Joe Biden: Was die Diagnose fortgeschrittener Prostatakrebs bedeutet

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 Krebsdiagnose mit 82 Jahren

Joe Biden: Krebsdiagnose mit 82 Jahren

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Samuel Corum / Getty Images

»Krebs berührt uns alle«, schrieb Joe Biden auf Instagram zu einem Foto, das seine Frau Jill und ihn gemeinsam mit ihrer Katze zeigte. Dem ehemaligen US-Präsidenten ist passiert, was viele Männer in seinem Alter fürchten. Erst entdeckte ein Arzt einen Knoten in der Prostata des 82-Jährigen, nachdem Biden Probleme beim Wasserlassen hatte. Dann zeigten Tests im Krankenhaus: Er ist an Prostatakrebs erkrankt, einer aggressiven Form, die bereits in die Knochen gestreut hat.

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Am Freitag erhielt Biden die Nachricht, so berichtet es sein Büro. Am Sonntag machte er sie öffentlich, und entfachte dadurch Diskussionen in den Sozialen Netzwerken. Wie konnte sein Krebs übersehen werden? Was bedeutet die Diagnose überhaupt? Und welche Therapien könnten folgen?

Hier sind Antworten auf drängende Fragen.

Was bedeutet Joe Bidens Diagnose?

Joe Biden leidet an fortgeschrittenem Prostatakrebs. Sein Tumor hat nach Angaben seines Büros den Gleason-Score 9 und ist bereits in die Knochen metastasiert. Ein Gleason-Score von 9 bedeutet, dass es sich um einen sehr aggressiv wachsenden Tumor handelt. Für den nach dem US-amerikanischen Pathologen Donald F. Gleason benannten Score bewerten Pathologen die Beschaffenheit der Zellen des Tumorgewebes.

Je undifferenzierter die Zellen sind, je weniger sie also noch dem typischen Prostata-Drüsengewebe ähneln, desto höher der Score und desto aggressiver der Tumor. Maximal kann ein Gleason-Score von 10 erreicht werden. Ein Gleason-Score von 9 und 10 entspricht dabei nach der International Society of Urological Pathology (ISUP) einem »grade 5« Prostatakarzinom. Dabei handelt es sich jedoch nicht um »Stage 5 metastatic cancer«, wie Donald Trump Jr. auf X schrieb.

Eine andere, häufig gebrauchte Tumorklassifikation ist das Staging nach dem sogenannten TNM-System, bei dem die Tumorausdehnung, der Befall der Lymphknoten und die Metastasenbildung in die Bewertung einbezogen werden. Da Biden an Knochenmetastasen leidet, wurde in einigen Medien der Verdacht geäußert, es handele sich um einen »Stage-IV«-Prostatakrebs, die am weitesten fortgeschrittene Stufe des Tumors.

Bidens Prostatakrebs ist außerdem »hormonsensitiv«, das heißt, das Wachstum des Tumors wird durch männliche Geschlechtshormone gefördert. Das macht es möglich, das Fortschreiten des Krebses durch eine Blockade der männlichen Geschlechtshormone auch in einem fortgeschrittenen Stadium noch zu verlangsamen, das Risiko für Komplikationen zu verringern und die Lebensqualität zu verbessern.

Wie ist es möglich, dass der Prostatakrebs bei Biden erst so spät erkannt wurde?

Es ist denkbar, dass der Krebs trotz guter ärztlicher Betreuung übersehen wurde. Prostatakarzinome lassen sich in der Regel mithilfe eines Bluttests, des PSA-Tests früh diagnostizieren. Dieser schlägt Alarm, wenn im Blut große Mengen eines von der Prostata produzierten Eiweißes zirkulieren. Ein hoher PSA-Wert kann auf einen Tumor hinweisen, bietet aber keine hundertprozentige Sicherheit.

Manche Männer entwickeln auch Tumoren, ohne dass der PSA-Wert stark ansteigt. Dies kann auch bei aggressiven, wenig differenzierten Tumoren mit einem hohen Gleason-Score wie bei Joe Biden passieren, da sie mitunter kein oder nur wenig PSA produzieren. Hinzu kommt, dass PSA-Tests im hohen Alter nicht mehr grundsätzlich empfohlen werden, da sie mehr schaden als nutzen können.

Bei vielen Patienten wachsen Prostatakarzinome nur langsam. Ein bedeutender Teil der Betroffenen und insbesondere der älteren Patienten stirbt aus diesem Grund mit und nicht an dem Karzinom. Um sie vor unnötigen Therapien zu schützen, soll eine Früherkennung in Deutschland laut den neuen Leitlinien nur noch mit einer Lebenserwartung von mindestens zehn Jahren empfohlen werden. Das hat umgekehrt jedoch auch zur Folge, dass aggressive Tumoren in einigen Fällen übersehen werden können.

An welchen Symptomen erkennt man metastasierten Prostatakrebs?

Im Frühstadium verursacht Prostatakrebs in der Regel keine Beschwerden. Im fortgeschrittenen Stadium können, so wie bei Joe Biden, zum Beispiel Harnwegsbeschwerden auf Prostatakrebs hindeuten, etwa Probleme beim Wasserlassen oder häufiges Wasserlassen.

