Inter Mailand nach 4:3 über FC Barcelona im Champions-League-Finale

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Francisco Acerbi rettete Inter Mailand in der Nachspielzeit in der Verlängerung, nun stehen die Italiener im Champions-League-Finale

Francisco Acerbi rettete Inter Mailand in der Nachspielzeit in der Verlängerung, nun stehen die Italiener im Champions-League-Finale

Foto: Daniele Mascolo / REUTERS

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Der unwahrscheinlichste Held: Inter Mailand schien erledigt. Gerade hatte Barcelona das 3:2 erzielt, die Gäste aus Katalonien hatten ein 0:2 umgebogen, Torschütze Raphinha mit seinem 13. Saisontor bei acht Vorlagen einen Rekord Cristiano Ronaldos eingestellt, was Torbeteiligungen in der Champions League anbetrifft. Doch die Geschichte dieses Abends schrieb nicht Raphinha, auch nicht sein Sturmpartner Lamine Yamal, der Star des Hinspiels. Sondern ein 37 Jahre alter Innenverteidiger, bärtig, tätowiert, und vieles, aber kein Superstar. Francesco Acerbi war für Inter Mailand mit nach vorne geeilt, ein Abwehrmann alter Schule. Und ein Kämpfer, der 2013 zweimal die Diagnose Hodenkrebs erhielt und die Krankheit besiegte. Eben dieser Acerbi tauchte in der Nachspielzeit im Barça-Strafraum auf, bekam den Ball vom rechten Flügel in den Fuß gespielt – und traf zum 3:3, das Inter in die Verlängerung schickte. San Siro stand nicht, San Siro tanzte. Und die Gelbe Karte für das ausgezogene Trikot war Acerbi so egal wie nur was.

Das Ergebnis: 4:3 (2:0, 3:3) nach Verlängerung gewinnt Inter ein atemloses Duell mit dem FC Barcelona, nach dem Remis aus dem Hinspiel stehen die Nerazzurri als erster Finalist fest. Das Aufeinandertreffen der beiden europäischen Giganten geht als torreichstes Halbfinale in die Geschichte der Champions League ein.

Höchste Ansprüche: Die Vorfreude auf das Duell Barça gegen Inter war riesig. In Barcelona, wo die Fans ihren Hans-Dieter Flick und sein charakterstarkes Künstlerkollektiv lieben gelernt haben. In Mailand, dieser Fußballstadt, die mal wieder Zehntausende Fans ins altehrwürdige Giuseppe-Meazza-Stadion pilgern sah – bereit, 120 Minuten lang vor allem laut zu sein. Und in ganz Europa. Weil es ein Halbfinale in der Champions League war, klar. Aber auch, weil beide Klubs mit ihrem fantastischen 3:3 im Hinspiel einen neuen Standard für Fußball-Spektakel definiert hatten. Die Messlatte für das Rückspiel, sie lag unermesslich hoch. Diese Partie sollte sie übertreffen.

Muskelspiele: Dass der Vergleich Mailand gegen Barcelona zu einem solchen Ereignis wurde, hat mit den Unterschieden der beiden Teams zu tun: Auf der einen Seite Barça, Klub von Johan Cruyff und Pep Guardiola, ein Mekka des Ballbesitzfußballs. Unter Flick haben die Katalanen sich eine hoch stehende Abwehrkette angewöhnt. Das kann ein Risiko sein, gerade gegen Inter. Simone Inzaghis Team stibitzt etliche Bälle, kommt aus der Defensive innerhalb von Sekunden in den Angriff. Und kaufte den Katalanen vor der Pause den Schneid ab: Immer wieder gingen Zweikämpfe an Blau-Schwarz, die Feingeister um Lamine Yamal und Pedri zerschellten oft an Inters Härte. Schließlich war es Federico Dimarcos Ballgewinn gegen Dani Olmo, der Denzel Dumfries und Lautaro Martínez gemeinsam auf Wojciech Szczęsnys Tor zulaufen ließ – und der Inter-Kapitän versenkte den Ball (21. Minute).

