Bayern-Sieg über Flamengo bei Klub-WM Plötzlich fragt Eberl: »Ist Nick Woltemade 80 Millionen wert? Ist er es wert?«
Dank des 4:2 gegen Flamengo stehen die Bayern im Viertelfinale der Klub-WM. Hinterher geht es aber vor allem um Nick Woltemade, Uli Hoeneß und Lothar Matthäus. Max Eberl wirkt angespannt. Aus gutem Grund.
Aus Miami berichtet Danial Montazeri
30.06.2025, 09.18 Uhr

Bayerns Sportchef Max Eberl (l): »An mir nicht spurlos vorbeigegangen«
Foto:Sven Hoppe / dpa
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Für jemanden, der mit seinem Klub gerade ein umkämpftes Fußballspiel gewonnen hatte, das ihm 13,5 Millionen US-Dollar und ziemlich gute PR einbringt, wirkte Max Eberl angespannt. Als würfe etwas einen Schatten über den Erfolg.
Am Sonntagabend stand Eberl im Hard Rock Stadium von Miami, wo der FC Bayern München soeben Flamengo aus Rio den Janeiro 4:2 besiegt und das Viertelfinale der Klub-WM erreicht hatte.
Aber Bayerns Sportchef Eberl stand vor einer Gruppe von Reporterinnen und Reportern und sagte: »Das ist auch an mir nicht spurlos vorbeigegangen.« Dann zögerte er einige Momente, ehe er weitersprach.
Zwist in der Heimat
Eberl, 51, ging es um einen Zwist, der inhaltlich mit dem Achtelfinalspiel der Bayern gegen Flamengo nicht einmal am Rande zu tun hatte. Ausgetragen wurde er zwischen Ehrenpräsident Uli Hoeneß und TV-Experte Lothar Matthäus. Ihr Thema war Nick Woltemade. Jener Stürmer des VfB Stuttgart, den die Bayern zum neuen Wunschspieler auserkoren haben.
Von 50 Millionen Euro Ablöse soll man in München ausgegangen sein. Der VfB hätte gern das Doppelte. Die Wut richtete sich nun aber nicht auf die Schwaben, sondern auf Experte Matthäus. Der hatte suggeriert, dass 80 bis 100 Millionen Euro eine angemessene Forderung für Woltemade darstellten. Woraufhin Hoeneß Matthäus bezichtigte, »nicht alle Tassen im Schrank« zu haben. Was wiederum Matthäus nicht auf sich sitzen lassen wollte.

Experte Matthäus: »Uli Hoeneß hat immer noch nicht verstanden, dass sich nicht nur der Fußball, sondern auch das Business weiterentwickelt hat«
Foto:Andreas Gora / dpa
Nun stand Eberl in der Mixed Zone von Miami und wurde gefragt, ob Matthäus eigentlich recht habe oder diese Summen realitätsfremd seien. Es entbrannte ein kurzes Wortgefecht.
Eberl: »Ist Nick Woltemade 80 Millionen wert?«
Journalist: »Wahrscheinlich macht der Markt den Preis.«
Eberl: »Ist er’s wert?«
»Nein«, erklang es aus dem Reporterpulk, es war die Antwort, auf die Eberl gewartet hatte.
Wird Eberls Coup zum Eigentor?
Eigentlich sollte die Woltemade-Verpflichtung Eberls Coup werden. Auf der Suche nach einem dringend benötigten Linksaußen kommt er nicht voran, in Sachen Spielerverkäufe tut sich wenig, und wenn man weiß, dass Eberls Arbeit intern beim FC Bayern von Teilen des mächtigen Aufsichtsrats kritisch gesehen wird, ahnt man, unter welchem Druck sich der Sportvorstand befindet.
Als dann am Donnerstagabend durchsickerte, dass Eberl eine Einigung mit U21-EM-Überflieger Woltemade über einen Wechsel erzielt hatte, schien das dringend benötigte Ass aus Eberls Ärmel hervorzublitzen.
Seither gab es kein einziges offizielles Gespräch zwischen den Bayern und Stuttgart. Trotzdem ist ein Wechsel kaum noch vorstellbar. Was, so die Deutung von Eberl und Hoeneß, auch an Matthäus liegt.
Stuttgart hatte nach Matthäus' Vorstoß keine andere Wahl, als eine exorbitante Summe einzufordern. Hätten sie sich mit 50 Millionen Euro Ablöse begnügt, obwohl ein Experte den Wert viel höher taxiert, stünden sie da wie die Deppen der Nation. So argumentieren die Bayern.
Verhandlungsposition geschwächt
Nur ist es auch so: Das Öffentlichwerden der Einigung hat die Verhandlungsposition der Bayern nicht gestärkt, sondern geschwächt. Denn auch in Stuttgart weiß man, wie dringend Eberl einen Transfercoup benötigt. Und wenn jene Bayern, die bereit waren, weit über 100 Millionen Euro für Florian Wirtz auszugeben, Woltemade unbedingt verpflichten wollten, dann sollten sie bitteschön entsprechend zahlen.
Wer beim Poker die Stärke der eigenen Hand falsch einschätzt, verliert.