Außerdem können Schmerzen in den Knochen, etwa im Rücken oder Becken, sowie Blut im Urin oder in der Samenflüssigkeit auftreten. Probleme beim Wasserlassen und häufiges Wasserlassen können jedoch auch typische Symptome einer gutartigen Prostatavergrößerung sein.

Wie wird metastasierter Prostatakrebs therapiert?

Eine Heilung ist bei metastasiertem Prostatakrebs nicht mehr möglich, aber trotzdem kann dieser Krebs therapiert werden. Ist der Tumor wie bei Joe Biden hormonempfindlich, wird also sein Wachstum durch männliche Geschlechtshormone gefördert, wird in der Behandlungsleitlinie  vor allem eine »Androgendeprivation« empfohlen. Das ist eine Therapie, die durch Spritzen oder Tabletten die Bildung der männlichen Geschlechtshormone hemmt. Die Behandlung wirkt sich auch auf die Metastasen aus.

Das kann das Risiko für typische Komplikationen eines metastasierten Prostatakarzinoms senken, etwa Knochenbrüche, starke Schmerzen oder eine Rückenmarkskompression durch die Metastasen. Patienten in gutem Allgemeinzustand wird eine Kombination dieser Therapie mit weiteren neueren Medikamenten, die die Wirkung der männlichen Geschlechtshormone blockieren, und mit einer Chemotherapie empfohlen. Grundsätzlich gibt es bei metastasiertem Prostatakrebs auch noch weitere Therapiemöglichkeiten, etwa eine Strahlen- oder Radionuklidtherapie.

Was sind mögliche Nebenwirkungen der Hormonentzugstherapie?

Bei einer Hormonentzugstherapie wird nicht nur dem Tumor, sondern dem kompletten Körper das Testosteron entzogen. Die fehlenden Hormone verändern den Körper der Männer. »Eine Hormontherapie schränkt nicht nur die körperliche Leistungsfähigkeit ein, sondern kann auch zu einem Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit führen«, sagt Marc-Oliver Grimm, Direktor der Urologischen Klinik und Poliklinik am Universitätsklinikum Jena.

Bei einer Untersuchung habe man Männern mit Prostatakrebs immer wieder den gleichen Test vorgelegt, berichtet der Urologe. »Die Männer ohne Hormonentzug sind besser geworden, sie haben gelernt. Die Männer mit Hormonentzug hingegen haben sich über die Zeit nicht verbessert.«

Weiterhin zählen etwa Hitzewallungen, ein Abbau der Muskelmasse und fehlende Libido zu den häufigen Nebenwirkungen. Trotz dieser Risiken ist das Ziel der Therapie, die Lebensqualität so gut wie möglich zu erhalten. Bewegung kann dabei helfen, viele der potenziellen Nebenwirkungen zu lindern.

Wie hoch ist die Lebenserwartung bei metastasiertem Prostatakarzinom?

Hat Prostatakrebs die Knochen erreicht, lässt er sich zwar in der Regel nicht mehr heilen, dank der modernen Therapien aber bremsen. »Männer mit einer so weit fortgeschrittenen Erkrankung können heute im Mittel fünf bis sieben Jahre lang überleben«, sagt Grimm. »Es ist aber wichtig, zu bedenken, dass es sich dabei nur um einen Mittelwert handelt. Rund die Hälfte der Patienten lebt länger, die Hälfte stirbt aber auch früher.«

Mit einem Gleason-Score von neun leidet Biden unter einer besonders aggressiven Form des Prostatakrebses. »Auch diese Erkrankungen lassen sich mit einer Hormontherapie eine ganze Zeit lang in den Griff bekommen«, so Grimm. »Die Lebenserwartung liegt bei den Betroffenen aber eher unterhalb der fünf bis sieben Jahre.«

In Deutschland lag die Zahl der Neuerkrankungen an Prostatakrebs laut Zentrum für Krebsregisterdaten des Robert Koch-Instituts im Jahr 2022 bei knapp 75.000 Fällen. Mehr als 15.000 Männer starben 2023 an dieser Krebsart. Etwa zwei Drittel der Tumoren werden in einem frühen Stadium diagnostiziert, die 5-Jahres-Überlebensrate liegt insgesamt bei 91 Prozent.

Selbst wenn sich der Krebs bereits über die regionalen Lymphknoten ausgebreitet hat, leben mehr als 90 Prozent der Patienten noch zehn Jahre oder länger. Anders sieht es allerdings bei Fernmetastasen, etwa in den Knochen aus. Einer Studie der US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention zufolge  sinkt dann die 5-Jahres-Überlebensrate auf etwa 30 Prozent, nach 10 Jahren lebt nur noch etwa jeder fünfte Patient. Eine Analyse des US-Krebsregisters SEER  ergab, dass mehr als die Hälfte der Patienten innerhalb von zwei Jahren nach der Diagnose eines metastasierten Prostatakarzinoms starb.

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