Kimmich sieht Absageflut mit Unbehagen - und kritisiert Leno

Positioniert sich klar zur Absagenflut: DFB-Kapitän Joshua Kimmich. picture alliance/dpa

In Windeseile wechselte Robin Gosens am Dienstag nach der Ankunft im Teamquartier in Herzogenaurach die Klamotten, um nichts von der ersten Trainingseinheit der Nationalmannschaft zu verpassen. Der Linksverteidiger der AC Florenz war eilends nachnominiert worden als Ersatz für den Leipziger David Raum, der wegen einer noch nicht näher definierten Sprunggelenkverletzung den Home Ground verlassen musste. Raum war nach Torhüter Marc-André ter Stegen, Verteidiger Robin Koch und den Offensivkräften Kai Havertz, Jamal Musiala und Niclas Füllkrug der bereits sechste EM-Teilnehmer, den Nagelsmann von seiner Liste streichen musste. Fraglich ist zudem der Leipziger Defensiv-Allrounder Benjamin Henrichs, der wegen Rückenbeschwerden die Übungseinheit verpasste.

"Echt verrückt, gefühlt sind zehn neue Spieler dabei. Es ist schwierig, das aufzufangen, weil wir uns den Kern nicht über Jahre, sondern in den letzten Monaten erarbeitet haben.", sagte Kapitän Joshua Kimmich und sieht daher die beiden Spiele als große Herausforderung: "Wichtig wird sein, dass wir viele Spieler auf dem Platz haben, die Verantwortung übernehmen."

Kleindienst winkt Debüt in der Startelf

Für Nagelsmann stellt sich die Frage, wie er den personellen Aderlass in den Nations-League-Spielen gegen Bosnien-Herzegowina am Freitag (20.45 Uhr in Zeneca) sowie die Niederlande am Montag (20.45 Uhr in München, beide LIVE! bei kicker) am besten auffängt. Fest steht, dass er in nahezu allen Mannschaftsteilen Veränderungen vornehmen muss, ob im Tor, in der Abwehr und vor allem im Angriff. Vom offensiven Stammquartett ist allein noch Florian Wirtz übrig, Rückkehrer Serge Gnabry und der Stuttgarter Deniz Undav gelten als gesetzt. Undaz könnte die Musiala-Position auf der Zehn einnehmen, dann kämen der Neu-Mönchengladbacher Tim Kleindienst oder der nachnominierte Mainzer Jonathan Burkardt bereits in der Anfangsformation zum Länderspiel-Debüt.

Im Tor kommt es zur Wahl zwischen dem Stuttgarter Alexander Nübel und Routinier Oliver Baumann und damit auf jeden Fall zu einer Länderspiel-Premiere. Dem Hoffenheimer Baumann hat Nagelsmann bereits zugesagt, dass er mindestens in einer der beiden Partien zwischen den Pfosten stehen darf. Ein Einsatz am Freitag in Zeneca ist naheliegend. Der formschwache Janis Blaswich ist klare Nummer 3.

Wir wollen Spieler haben, die sehr gerne dabei sind.

Dass Bernd Leno diesen Part nicht übernehmen wollte und daher Nagelsmann eine Absage erteilte, stieß bei Kimmich auf wenig Verständnis.  "Wenn einer nicht dabei sein möchte, dann muss er auch nicht kommen. Wir wollen Spieler haben, die sehr gerne dabei sind ", erklärte der Kapitän und ergänzte: "Es muss für jeden etwas ganz, ganz Besonderes sein, hier dabei sein zu wollen. Ob man einhundert Länderspiele hat oder drei. Ob man 34 Jahre alt ist oder 19."

In der Abwehr dürfte die Viererkette mit Kimmich, Jonathan Tah und Rückkehrer Antonio Rüdiger nach Raums Ausfall durch Maximilian Mittelstädt komplettiert werden. Setzt Nagelsmann auf Kontinuität, starten davor auf der Doppelsechs wie zuletzt gegen Ungarn (5:0) und in den Niederlanden (2:2) Robert Andrich und Pascal Groß. Allerdings machen die jungen Herausforderer Aleksandar Pavlovic (20) und Angelo Stiller (23) mächtig Druck auf die beiden Routiniers.

Kimmichs Appell: "Nicht als Auszeit sehen"

"In der Vergangenheit war es schon so, dass der ein oder andere die Länderspielpause als Pause genutzt hat. Ich hoffe, dass wir viele Spieler haben, die das nicht tun. Ich bin sicher, dass diejenigen, die abgesagt haben, wirklich verletzt sind und nicht spielen können", sagte Kimmich zur Absagenflut und unterstrich die Bedeutung der beiden anstehenden Spiele: "Man darf die Nationalmannschaft nicht als Auszeit sehen, als Erholung. Wir wollen die Nations League sehr ernst nehmen und als Chance nutzen, weiter zusammenwachsen."

Oliver Hartmann, Frank Linkesch