Wenn Deutschland heute Abend auf Frankreich trifft, erwartet das Team von Antonio Di Salvo eine Mannschaft ohne die ganz großen Stars - ein Umstand, der sie womöglich umso stärker macht.

Gute Stimmung in Frankreichs U 21 - dem deutschen gegner im EM-Halbfinale. IMAGO/Maciej Rogowski
Am Ende war es dann doch egal, wie die Franzosen bei der U-21-EM abschneiden. Denn der Vertrag von Gerald Baticle wurde schon vor und vor allem unabhängig von dem Turnier in der Slowakei verlängert, der Trainer bleibt bis 2027, wenn die EM in Albanien und Serbien stattfindet. Mit seinen ersten Spielen in der Slowakei hat der Nachfolger von Thierry Henry bewiesen, dass die Entscheidung des französischen Verbandes die richtige war.
Denn obwohl sich die Bleuets zum Auftakt gegen Portugal schwertaten (0:0), trug sie sowohl ihre Spielstärke als auch die gute Stimmung innerhalb des Teams nun bis ins Halbfinale gegen Deutschland. Mittlerweile geht man in Frankreich davon aus, dass das Portugal-Spiel ein Ausrutscher war und einen Lerneffekt nach sich zieht. Denn die damals eher schwachen Olympia-Teilnehmer Guillaume Restes, Castello Lukeba und Kiliann Sildillia wirkten in der Abwehr fahrig, stabilisierten sich aber zunehmend.
Frankreichs Weg ins Halbfinale
In der Regel setzt Baticle, der einst als Profi für Auxerre und Le Havre auflief, auf eine Viererkette in der Abwehr, davor ein variables Mittelfeld mit einem oder zwei Sechsern sowie zwei Flügelspielern und einen Stoßstürmer - normalerweise den jüngst aus München fest zu Tottenham gewechselten Mathys Tel. Der 20-Jährige fiel gegen Portugal zwar ebenfalls ab, schoss seine Mannschaft dann aber nicht zuletzt gegen Dänemark (3:2) ins Halbfinale.
Tel läuft hoch an, provoziert Fehler, sucht Abschlüsse, mit dem Fuß und dem Kopf. Die Flanken dazu bringen neben den Außenspielern Felix Lemarechal aus Straßburg sowie Wilson Odobert von Tottenham insbesondere die hochstehenden Außenverteidiger, neben dem aus Freiburg bekannten Sildillia (rechts) auch der vor allem gegen Dänemark stark aufspielende Marseillais Quentin Merlin (links). In der Mitte kann Johann Lepenant, ein guter Pressingspieler und Balleroberer, sowohl auf der Zehn als auch weiter hinten agieren. Im unbedeutenden letzten Gruppenspiel gegen Polen ließ Baticle stark rotieren, dennoch gewann sein Team souverän mit 4:1.
Zahlreiche Top-Stars nicht dabei
Ein Grund für das bisher gute Abschneiden sind auch die Erfahrungen aus den olympischen Spielen vom vergangenen Jahr und der daraus resultierende Zusammenhalt. Die Spieler schotten sich weniger ab als bei vergangenen Turnieren, brechen in Gesprächen auch mal aus ihrer reservierten Rolle als Interviewpartner aus. Dafür sorgen neben dem Spaßvogel im Team Lukeba (Leipzig) auch die aus Straßburg eingeladenen Ismael Doukouré und Djaoui Cissé. Beide nehmen offenbar die gute Stimmung aus dem Elsass mit in die Slowakei. Das merken nicht nur die Journalisten, sondern auch die Anwohner, die ab und zu sogar Spieler im Supermarkt treffen. Diese Freiheit scheint sich positiv auf die Teamhygiene auszuwirken.
Ob sie auch deshalb so gut ist, weil bei der französischen U 21 kein Top-Star mitspielt? Die sind den ältesten Junioren nämlich längst entwachsen, beispielhaft seien hier die Champions-League-Sieger Warren Zaire-Emery, Desiré Doué und Bradley Barcola zu nennen. Alle drei weilen zudem mit Paris Saint-Germain bei der Klub-WM. Das tut auch Rayan Cherki, den Manchester City jüngst aus Lyon holte. Zudem besteht bei der U 21 keine Abstellungspflicht, weshalb auch Akteure wie Stuttgarts Enzo Millot, Arnaud Kalimuendo aus Rennes oder Abwehrtalent Leny Yoro von Manchester United ebenso im Kader fehlen wie Hugo Ekitiké aus Frankfurt. Malo Gusto (zuletzt in der Nations League im Kader) und Eduardo Camavinga von Real Madrid sind ebenso bei der A-Nationalmannschaft eingeplant.
Michael Postl