Jetzt mit blanken Fäusten: Stephen Colbert nimmt in der „Late Show“ Trump und CBS auseinander

vor 13 Stunden 2

„The gloves are off“, sagt Stephen Colbert am Montagabend in seiner „Late Show“ auf dem amerikanischen Sender CBS. Die Handschuhe sind ausgezogen, heißt das, jetzt kommen die harten Schläge – gegen den US-Präsidenten Donald Trump, der das Ende der „Late Show“ bejubelte, und gegen den Sender, der Colbert den Laufpass gibt. CBS habe seine Show getötet, sagt er, „aber sie haben einen Fehler gemacht: Sie haben mich am Leben gelassen.“ Jubel brandet im Ed Sullivan Theatre in New York auf, in dem die Show aufgenommen wird. Im Publikum sitzen Colberts Late-Night-Satirekollegen John Oliver, Jimmy Fallon, Seth Meyers und Jon Stewart, denen bei ihren Sendern vielleicht das gleiche Schicksal droht.

„An diesem Kreuz ist nur Platz für einen“

Wobei Colbert den Platz des Märtyrers, wie er in seinem furiosen Einstiegsmonolog am Montagabend sagt, vorerst für sich beansprucht. Sein Kollege Jimmy Kimmel, hatte Donald Trump gemeint, sei der Nächste auf der Abschussliste. Dreimal nein, sagt Stephen Colbert, Richtung Jimmy Kimmel. „Ich bin der Märtyrer, okay? An diesem Kreuz ist nur Platz für einen, und ich muss Ihnen sagen, die Aussicht von hier oben ist phantastisch. Ich kann Ihr Haus sehen.“

Auf welchem intellektuellen und sprachlichen Niveau sich Donald Trump bewegt, demonstriert Colbert mit seiner Drei-Worte-Replik auf Trumps Einschätzung, er sei ein minderbegabter Satiriker. „Wie können Sie es wagen, Sir?“, sagt Colbert. „Wäre ein ‚unbegabter‘ Mann in der Lage, den folgenden satirischen Witz zu verfassen? Go fuck yourself.“ In dem Augenblick erscheint der „Late Show Moderator“ in einem goldenen Rahmen, aufgenommen von der speziellen „Eloquenz-Kamera“.

Bildchen mit Trumps Signatur

Dass seine frühere Bekanntschaft mit dem Sexualstraftäter Jeffrey Epstein für Trump noch unangenehm werden könnte, reibt Colbert dem Präsidenten auch unter die Nase. Der Beweis, dass Trumps Verteidigung gegen den Vorhalt des „Wall Street Journal“, er habe Epstein dereinst eine Grußkarte zum Geburtstag mit einem angedeuteten Frauenkörper gekritzelt, er habe noch nie gezeichnet, Nonsens darstellt, ist schnell erbracht: Colbert zeigt schnell ein paar hingestrichene Bildchen, die Trumps Si­gnatur tragen.

Die Handschuhe hat Colbert also beiseitegelegt, nun geht es in den Infight, über zehn Runden beziehungsweise zehn Monate bis zum Schlussgong, wobei wir befürchten, dass CBS den früher schlägt, wenn Colbert so weitermacht. Am Montag legt er zunächst noch einmal dar, wie fadenscheinig die Begründung des Senders ist, seine Show einzustellen. Ein Minus von angeblich 40 oder 50 Millionen Dollar habe die „Late Show“ erwirtschaftet, ließ CBS am Wochenende durchsickern. 40 Millionen? 24 Millionen Dollar Miese könne er sich ja vorstellen, sagt Colbert, aber was habe der Sender wohl mit den anderen 16 Millionen gemacht?

16 Millionen Dollar hat die CBS-Muttergesellschaft Paramount Donald Trump gezahlt, um einen Prozess um ein Interview mit der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris beizulegen, von dem Experten meinen, dass CBS ihn nie und nimmer verloren hätte. Insgesamt, sagte Trump, sei der Deal mit Paramount das Doppelte wert. Paramount, das mit Skydance Media fusionieren will, soll versprochen haben, dass CBS für Trump und seine politischen Ziele werbe.

Dass zu diesem Deal, den Stephen Colbert eine „fette Bestechung“ nannte, gehören könnte, die „Late Show“ abzusetzen, dafür verdichten sich die Anzeichen immer mehr. Denn CBS kündigte Colbert, drei Tage nachdem er Witze über den Paramount-Deal mit Trump gemacht hatte und zwei Tage nachdem sich David Ellison, der Vorstandschef von Skydance und wohl künftige Oberboss von CBS, mit Brendan Carr getroffen hatte, dem Chef der Medienaufsichtsbehörde FCC, von dessen Plazet die acht Milliarden Dollar schwere Übernahme von Paramount durch Skydance abhängt.

Donald Trump hat noch nie gezeichnet? Die „Late Show“ kündet vom Gegenteil.Donald Trump hat noch nie gezeichnet? Die „Late Show“ kündet vom Gegenteil.Youtube/The Late Show with Stephen Colbert

Ob es da einen „geheimen Nebendeal“ gebe, wollen nun die demokratischen Senatoren Elizabeth Warren, Bernie Sanders und Ron Wyden von dem Skydance-Chef David Ellison wissen. Und ob er oder andere Spitzenleute von Skydance an der Absetzung der „Late Show“ von Stephen Colbert beteiligt waren. Ellison solle offenlegen, ob er die Fusion mit Trump be- und versprochen habe, „auf Wunsch der Regierung Trump die Inhalte von Skydance, Paramount oder CBS“ zu verändern.

„Ich kümmere mich nicht um ihn. Er hat nicht die Fähigkeiten, Präsident zu sein“, sagt Stephen Colbert in seiner Show, er passe nicht zu der Aufgabe, „das ist alles.“ Donald Trump indes hat sich augenscheinlich um Colbert gekümmert, so wie er sich mit einem Kritiker nach dem anderen befasst – er schaltet sie aus beziehungsweise lässt sie ausschalten. „Sticks and stones may break our bones but presidential turds can never hurt us“, heißt es auf dem Instagram-Account der „Late Show“: „Stöcke und Steine können uns die Knochen brechen, aber der Scheiß des Präsidenten kann uns niemals etwas anhaben.“ Für den kritischen und unabhängigen Geist von Stephen Colbert und seiner Truppe mag das stimmen, für ihren Sender gilt das nicht. CBS bringt nicht nur Colbert zum Verstummen, der Sender räumt mit dem vergifteten Lob, der Moderator sei „unersetzlich“, die „Late Show“, die Colberts Vorgänger David Letterman zu einer Institution machte, ein für alle Mal ab.

Er glaube, sagt Jon Stewart in seiner „Daily Show“ auf dem Sender Comedy Central, dass CBS aus „Angst und vorauseilendem Gehorsam“ klein beigebe, wie man es zurzeit bei vielen amerikanischen Institutionen sehe. Dabei verdanke CBS seinen Wert und die Wertschätzung des Publikums einer Sendung wie der von Stephen Colbert. Es sei dies nicht der Zeitpunkt, einzuknicken. „Ich ziehe nicht zurück und verschwinde nirgends hin“, sagt Stewart und schiebt ein „glaube ich“ nach. Glaube ich? Sein Sender Comedy Central gehört zu Paramount.

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