In ihrem Buch "Glockengasse 29" erzählt die jüdische Autorin Vilma Neuwirth, wie ihre Wiener Nachbarn 1938 über Nacht zu Nazis wurden. Nun wird es neu aufgelegt – wegen seiner aktuellen Relevanz.
Das Haus in der Glockengasse 29 im Zweiten Wiener Gemeindebezirk ist heute ein schmuckloser, um nicht zu sagen: hässlicher Zweckbau mit schmutzig-gelbbrauner Fassade. Über eine Tür, die ins Souterrain führt, haben sich Graffiti-Sprayer hergemacht und unbeholfen "Bussi, Bussi" draufgeschmiert. Früher, in der Zwischenkriegszeit und auch noch während des NS-Regimes, stand hier einmal eines der typischen Mietzinshäuser aus der Gründerzeit, von denen es so viele gibt in der Leopoldstadt, heruntergekommen war es schon damals. Obwohl der Antisemitismus im Österreich dieser Jahre sehr ausgeprägt war, lebten jüdische und nichtjüdische Parteien aus dem Kleinbürgertum hier recht friedlich zusammen. Bis zum 12. März 1938.