Leverkusen siegt in seinem zweiten Test in dieser Sommervorbereitung mit 2:0 beim VfL Bochum - und hat dabei gute, aber auch ausbaufähige Phasen. Das fiel auf.
Beim 1:5 gegen eine U-20-Auswahl von Flamengo geriet ein mit vielen U-19-Spielern besetztes Bayer-Team kürzlich deutlich unter die Räder. Anders als nun beim VfL Bochum, bei dem die Werkself 2:0 gewann - und dreieinhalb Wochen vor dem Liga-Start gute, aber auch ausbaufähige Phasen hatte. Die Auffälligkeiten einer Partie, in der Bayer mit bewährten Kräften startete und nach der Pause durchwechselte.
Ein guter Tag für Flekken
Rund 30 Minuten stand Neuzugang Mark Flekken unlängst beim Duell mit Flamengo auf dem Platz - und kassierte gleich zwei Gegentreffer. Kein schöner Einstand für den niederländischen Nationalkeeper, der sich kaum auszeichnen konnte. Klar: In Bochum sollte es besser klappen - und so kam es.
Wie schon gegen Flamengo stand er in der Startelf. Diesmal indes für 45 Minuten, und diesmal hielt Flekken die Null, konnte sich gleich mehrfach auszeichnen. Zweimal rettete er vor dem Strafraum (2., 41.), bewies dabei seine hervorragende Technik und sein starkes Timing. Zwei Abschlüsse fing er locker (10., 28.). Und einmal parierte er herausragend per Fußabwehr (39.).
Der 32-Jährige lieferte damit den ersten überzeugenden Nachweis seiner Klasse im Bayer-Dress und konnte sich zur zweiten Halbzeit beruhigt zurücklehnen. Für ihn kam Lukas Hradecky, streifte sich die Kapitänsbinde über - und machte ebenso wie Granit Xhaka sein letztes Spiel für die Werkself? Der 35-Jährige wird jedenfalls intensiv mit der AS Monaco in Verbindung gebracht.
Ein überzeugendes Debüt von Quansah
35-Millionen-Euro-Zugang Jarell Quansah ist derweil gerade erst gestartet, absolvierte beim VfL sein erstes Bayer-Spiel - und wusste rechts in der Dreierkette zu überzeugen. Als er sich gegen Bochums Angreifer Moritz Broschinski behauptete, zeigte er seine Physis und sein Tempo (20.).
Mit Ball am Fuß trieb Quansah zudem umsichtig an - und schaltete sich auch nach vorne ein.
Ein Signal an Dreierketten-Verteidiger Andrich
Zu Beginn des Trainingslagers in Brasilien erklärte Robert Andrich, er wolle sich bei Bayer durchsetzen, müsse aber natürlich auch schauen, wie der neue Trainer Erik ten Hag mit ihm plane. Logisch, schließlich will Andrich zur WM 2026 - und kann es sich daher nicht leisten, noch einmal so viel Zeit auf der Bank zu verbringen wie in den vergangenen Monaten unter Ex-Bayer-Coach Xabi Alonso.
Andrich kam also top-trainiert aus der Sommerpause, präsentierte sich überzeugend im Trainingslager - und durfte nun in Bochum in der vermeintlichen A-Elf nicht nur als Kapitän aufs Feld, sondern als einziger Bayer-Profi auch 88 Minuten spielen. Ein Signal an Andrich, der - wie schon in Rio de Janeiro häufig gesehen - erneut zentral in einer Dreierkette begann.
Andrich gab dort den resoluten Zweikämpfer, delegierte und ging voran - selbst als die Kraft nachließ. Doch er erlebte auch mehrere Schrecksekunden. So verlor er den Ball vor einer Bochumer Top-Chance (39.), spielte gegen Ende zwei Fehlpässe im Aufbau (86., 87.) - und schrammte bei einem Klärungsversuch haarscharf an einem Elfmeterpfiff vorbei.
Ein formvollendeter Flachpassangriff
In Rio de Janeiro schaute Coach ten Hag plötzlich herüber zu den mitgereisten Journalisten. Einmal, zweimal - ehe er in einem doch recht strengen Ton herüberrief, dass nun doch bitte die Kameras eingepackt werden sollten. Standardsituationen wollte der 55-Jährige nämlich genauso wenig abgefilmt wissen wie Aufbauvarianten, die die Werkself einstudierte.
