Joe Chialo: Exzellenz ist das, was übrig bleibt

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Der Berliner Kultursenator Joe Chialo erläutert die Kernbegriffe seiner Politik.

Aus der ZEIT Nr. 03/2025 Aktualisiert am 17. Januar 2025, 15:28 Uhr

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 Der Berliner Kultursenator Joe Chialo
Der Berliner Kultursenator Joe Chialo © SZ Photo

Fern der Heimat spricht es sich oft leichter als zu Hause. Der Berliner Kultursenator Joe Chialo war kürzlich in Hamburg zu Gast – und blühte auf. Von der Berliner Kulturszene, der sogenannten Blase, wird er schwer kritisiert, weil er nichts getan habe, um die krassen Kürzungen im Berliner Kulturetat (zwölf Prozent) zu verhindern oder wenigstens zu lindern. Nun war er Gast einer öffentlichen Veranstaltung der Hamburger CDU. Sein Thema: "Kultur in der Großstadt". Und siehe: Der Mann wurde gefeiert – als einer, der der Allgemeinheit etwas vom Halse schafft. Aus dem Publikum kamen Stimmen, die ihn als einen der "mutigsten Männer" Berlins, wenn nicht gar des ganzen Landes priesen – eben weil er die Kürzung des Kulturetats nicht verhindert hatte.

Chialo erkannte die Stimmung im Saal und fachte sie noch an: Eigentlich, so gibt er zu verstehen, auch wenn er es ein wenig höflicher formulierte, führe er seit seinem Berliner Amtsantritt Erziehungsgespräche mit verzogenen Unmündigen, die die Wahrheit über ihre eigene Lage nicht hören wollen – da sie von früheren Kultursenatoren verwöhnt worden seien. Auch sein, Chialos, besorgter "Wake-up-Call", dem zufolge in Berlin nichts bleiben werde, wie es war, sei von den Betroffenen überhört oder böswillig gedeutet worden. Sein direkter Vorgänger Klaus Lederer – den Chialo nicht namentlich nannte – habe Kulturpolitik gern zur Durchsetzung linker Positionen benützt, das habe oft den betreffenden Künstlern und Milieus, nicht unbedingt aber der Kunst genützt. Die sei nämlich oft irrelevant. In Chialos Worten: "Es muss auch im Verstörenden eine gewisse Exzellenz geben."

Womit wir bei Chialos Kernvokabular wären: Exzellenz und Resilienz. An diesen beiden Begriffen hing seine gesamte Rede. Was er meinte, wurde klar, als er die "Partnerschaft" zwischen der Deutschen Bank (als Sponsor) und den Berliner Philharmonikern (als Content-Lieferanten) erwähnte – "das passt doch wunderbar". Und: "Dafür wollen wir sorgen, dass diese Brücken geschlagen werden." Kurzum: Man wolle den Häusern "zu ihrer Eigenverantwortlichkeit verhelfen".

Chialo erwies sich an diesem kalten Abend in Hamburg als ungemein gewinnender Redner; er hat die Fähigkeit, mangelnde eigene Kenntnis im Bereich der Hochkultur als Vorteil zu verkaufen: Denn wer sich nicht auskennt, der ist auch nicht verstrickt. Hier spricht jedenfalls eher kein Anwalt der Künste, sondern ein freundlicher Revisor, ein bedauernder Controller: Was jetzt passiert, muss sein, tut ihm leid! Hat er sich mit seinem Berliner (Nicht)Handeln vielleicht sogar für höhere Aufgaben empfohlen? Nicht unwahrscheinlich ist jedenfalls, dass wir ihn bald auf einer anderen Bühne wiedersehen, neben Friedrich Merz – als dessen Kulturstaatsminister.

Was Exzellenz ist, hat er übrigens nicht genau beschrieben. Wir erschließen es uns aus den Worten des Berliner Kultursenators ungefähr so: Exzellenz ist das, was übrig bleibt. Und darum sollen die Betroffenen nun in hoffentlich wachsender Resilienz kämpfen.

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