Inter-Kapitän Lautaro Martínez

Inter-Kapitän Lautaro Martínez

Foto: Marco Bertorello / AFP

Alt schlägt jung: Barça suchte oft Yamal auf dem rechten Flügel, der mit seinem Passrepertoire die Kollegen in Szene setzte. Zumindest diejenigen, die mittun konnten: Stammstürmer Robert Lewandowski saß nur auf der Bank, Oberschenkelprobleme bremsten den 36-Jährigen seit Wochen aus. Auf dem Platz übernahm das Ausbremsen Inters Abwehr-Oldie Francisco Acerbi, 37 Jahre, der die Mailänder Defensive dirigierte. Barça verteidigte weniger souverän: Schiedsrichter Simon Marciniak bekam nach einer Grätsche Pau Cubarsís einen Hinweis vom VAR. Der Barça-Verteidiger, halb so alt wie Acerbi, hatte Martínez am Fuß getroffen. Den fälligen Strafstoß versenkte Hakan Çalhanoğlu links unten (45.+1). 2:0 für Inter, so stand es bereits im Hinspiel – damals war das ein Weckruf für den FC Barcelona.

Ein bisschen Remontada: Und tatsächlich, Geschichte wiederholte sich. Nach dem Seitenwechsel schnürte Flicks Mannschaft die Gastgeber in deren eigener Hälfte ein. Und feierte einen unwahrscheinlichen Helden: Eric Garcías eingesprungener Volley (54.), Olmos Kopfball zum 2:2 (60.), beides leitete Gerard Martín mit seinen Flanken ein. Wo manch La-Masia-Produkt schon als Baby von Lionel Messi gebadet wurde, spielte Linksverteidiger Martín mit 21 Jahren noch drittklassig bei der kleinen UE Cornellà, Barça verpflichtete ihn eigentlich für die zweite Mannschaft. Zwei Jahre später nun der Vorlagen-Doppelpack in der Königsklasse, in einem Halbfinal-Drama, das seinen letzten Akt noch lange nicht gesehen hatte.

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Es wird wieder richtig Sommer: In dieser Phase hätte die Partie auch komplett kippen können. Dass sie das nicht tat, lag auch an Yann Sommer. Der Schweizer im Inter-Tor vereitelte mit einer Weltklasse-Parade einen bis dahin perfekt ausgespielten Barça-Konter (57.), bekam an jeden noch so anspruchsvollen Yamal-Schlenzer seine Fingerspitzen (77.), hielt auch in der Verlängerung bärenstark gegen das katalanische Supertalent (114.). »Es sind mir direkt nach dem Schlusspfiff die Tränen gekommen«, sagte Sommer, nachdem er als »Man of the Match« ausgezeichnet wurde. »Ich bin 36 Jahre alt, ich bin nicht mehr der Jüngste, und ich darf jetzt mit dieser Mannschaft ein Champions-League-Finale spielen. Ich könnte nicht glücklicher sein.«

Bayern-Killer, Barça-Killer: Der Schlussmoment gebührte schließlich jemandem, der sich als später Torschütze allmählich einen Namen macht: Einwechselspieler Davide Frattesi vollendete einen Inter-Angriff, den Marcus Thuram per Dribbling und Mehdi Taremi mit einer klugen Ablage vorbereitet hatten (99.). Danach gab es kein Halten mehr, Frattesi kletterte auf den Zaun, jubelte mit den Fans, allesamt nass bis auf die Knochen im Starkregen von Mailand.

 Inters letzter Held an diesem Abend

Davide Frattesi: Inters letzter Held an diesem Abend

Foto: Marco Bertorello / AFP

Tor zum 4:3 im San Siro, Tor zum 2:1 im Hinspiel gegen die Bayern in der 88. Minute: In der K.-o.-Runde der Champions League ist Frattesi für Inter der Vollstrecker zur rechten Zeit. Nun kehrt sein Team in die Allianz-Arena zurück, trifft am 31. Mai in München entweder auf Paris Saint-Germain oder den FC Arsenal, die am Mittwoch das zweite Halbfinal-Rückspiel austragen (21 Uhr, Stream: DAZN).

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