„Hätte so auch Christian Lindner vorlegen können“: Bundestag streitet über Klingbeils Steuerreform

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Erst am Mittwoch hat Lars Klingbeils „Wachstums-Booster“ das Bundeskabinett passiert. Bereits am Donnerstag diskutieren auf der Ministerpräsidentenkonferenz dann die Länderchefs darüber – vor allem über die Folgen daraus. Die Bundesländer fordern einen Ausgleich für dadurch entstehende milliardenschwere Steuerausfälle.

Am selben Tag wurde das steuerliche Investitionssofortprogramm des Finanzministers zudem erstmals im Deutschen Bundestag beraten. Aus den Regierungsfraktionen erhält der Vizekanzler erwartungsgemäß lobende Worte. Die Opposition kritisiert den Gesetzesentwurf dagegen mit teils scharfen Worten. Die Rede ist von „ideologischer Geldverbrennung“ (AfD), „Genickbruch“ (Grüne) sowie „verantwortungsloser Trödelei“ (Linke). Auszüge aus einer aufgeladenen Debatte.

Den Anfang machte Klingbeil selbst. Sein Gesetz sende das klare Signal: „Wir wollen Deutschland wieder auf Wachstumskurs bringen“, sagte der SPD-Vorsitzende. In seiner fünfminütigen Rede referierte er dann erneut die Kernmaßnahmen des Steuerpakets, darunter: die Super-Abschreibungen auf Investitionen, die Senkung der Körperschaftsteuer ab 2028 sowie die zusätzliche Förderung der E-Mobilität. Rund zwei Drittel der dadurch entstehenden Steuerausfälle treffen Länder und Kommunen. Auf Kritik daran sowie deren Forderungen nach Ausgleichszahlungen ging Klingbeil im Bundestag nicht explizit ein.

Sie legen die Axt an die Daseinsvorsorge vor Ort.

Andreas Audretsch, Grüne

Stattdessen sprach er auch über den 500-Milliarden-Euro-Topf für die Infrastruktur. Am Mittwoch war auch dieser Gesetzesentwurf durchgesickert. „Mit dem Sondervermögen stoßen wir die größte Modernisierung des Landes seit Jahrzehnten an“. Ein entsprechendes Gesetz soll Ende Juni das Kabinett passieren. Zudem kündigte er ein härteres Vorgehen gegen Finanzkriminalität an. Noch vor der Sommerpause wolle er ein erstes Gesetzespaket vorlegen.

AfD für frühere Senkung der Körperschaftsteuer

Die AfD durfte als größte Oppositionsfraktion als Erstes darauf reagieren. Christian Douglas, Mitglied des Finanzausschusses, arbeitete sich zunächst an der Ampel ab, die Deutschland in die schlechte Wirtschaftslage gebracht habe. Erst später sprach der AfD-Politiker zum eigentlichen Gesetzesentwurf und fasste ihn so zusammen: „Große Versprechungen für die Zukunft, aber keine sofortigen Änderungen“. Unter anderem kritisierte Douglas, dass die Senkung der Körperschaftsteuer erst 2028 erfolgen soll sowie die steuerliche Förderung der E-Mobilität insgesamt. Klingbeils steuerliches Investitionssofortprogramm bezeichnete er als „ideologische Geldverbrennung“.

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, Matthias Middelberg, sieht das erwartungsgemäß anders. „Das ist ein erster und wichtiger Schritt, um die Standortprobleme anzugehen“, sagte der Haushaltsexperte. Erste Investitionsanreize würden schon in der zweiten Jahreshälfte kommen. „Wir handeln jetzt sehr schnell.“ Die Kritik von AfD-Mann Douglas, die Unternehmenssteuersenkung erfolge zu spät, wies Middelberg zurück. Schließlich würden Firmen langfristig planen.

Anders als Klingbeil ging der CDU-Politiker zudem auf die Kritik der Länder ein. Zwar räumte er ein, dass die Kommunen durch das Gesetz „hart getroffen werden“. Dann verwies Middelberg, wie auch Klingbeil tags zuvor, auf das Sondervermögen für die Infrastruktur. Daraus ergäben sich Wachstumseffekte für die Länder, während der Bund allein die Zinslast trage. „Länder und Kommunen sind Netto-Profiteure“, so der CDU-Politiker: „Wir schaffen einen gewaltigen Ausgleich zugunsten der Länder und Kommunen“.

Grüne sehen gravierende Folgen für Kommunen

Die Grünen überzeugte das erneut nicht. Ihr stellvertretender Fraktionsvorsitzender Andreas Audretsch verwies auf die rund 46 Milliarden Euro Mindereinnahmen, die das Gesetz für Bund, Länder und Kommunen bedeute. Schon heute steht in den Gemeinden ein Defizit von 24,8 Milliarden Euro zu Buche. Bis 2029 kämen durch Klingbeils Gesetz noch einmal über elf Milliarden dazu. „Dieses Gesetz würde unseren Städten und Kommunen das Genick brechen“, sagte Audretsch am Donnerstag wie schon Parteichefin Franziska Brantner zu Wochenbeginn. „Sie legen die Axt an die Daseinsvorsorge vor Ort“.

Andreas Audretsch (Grüne) fürchtet, dass sich die finanzielle Schieflage der Kommunen durch Klingbeils Steuerreform weiter vergrößert.

© dpa/Britta Pedersen

Wie AfD-Mann Douglas kritisierte auch Audretsch explizit die von Klingbeil geplante Senkung der Körperschaftsteuer – allerdings nicht, weil sie zu spät käme. Stattdessen bezweifelte der Grünen-Politiker, dass als Folge daraus mehr investiert würde. „Ein großer Teil wird direkt über Dividendenausschüttungen an die Anteilseigner gehen“, sagte Audretsch. „Dieses Gesetz hätte so auch Christian Lindner vorlegen können.“ Die Hoffnung, dass daraus Wachstum entstehe, sei eine gefährliche Wette.

Audretschs Kritik an den finanziellen Folgen des Gesetzesentwurfs für Länder und Kommunen wurde anschließend auch von den Linken verstärkt. „Denen steht das Wasser bis zum Hals“, sagte Christian Görke, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer und finanzpolitischer Sprecher der Linken im Bundestag.

Zudem warf der Linken-Politiker Klingbeil „verantwortungslose Trödelei“ vor, weil er immer noch keinen Haushalt für 2025 vorgelegt habe. „Dieser ,Investitionsermöglichungsminister’ ist mit diesem verschleppten Haushalt die größte Blockade für Investitionen“, sagte Görke.

Diese Aufgabe hat Klingbeil allerdings von der Vorgängerregierung geerbt, die im November zerbrochen ist. Aktuell gilt weiter die vorläufige Haushaltsführung. Der Vizekanzler will noch vor der Sommerpause einen Haushalt für das laufende sowie Eckwerte für den des kommenden Jahres vorlegen.

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