Krieg in Nahost: Internationale Kritik an Israels Offensive in Gaza-Stadt

vor 16 Stunden 1

Die israelische Bodenoffensive in Gaza-Stadt wird international verurteilt. Die UN fordern einen sofortigen Stopp der Offensive, die EU warnt vor Tod und Vertreibung.

16. September 2025, 16:29 Uhr Quelle: DIE ZEIT, Reuters, AFP, dpa,

 Auch die EU verurteilte das israelische Vorgehen.
Menschen in Gaza-Stadt nach einem nächtlichen Angriff der israelischen Armee: Auch die EU verurteilte das israelische Vorgehen. © Ebrahim Hajjaj/​Reuters

Beinahe einhellig verurteilt die internationale Politik den israelischen Einsatz in der Hauptstadt des Gazastreifens. So kritisierte selbst der deutsche Außenminister Johann Wadephul (CDU), der sonst für ein zurückhaltendes Mahnen gegenüber Israel bekannt ist, Israels Vorgehen. 

Deutschland trage eine besondere Verantwortung für den Staat Israel in dessen grundsätzlich gerechtfertigtem Kampf gegen die Hamas, sagte er. "Aber wir schauen uns genau an, mit welchen Mitteln und zu welchen Kosten dieser Kampf geführt wird." Die humanitäre Situation im Gazastreifen sei inakzeptabel, das Ziel der Eroberung der Stadt Gaza sei der falsche Weg.

Auch die britische Außenministerin Yvette Cooper schrieb auf X, die neue Offensive des israelischen Militärs sei "rücksichtslos und entsetzlich". Diese werde nur zur mehr Blutvergießen und zu mehr getöteten Zivilisten führen sowie das Leben der verbliebenen Geiseln gefährden. Es brauche eine sofortige Waffenruhe, forderte sie.

US-Außenminister Marco Rubio hatte Israel dagegen noch am Montag die "unerschütterliche Unterstützung" der Vereinigten Staaten zugesagt. Zugleich warnte er, die Zeit für Verhandlungen mit der Terrororganisation Hamas über eine Waffenruhe im Gazastreifen laufe ab.

EU bereitet Sanktionen vor

Die EU-Kommission warnte Israel ebenfalls vor einer Ausweitung der Militäroperation in Gaza-Stadt. "Eine militärische Intervention wird zu mehr Zerstörung, mehr Tod und mehr Vertreibungen führen", sagte Kommissionssprecher Anouar El Anouni. "Das wird auch die bereits katastrophale humanitäre Lage verschlimmern." Es sei "höchste Zeit, den Kreislauf der Gewalt, der Zerstörung und des Leidens zu durchbrechen". Zudem seien die Leben der Geiseln im Gazastreifen in Gefahr.

Wegen des Militäreinsatzes beabsichtigt die Kommission Strafmaßnahmen gegen Israel einzuführen, um die in Teilen ultrarechte Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu unter Druck zu setzen. Vorgesehen sind Sanktionen gegen gewalttätige Siedler und extremistische Minister sowie eine Aussetzung des EU-Israel-Assoziierungsabkommens für den Handel. Ob die EU-Mitgliedstaaten die Schritte mittragen, ist offen.

UN sprechen von Völkermord

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, forderte Israel auf, seine Bodenoffensive auf Gaza-Stadt sofort zu beenden. "Die einzige Antwort darauf ist: Stoppt das Gemetzel", sagt er. Es gebe immer mehr Beweise für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die weitere Eskalation sei "völlig und absolut inakzeptabel".

Einem Bericht des UN-Meschenrechtsrates zufolge zielt die Kriegsführung Israels gegen die Terrororganisation Hamas im Gazastreifen auf die Zerstörung der Palästinenser ab. Die Kommission kam – schon vor Beginn der neuen Offensive – zu dem Schluss, dass Israel Genozid, also Völkermord, begeht. Vier der fünf in der UN-Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes von 1948 erwähnten Tatbestände seien erfüllt.

Die Organisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) berichtete von Tausenden Menschen, die aus der Stadt Gaza flohen und oftmals zu Fuß versuchten, sich in Sicherheit zu bringen. Auch die Hilfsorganisation Welthungerhilfe verurteilte das Vorgehen der israelischen Armee und forderte "einen sofortigen Waffenstillstand".

Kritik von Israels Opposition

Nach einem bereits seit Wochen andauernden Einsatz der israelischen Armee in den Außenbezirken der Stadt Gaza sind israelische Bodentruppen nun in Richtung Stadtzentrum vorgedrungen. Es wird damit gerechnet, dass die Offensive zumindest mehrere Wochen dauert, möglicherweise aber auch Monate. Vor dem Einsatz war die israelische Regierung auch von der eigenen Militärspitze gewarnt worden. Doch die in Teilen ultrarechte Regierung bestand darauf. Seit Beginn der Offensive sind nach palästinensischen Berichten bereits mehrere Dutzend Menschen in Gaza getötet worden.

Israels Oppositionsführer Jair Lapid warf Netanjahu vor, für die wachsende internationale Isolation des Landes verantwortlich zu sein. Dies habe keine höhere Macht verursacht, vielmehr sei Netanjahu der "Hauptschuldige". Es sei unklar, wie der Gaza-Krieg enden solle. "Alles ist amateurhaft und nachlässig und arrogant."

Die Angehörigen der Geiseln zeigten sich angesichts der Bodenoffensive verzweifelt und voller Sorge. "Unsere Kinder sind dort und werden als menschliche Schutzschilde missbraucht", hieß es in einer Mitteilung des Forums der Geisel-Angehörigen. "Und dennoch schickt der Ministerpräsident – trotz der Warnungen der Militärführung, dass ein Abkommen geschlossen werden müsse – Soldaten in eine Todesfalle."

Arabische und islamische Staaten verurteilen

Das türkische Außenministerium schrieb, Israels Bodenoffensive auf Gaza-Stadt stelle eine neue Phase von Israels "Völkermordplänen" dar und warnte, dass dies die Gewalt im Gazastreifen weiter verschärfen und weitere Massenvertreibungen auslösen werde.

Auch Jordanien verurteilte die Ausweitung der israelischen Bodenoffensive. Es handle sich dabei um einen Versuch, gewaltsam neue Realitäten zu schaffen, schrieb das Außenministerium. Israel wolle die Palästinenser von ihrem Land vertreiben. Jordanien warf Israel vor, systematisch Zivilisten, Krankenhäuser, Journalisten und medizinisches Personal anzugreifen.

Auch Ägypten wandte sich wieder von Israel ab: In einer Rede auf dem Gipfeltreffen in Katar bezeichnete Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sissi erstmals seit 1977 als ägyptisches Staatsoberhaupt Israel öffentlich als "Feind".

Bei einem Gipfeltreffen der arabischen und islamischen Staaten in Katar hatten sich bereits zahlreiche Staaten gegen Israels Offensive positioniert. Doch auch weitere Staats- und Regierungschefs, etwa aus Kanada, Frankreich und Großbritannien, forderten zuletzt einen dauerhaften Waffenstillstand.

Gesamten Artikel lesen