Glosse: Das Streiflicht

vor 1 Tag 1

(SZ) Wer den ehrenwerten Beruf des Zöllners anstrebt, möge zur Motivation beispielsweise die „Bekanntmachungen betreffend elektronische ausgestellte Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 und EUR-MED gemäß Absatz 1 Buchstabe d der Empfehlung Nr. 1/2023“ lesen, aber um Himmels willen nicht die Bibel. Zu Jesu Zeiten galten Zöllner als Geldeintreiber, ja Kollaborateure der römischen Besatzungsmacht, was ihnen im Neuen Testament einen Platz in den Reihen sündhafter Gestalten einbrachte, neben Huren, Heiden, Fressern und Weinsäufern. Gottlob hatte Jesus stets ein Faible für die Geächteten, was er Hohepriester und Älteste spüren ließ: „Zöllner und Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr.“ Zolleintreiber war damals auch ein gewisser Matthäus, bis er umsattelte und als Apostel weitermachte. Unterm Strich darf man sagen: Zöllner war in der Antike nicht gerade ein Traumberuf. Wer etwas werden wollte, sah sich besser nach einer Stelle als Kaiser, Gladiator oder Epikureer um.

Und heute? Tja, es fällt schwer, beim Wort „Zöllner“ nicht sogleich an Trump zu denken, den größten Geldeintreiber aller Zeiten, der beinahe täglich einen neuen und meist gewaltigeren Zollhammer auspackt. Es muss eine Lust sein, für die US-amerikanische Zollbehörde zu arbeiten, denn kein Tag ist wie der andere. Mal betragen die Zölle auf chinesische Waren 145 Prozent, dann wieder 30 Prozent, mal müssen die US-Beamten zehnprozentige Zölle bei Robben und Pinguinen auf antarktischen Inseln kassieren, eine interessante, wenngleich frostige Dienstreise; dann das Hin und Her mit der zur Ausbeutung der USA gegründeten Europäischen Union, deren Stahl- und Aluminiumproduzenten man mal 25, mal aber auch 50 Prozent abknöpfen darf. Und wie herzerfrischend ist es, Einreisende am Flughafen in der Manier eines Wildwest-Sheriffs in die Mangel zu nehmen. Selbst verschwörungstheoretisch gebildete deutsche Querdenker, mit denen es Trump eigentlich gut meint, trifft der Zollhammer: Auch für den Aluhut sind 50 Prozent fällig.

Der US-Zöllner ist der Mann der Stunde, ohne ihn wäre Trump womöglich zur Vernunft gezwungen. Aber auch seine deutschen Kolleginnen und Kollegen verdienen Respekt, bringen sie doch Schmuggler zur Strecke, Geldwäscher, Waffen- und Drogenhändler. Zudem sollen sie die Grenzpolizei unterstützen, die Überstunden schieben muss, um Asylsuchende zurückzuweisen. Innenminister Dobrindt will das so, ein Mann, der Gerichtsentscheide fast ebenso lässig ignoriert wie Trump. Früher, als die Fahrt in den Urlaub stets Grenzkontrollen mit sich brachte, war der Zöllner ein Glücksbote. Seine Gegenwart verhieß: Bald sind wir am Strand, bald rauscht das Meer. Bei der Rückkehr sah man ihn weniger gern. Es lagen ja auch zehn Stangen Gauloises und fünf Kisten Wein im Kofferraum.

Gesamten Artikel lesen