Nick Woltemade (l): Viel Talent, kaum Erfahrung
Foto: David W Cerny / REUTERSSo könnte aus dem Coup ein Eigentor werden. Dann, wenn statt des Überraschungstransfers eines faszinierenden, hochtalentierten Stürmers nichts übrig bleibt außer Zank und verbrannter Erde. Denn natürlich kann Eberl die aufgerufenen 100 Millionen nicht annähernd nach Stuttgart überweisen. Nicht für jemanden, der gerade seine erste Saison als Stammspieler erlebt, der zwei Länderspiele absolviert hat, der noch nie eine Minute in der Champions League gespielt hat.
Zumal jedes Entgegenkommen nun aussähe wie ein Gesichtsverlust. So ist Eberl in eine Situation gelangt, in der er Härte demonstrieren muss.
Eberl und die Bayern hätten nach Wirtz' Wechsel zum FC Liverpool zum zweiten Mal eine schmerzhafte Niederlage auf dem Transfermarkt erlebt. Mit dem Unterschied, dass sie bei Woltemade noch vor wenigen Wochen selbst nicht wussten, dass er ihr Wunschspieler ist.
Während Eberl über Woltemade, Hoeneß und Matthäus debattierte, sprach sein Trainer Vincent Kompany am Sonntagabend über seine Mannschaft. Er wirkte aufrichtig stolz.
Er habe sehr viele Fußballspiele erlebt, sagte Kompany, aber nicht viele bei solcher Hitze. Hinzu komme die Stärke des brasilianischen Gegners.
Tatsächlich deutete Flamengo an, auf welch hohem taktischen Niveau in Brasilien gespielt wird, und dass der 3:1-Sieg in der Vorrunde über Chelsea kein Zufall war. In vielen Phasen drängte Flamengo die Bayern tief in die Defensive, erreichte mehr Ballbesitz als die Münchner. Das schaffen selbst europäische Topklubs selten.
Die größte Leistung seit etlichen Monaten
Einen solchen Gegner unter diesen Bedingungen zu schlagen, war die größte sportliche Leistung der Bayern bei der bisherigen Klub-WM. Wahrscheinlich die größte Leistung seit etlichen Monaten.
Nur wird das niemand würdigen. Eberls Woltemade-Vorstoß war für Fans wie Medien schon in den vergangenen Tagen interessanter als die Stärke der Münchner Mannschaft. Mit seinem Auftritt nach Abpfiff hat der Sportvorstand erneut den Scheinwerfer bewegt: weg von dem bemerkenswerten Auftritt der Bayern-Elf, hin zu sich selbst. Krisen interessieren eben besonders stark, gerade wenn sie den Rekordmeister treffen.
Als Sportvorstand des FC Bayern München müsste man das eigentlich wissen.