Krieg in Syrien: Russisches Militär bombardiert Dschihadisten in Aleppo

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Russland unterstützt nach eigenen Angaben den Kampf gegen die Rebellen im Norden Syriens. Die Dschihadisten berichten, sie seien ins Zentrum von Aleppo vorgedrungen.

30. November 2024, 0:04 Uhr Quelle: ZEIT ONLINE, AFP, dpa, Reuters,

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 Nach einem Luftangriff des syrischen Regimes auf Kafr Naya, Aleppo, steigt Rauch auf. Oppositionsgruppen haben in der Region die Kontrolle über mehrere Städte übernommen.
Nach einem Luftangriff des syrischen Regimes auf Kafr Naya, Aleppo, steigt Rauch auf. Oppositionsgruppen haben in der Region die Kontrolle über mehrere Städte übernommen. © Anas Alkharboutli/​dpa

Die russische Armee geht nach eigenen Angaben mit Luftangriffen gegen regierungsfeindliche Kämpfer im Norden Syriens vor. Dort haben Dschihadisten und ihre Verbündeten eine Großoffensive im Kampf um die Stadt Aleppo gestartet. Die russische Luftwaffe bombardiere "Ausrüstung und Personal illegaler bewaffneter Gruppen", zitierten russische Nachrichtenagenturen am Freitagabend einen für Syrien zuständigen Sprecher des Verteidigungsministeriums in Moskau. Demnach wurden russische Angriffe gegen "Kontrollpunkte, Lagerhäuser und Artilleriestellungen von Terroristen" ausgeführt.

Die Dschihadistengruppe Hajat Tahrir al-Scham (HTS) und mit ihr verbündete Einheiten waren zuvor in Syriens zweitgrößte Stadt Aleppo eingedrungen. Zunächst hatte der Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahman berichtet, die HTS und ihre Verbündeten "kontrollieren fünf Stadtteile der Stadt Aleppo". Anwohner berichteten von bewaffneten Kämpfern in den Straßen. Die Rebellen behaupten inzwischen, sie hätten Aleppo eingenommen und seien "ins Zentrum der Großstadt" vorgestoßen. Die syrische Regierung teilte hingegen mit, ihre Armee habe die Großoffensive abgewehrt und mehrere Stellungen zurückerobert. Die syrische Armee entsandte Verstärkung nach Aleppo.

Mehr als 14.000 Menschen auf der Flucht

Eine Allianz von Aufständischen unter der Führung der Islamistenorganisation Haiat Tahrir al-Scham (HTS) hatte in dieser Woche im Nordwesten des Landes überraschend große Gebietsgewinne verzeichnet. Die Regierungstruppen und ihre Verbündeten gerieten im Umland der Städte Idlib und Aleppo unter Druck. Die Rebellen hatten ihre Offensive in der Region um Aleppo am Mittwoch gestartet – aus der Millionenstadt waren die Aufständischen vor acht Jahren vertrieben worden. 

Aus Kreisen der Rebellen hieß es, Kämpfer seien vom Süden und Westen vorgerückt und hätten bisher mehr als 50 Orte in der Umgebung unter ihre Kontrolle gebracht. Darunter war nach Angaben der Beobachtungsstelle für Menschenrechte auch die Ortschaft Sarakib, die entscheidend für die Kontrolle der Verbindungsroute zwischen der Hauptstadt Damaskus und Aleppo ist. Seit Beginn der neuen Offensive wurden nach Angaben der Menschenrechtsaktivisten mehr als 255 Menschen getötet, mindestens 24 davon waren Zivilisten. Die Organisation mit Sitz in Großbritannien bezieht ihre Informationen von einem Netz aus Informanten vor Ort.

Mehr als 14.000 Menschen sind nach Angaben der Vereinten Nationen seit dem jüngsten Ausbruch der Kämpfe aus der Umgebung von Idlib und westlich von Aleppo vertrieben worden. Viele Bewohnerinnen und Bewohner flohen Augenzeugen zufolge auch am Freitagabend aus Angst vor einer Eskalation. Die Lage verschlechtere sich insbesondere für die Zivilbevölkerung, sagte der stellvertretende regionale UN-Koordinator für humanitäre Hilfe in Syrien, David Carden. "Wir erhalten Berichte über Kinder mit mehreren Verletzungen durch Schrapnell", sagte er. 

Die bisher überwiegend von der Regierung kontrollierte Provinz Aleppo in Syriens Nordwesten grenzt an die letzte große von den Rebellen kontrollierte Region Idlib. Aleppo war in den ersten Jahren des syrischen Bürgerkriegs stark umkämpft und wurde schwer verwüstet. Damals wurden die Aufständischen vom syrischen Militär und seinen Verbündeten gewaltsam aus dem östlichen Teil der Stadt vertrieben. Die Schlacht um Aleppo galt als eine der schlimmsten in dem seit 2011 andauernden Bürgerkrieg in Syrien. Idlib ist seit Jahren in der Hand der Aufständischen.

Tiefe Spaltung im Land

Wladimir Putin ist eng mit dem syrischen Machthaber Baschar al-Assad verbündet. Russland hatte 2015 in den syrischen Bürgerkrieg eingegriffen und mit seiner Luftwaffe dazu beigetragen, dass sich die Macht von Präsident al-Assad wieder festigte. Vor allem an der Rückeroberung Aleppos durch die syrische Armee 2016 war Russland beteiligt. Wegen des Ukraine-Kriegs verringerte Moskau ab 2022 seine Truppenpräsenz in dem nahöstlichen Land.

Der Bürgerkrieg hat Syrien zutiefst gespalten. Al-Assad geriet zeitweise schwer unter Druck, kontrolliert mit Hilfe seiner Verbündeten Russland und Iran inzwischen aber wieder zwei Drittel des Landes. Gebiete im Nordwesten sind unter Kontrolle von Oppositionskräften, die teils von der Türkei unterstützt werden. Eine politische Lösung für den Konflikt ist nicht in Sicht. Infolge des Bürgerkriegs sind Millionen Syrer ins Ausland geflohen – viele auch nach Europa.

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