Am Sonntag kommt Oliver Glasner mit Crystal Palace zum Trainingslager nach Windischgarsten. Als Thomas Berger im Dezember 1991 zum ersten Mal ein Heimspiel der Eagles im Selhurst Park sah, kickte Glasner als 17-Jähriger für den oberösterreichischen Unterhausklub Riedau. Seither pendelte der Catering-Koch etwa 150-mal nach England. Dem kicker erzählt Berger, was ihm Palace und der englische Fußball bedeuten.

Manager Oliver Glasner und Palace-Fan Thomas Berger vor dem Selhurst Park Stadium im Londoner Stadtteil Croydon. privat / Thomas Berger
Wieviele Menschen haben den Mut und die Energie, ihre große Leidenschaft bedingungslos zu leben? Thomas Berger zählt zu den wenigen, die es tun. Der 56-Jährige aus Wien-Donaustadt stand vor zwei Monaten im Wembley-Stadion und bejubelte inmitten hemmungslos weinender Erwachsener den ersten Titel in der 120-jährigen Klubgeschichte von Crystal Palace. Der Triumph im FA-Cup-Finale gegen Manchester City war für den fußballverrückten Catering-Koch der vorläufige Höhepunkt einer bis dato 34-jährigen Liebesbeziehung, die am 3. Dezember 1991 im Süden Londons ihren Anfang genommen hatte.
"Es war kalt, nass und sicher keine Liebe auf den ersten Blick", erinnert sich Berger an den 2:1-Heimsieg von Crystal Palace im Wiederholungsspiel der dritten Ligacup-Runde gegen Birmingham City. Der damalige Rapid-Spieler Franz Resch, mit dem er den Bundesheer-Grundwehrdienst absolvierte, hatte Berger mit seiner Liebe zum englischen Fußball angesteckt. "Dabei war das Spiel ein Erlebnis, nachdem man sagt: gut, habe ich das auch gesehen, fahren wir heim. Aber irgendetwas ist damals mit mir passiert, das gewachsen ist", blickt er auf die Anfänge einer langen Reise zurück. Seit jenem Tag besuchte Berger ungefähr 150 Spiele von Crystal Palace - davon etwa 25 Auswärtspartien in ganz England - die meisten per Fanbus von und nach Selhurst.
"Auf einmal kommt der Glasner und es passiert"
Das rund 25.000 Zuschauer fassende Selhurst Park Stadium im Londoner Vorort Croydon ist seit 1924 die Heimstätte der Eagles, die seit eineinhalb Jahren vom Österreicher Oliver Glasner trainiert werden. Der ehemalige Ried-Kapitän und Erfolgstrainer von Eintracht Frankfurt führte den Klub in Höhen, die weder Berger noch sonst jemand für möglich gehalten hätte. "Ich habe jedes Jahr die Punkte gezählt, die wir für den Klassenerhalt in der Premier League brauchten. Ein Titel war kein Thema. Und auf einmal kommt der Glasner und es passiert."
Den Weg aus Wien-Donaustadt nach Selhurst würde Berger mittlerweile im Schlaf finden. Zweieinhalb Stunden vom Flughafen Wien-Schwechat nach London-Gatwick. Dann 20 Minuten per Zug nach East Croydon, wo das gewohnte Hotel liegt - in Gehdistanz zum Palace-Stadion, das mit den legendären Holmesdale Fanatics die mit Abstand lautesten und heißblütigsten Fans der englischen Premier League beherbergt.

Hunderte Trikots, Schals und Kaffeehäferl von Crystal Palace sammelte Thomas Berger im laufe von drei Jahrzehnten. privat / Thomas Berger
Der Oberrang des Holmesdale Stands ist das zweite Zuhause des Golden-Members mit Vorkaufsrecht auf Heim- und Auswärtstickets. "Ich bin jedes Mal zwei Stunden vor Anpfiff im Stadion. Ich erlebe das ein bisschen anders als die meisten anderen Fans", erzählt Berger, der keinen Alkohol trinkt und daher die in England untrennbar mit dem Matchbesuch verbundenen Pub-Treffen vor dem Spiel auslässt. "Wenn sich das Stadion vor mir aufbaut, dann die immer selben Lieder gespielt werden, sich die Ränge langsam füllen und vor Spielbeginn die Klubhymne 'Glad allover' gesungen wird - das sind Momente, die für mich noch immer unglaublich sind. Wie sich die Menschen in Croydon und im Süden mit dem Klub identifizieren, ist einzigartig in England."
"Von diesem Titel werden wir viele, viele Jahre zehren"
Vor einer der seltenen Niederlagen im Frühjahr - zu Hause gegen Brentford - ergriff der im Wesen sehr zurückhaltende Berger vor dem Stadion die Gelegenheit für ein Foto mit Glasner. Was er mit ihm geredet hat? "Nichts, ich wollte ihn in der Vorbereitung auf das Spiel nicht stören", erzählt er über das kurze Treffen mit dem kometenhaft zur Klublegende aufgestiegenen Manager. "Da ist er doch im Kopf schon bei der Aufstellung und Taktik. Ich hab nur gesagt: Oliver, können wir ein Foto machen?" Auch bei den stundenlangen Busfahrten zu den Auswärtsspielen nach Liverpool, Manchester oder Brighton hält sich Berger lieber im Hintergrund. Echte Freundschaften zu anderen Palace-Fans haben sich in den vielen Jahren nicht wirklich ergeben.
"Ich kann mich schon relativ gut in Englisch unterhalten. Aber wenn es nicht mehr oberflächlich ist, kann ich nicht alles ausdrücken, so wie ich es meine. Das ist mir aber wichtig", sagt Berger. "Mit dem Bus fahre ich deshalb am liebsten, weil der direkt vom Selhurst Park zu den Auswärtsstadien fährt - direkt in den Away Sector und wieder retour." Am englischen Kick und der Kultur auf der Insel schätzt er das Höfliche, Hilfsbereite und Freundliche - nicht unbedingt die Attribute, die gemeinhin mit dem britischen Fußball in Verbindung gebracht werden. "Die Menschen haben doch immer Angst vor dem, das sie nicht kennen. Wenn die Leute sagen, das würde ich gerne einmal machen - ein Spiel in England sehen. Nichts leichter als das. Ich kann das nur jedem empfehlen."
Auch die kommende Saison ist schon fast durchgeplant. Die Weihnachtszeit mit Heimspielen gegen die Londoner Lokalrivalen Tottenham und Fulham wird heuer ein echtes Highlight. Das neue Stadion von Everton ist für Berger ebenfalls ein reizvolles Ziel im zweiten vollen Spieljahr unter Glasner. "Schwer zu sagen, was ich mir erwarte. Im Endeffekt ist es momentan auch vielen Fans egal - abgesehen vom Klassenerhalt natürlich. Von diesem Cuptitel werden wir noch viele, viele Jahre zehren und darüber reden. Schönen Fußball spielen, wie wir es vor Glasner nie gesehen haben, wäre schön. Dann schauen wir weiter."
Harald Hofstetter