Warum? Nun ja, welche Kraft im Aufbau liegen kann, zeigte sich beim 2:0. Flekken, Andrich, Flekken, Hofmann, Quansah, Arthur, Hofmann, Schick, Tella, Schick - über diese Stationen lief der knapp 23 Sekunden dauernde Flachpassangriff, der mit ganz wenigen Kontakten, viel Tempo und einer überladenen rechten Seite vorgetragen wurde. Letztlich war es Patrik Schick, der ins Tor traf.
Ein Rückwärtsgang mit Schwächen
So perfekt wie der Treffer zum 2:0 entstand, lief es für Bayer freilich nicht die ganze Zeit. Dass die Werkself-Profis, deren Beine nach und nach nachvollziehbarerweise schwerer wurden, letztlich ohne Gegentor blieben, war insgesamt glücklich. Mal rettete Flekken, mal das Aluminium. Ab und an verpasste es Bayer, konsequent zuzupacken im Pressing, kam zu spät - und rannte dann hinterher.
Den Raum hinter der oft hohen Leverkusener Abwehrlinie attackierte der VfL in seiner Zweitliga-Generalprobe. Letztlich ging es immer gut, doch das Defensivverhalten muss Bayer in nächster Zeit gewiss besser choreografieren. Dann muss zugegriffen werden im Zentrum, dann müssen öffnende Pässe verhindert werden - oder die Abwehrspieler zum richtigen Zeitpunkt fallen. Sonst wird es zügig gefährlich.
Ein kurzer Arbeitstag für Boniface und neue Joker
Erst in der 77. Minute betrat Victor Boniface das Feld. Ein kurzer Arbeitstag für den Nigerianer, der keine wirklich nennenswerte Szene mehr hatte - und anders als Schick keine Pluspunkte in eigener Sache sammeln konnte. Schick traf jedenfalls nicht nur zum 2:0, sondern leitete es auch ein.
Nach einer feinen Bewegung verlagerte er auf den diesmal über links kommenden Nathan Tella, dessen Abschluss über VfL-Keeper Timo Horn bei Schick landete. Noch vor Boniface brachte ten Hag Christian Kofane, der Schick zur Hälfte ersetzte. Der körperlich sehr präsente Youngster rieb sich auf, erhielt eine Gelbe Karte, erzielte aber keinen durchschlagenden Effekt.
Kofane debütierte ebenso wie Quansah und Ibrahim Maza. Zum schon zweiten Mal war derweil Axel Tape für Bayer auf dem Platz. Er stellte sein Tempo unter Beweis, war präsent - und könnte zweifelsfrei eine gute Alternative werden für die Werkself. Zumal er flexibel einsetzbar ist, als rechter Verteidiger, als Teil der Dreierkette, aber auch als Sechser spielen kann.
Ein Unterschiedsspieler wäre hilfreich
Bayer kombinierte zuvorderst in der ersten Hälfte in einigen Phasen gefällig, kam zu Chancen, hatte eine gute Struktur und oft auch Tempo im Spiel. Es gab aber auch Szenen, in denen die Partie mehr oder minder stand, sich der VfL tiefer postierte und Leverkusen den Ball laufen ließ, allerdings sichtbar wurde, dass ein flinker, wendiger und damit unberechenbarer Spieler im Zentrum guttäte.
Gegen ein hochklassigeres Team könnte es andernfalls auch mal sehr zäh werden. Da bräuchte es noch mehr Tempoverschärfungen, noch mehr Dynamik - und im besten Fall einen Unterschiedsspieler, der das selbst in kleinsten Räumen anzubieten hat. Florian Wirtz zeigt diese Qualitäten nun für den FC Liverpool. Bayer benötigt dementsprechend eine andere Lösung.
Mit Malik Tillman ist inzwischen immerhin ein weiterer Offensivmann bei der Mannschaft angekommen. Der Neue von der PSV Eindhoven, der sich zuletzt noch im Urlaub befand, schaute in Bochum als Zuschauer vorbei. Allein: Es wird noch weiteres Personal brauchen. Das ist sicher.
Leon Elspaß