abzulegen, bei dem von Politik oder Militär verordneten Schweigen dürfe es nicht bleiben.
Zuvor hatten die BBC, Reuters, AP und AFP eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, in der ebenso freier Zugang nach Gaza gefordert wird. Der Verband der Auslandspresse in Israel (FPA) warnte in einem Statement: „Während des Krieges hatten Journalisten mit wiederholten Vertreibungen und der ständigen Bedrohung durch Gewalt zu kämpfen. Jetzt ist Hunger eine unmittelbare Gefahr.“ Der Verband reichte mehrere Petitionen beim Obersten Gericht in Israel ein, um Zugang nach Gaza zu erlangen. Darüber berichteten FPA-Vertreter in der israelischen Zeitung „Haaretz“ (4. Mai). Sie seien sich der Sicherheitsrisiken bewusst, die mit der Arbeit in einem Kriegsgebiet verbunden seien, schreiben die Autoren. Dennoch, sagen sie, solle die FPA und nicht die israelische Regierung entscheiden, „wo wir tätig sind und welche Risiken für journalistische Zwecke eingegangen werden sollten“.
Ein gefährlicher Präzedenzfall
Das Gericht lehnte den Vorstoß Ende 2023 ab, unter Verweis auf die Angaben des Militärs, ausländische Journalisten in Gaza gefährdeten sich selbst als auch die Militäroffensive. Ändere sich die Lage, so das Gericht, müsse man das Ansinnen neu beurteilen. Die FPA reichte daraufhin im vergangenen Jahr eine neue Petition ein. Die Verhandlung darüber wird aber seit Monaten immer wieder verschoben. Die israelische Regierung halte an ihrer bisherigen Praxis fest. Sie führe abermals „offensichtliche Sicherheitsgründe“ an und „Risiken und Auswirkungen, die dies für die Kämpfe und die im Gazastreifen operierenden Streitkräfte (sowie für die Journalisten selbst) mit sich bringt“. Das berichtete die investigative Medienplattform „The Seventh Eye“ aus Israel.
Die Petition von „Freedom to Report“ beklagt eine „weltweite Erschütterung der Pressefreiheit“. Dauere die „Nachrichtensperre“ in Gaza weiter an, schaffe das einen gefährlichen Präzedenzfall. Es bedeute, „dass Regierungen und militärische Akteure durch Zensur, Behinderung und Gewalt in Kriegszeiten den Zugang zur Wahrheit unterbinden können“. Ihre Petition sei kein Aktivismus, schreiben die Reporter. „Es ist Journalismus, und es ist dringend.“