Karaoke: Zwei Freunde singen gegen 30 Millionen Clicks

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Mit seinem Lied „Incoscienti Giovani“ hat der italienische Sänger Achille Lauro offensichtlich nichts falsch gemacht. Sein Werk ist eine getragene Ballade, die sentimental zurückblickt in eine Zeit der Spontaneität und Emotion, die Bilder evoziert von schmerzlichem Verlust und unbeirrter Liebe, musikalisch geprägt von Tempowechseln des Sängers, einem Streicherteppich und schließlich, wenn sich ein Hauch Redundanz einzustellen droht, einem Saxophonsolo – mehr Achtziger geht nicht.

Auch das offizielle Video zu „Incoscienti Giovani“ schöpft aus der Ästhetik einer längst vergangenen Epoche, imitiert für den Schwarz-Weiß-Clip sogar das Knistern eines Filmprojektors, bis gegen Ende die Schauspielerin Celeste Dalla Porta ganz Anita-Ekberg-haft in den Trevi-Brunnen steigt, gefolgt mit großer Geste von dem Sänger selbst.

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Achille Lauro, der mit dem Lied in diesem Frühjahr am Wettbewerb von Sanremo teilnahm und sich dort dem Sänger Olly geschlagen geben musste, sammelte mit Videos zu „Incoscienti Giovani“ auf Youtube weit mehr als 30 Millionen Aufrufe seit Anfang des Jahres, auf den Konzerten singt das Publikum jede Zeile mit.

Und nicht nur dort. Als in diesem Sommer tief in der toskanischen Provinz ein Dorf sein jährliches Fest feierte, wurde dort neben dem Autoscooter, dem elektronischen Hau-den-Lukas und dem ausgedehnten Büffet auch eine Karaokebühne eingerichtet. Es gab alte Schlager und neue, sie erzählten von Lebensglück und Autofahrten, die Sänger, die sich auf Barhockern niederließen und zu den Mikrofonen griffen, nahmen, was die Maschine ihnen gab.

Dann kamen zwei mittelalte Männer und sangen gemeinsam „Incoscienti Giovani“. Auf Millionen Aufrufe war das nicht berechnet, wo Achille Lauro angestrengt desolat in die Kamera blickt, schauten diese beiden gelassen auf den Bildschirm mit dem Text, kein Seufzen, kein Pathos, kein Haargel, kein Bad im Brunnen. Ja, so war das mit der Jugend, schienen sie zu denken und dass es schön ist, mittelalt zu sein und in einer toskanischen Nacht für die Nachbarn zu singen. So möchte man das Lied in Erinnerung behalten. Und mitsummen.

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