Gwyneth Paltrows Marke Goop: Wellness als Steigbügelhalter der neuen Rechten

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Die Goop-Welt muss man sich pastellfarben vorstellen, gepolstert und gepampert gegen eine unfreundliche Umgebung, die Innenwelt hat Vorrang vor den harschen Forderungen der Außenwelt. Das ist auch jetzt noch so, siebzehn Jahre nach Gründung der Wellnessmarke und in der zweiten Präsidentschaft von Donald Trump, dem 53 Prozent der weißen Frauen ins Amt geholfen haben.

Goop und seine Gründerin Gwyneth Paltrow waren für viele Menschen jahrelang vor allem zum Lachen: Unvergessen sind die angeblich nach (Paltrows) Vagina duftende Kerze oder die berühmten Jade-Eier zum Einführen. Doch Vibratoren und Sex-Gimmicks werden auch anderswo verkauft, inzwischen in der Drogerie. Das wäre belanglos, hätte Goop nicht massiv zur heutigen Wellnesskultur beigetragen, die nicht nur hyperindividualistisch, sondern zunehmend auch wissenschaftsfeindlich sei, so befindet es zumindest Amy Odell, die gerade ein Buch über die Schauspielerin geschrieben hat.

„Do your own research“

Goop habe der MAHA-Bewegung mit den Boden bereitet, sagte auch die Gynäkologin und langjährige Paltrow-Kritikerin Jen Gunter kürzlich in einem Interview. MAHA steht für „Make America Healthy Again“ – ein Trend nicht nur auf Social Media, der das ideologische Vorfeld für die Politik von Trumps Gesundheitsminister Robert F. Kennedy junior bildet.

Paltrow gab jüngst zu Protokoll, MAHA fasziniere sie sehr. Tatsächlich propagierte die Schauspielerin schon vor Jahren, was rechte Influencerinnen heute ihren Followern ans Herz legen: „Do your own research“, forsche selbst nach, verlass dich nicht auf die Informationen von Ärzten und Pharmaindustrie. Ärzte sagten Frauen schließlich nicht, dass Bügel-BHs Brustkrebs verursachten, aber Goops Magazin tat das. Kennedy wiederum legte den Spruch jüngst Eltern nahe, die darüber nachdächten, ihre Kinder impfen zu lassen.

„MAHA“-Influencerinnen werben etwa für weniger Zusatzstoffe im Essen, aber auch für die Abschaffung von Vorsorgeuntersuchungen. Einen der erfolgreichsten Accounts betreibt Alex Clark, die für Charlie Kirks rechtskonservative Organisation „Turning Point USA“ arbeitet. Clark propagiert das Trinken von Rohmilch ebenso wie die These, dass Mammographien krank machen.

Krankes Gesundheitssystem

Die Suche nach alternativen Ansätzen boomt auch deswegen, weil sie an reale Missstände anknüpft: Das amerikanische Gesundheitssystem lässt viele Menschen im Stich, ist teuer und ungerecht, und besonders Frauen und alle, die nicht weiß sind, müssen oft um eine angemessene Behandlung kämpfen – gleichzeitig werden Forschungsgelder in Milliardenhöhe gestrichen. Die Lösung suchen MAHA-Influencerinnen aber nie in politischem Handeln für alle Betroffenen, sondern in Mythen.

Zusammen mit der vermeintlichen Natürlichkeit und dem „Em­powerment“ predigen diese Influencerinnen auch ein traditionelles Ehe- und Familienideal. Eine der Fixierungen, die männliche wie weibliche Netz-Propagandisten seit geraumer Zeit teilen, ist die Panik vorm angeblich schrumpfenden Testosteronspiegel von Männern. Diese „moral panic“ fügt sich in den Diskurs der Instagramerinnen auf der Suche nach unbelasteten Nahrungsmitteln ebenso ein wie in den Biohacking-Hype, der viele rechte Männer ergriffen hat. Der ehemalige Fox-Moderator Tucker Carlson pries schon vor einigen Jahren „testicle tanning“, das Bestrahlen der männlichen Geschlechtsteile, als Gegenmittel an.

Paltrows Goop nimmt sich da wie ein Vorgänger aus. Die vaginalen Dampfbäder und rektalen Ozon-Therapien mit dem Filmstar-Gütesiegel sorgten mit dafür, dass „Wellness“ zu einem Amalgam aus Hyperindividualismus und Wissenschaftsfeindlichkeit wurde – ideale Vorarbeit für den Verschwörungsphantasten im Gesundheitsministerium.

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