Geldanlage Global: US-Wahl 2024: Diese politischen Felder sollten Anleger im Blick haben

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US-Wahl 2024: Diese politischen Felder sollten Anleger im Blick haben

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Das knappe Rennen zwischen Trump und Harris sowie unklare Mehrheiten im US-Kongress sorgen für Spannung. Doch auch an anderer Stelle müssen Anleger genau hinsehen.

Rund vier Wochen vor den US-Wahlen verspricht der Präsidentschaftswahlkampf, bis zur letzten Minute spannend zu bleiben: Die Abstände in den Meinungsumfragen sind in den wichtigen Swing States denkbar knapp. Der Online-Prognosemarkt Polymarket sieht aktuell die Wahrscheinlichkeit für einen Wahlsieg von Donald Trump bei 51 Prozent gegenüber 48 Prozent für Kamala Harris. Die Plattform PredictIt wiederum misst Harris eine Chance von 53 Prozent und Trump von 50 Prozent bei. Doch die Prognosemärkte bleiben volatil.

In den beiden Kammern des US-Kongresses ist der Ausgang des Rennens möglicherweise voraussehbarer. Die Republikaner scheinen mit hoher Wahrscheinlichkeit die Kontrolle im Senat zu erlangen, während die Demokraten höhere Chancen auf eine Mehrheit im Repräsentantenhaus haben. Das ist insofern bedeutsam, als ein gespaltener Kongress den legislativen Handlungsspielraum des künftigen Präsidenten beziehungsweise der künftigen Präsidentin begrenzen würde.

Damit könnte der Markt seinen Blick wieder stärker auf die Unternehmensgewinne, das Wirtschaftswachstum und die Geldpolitik der US-Notenbank Fed richten. Hier werden die möglichen Auswirkungen des Wahlausgangs vor allem in Bezug auf zwei wichtige politische Bereiche von Bedeutung sein: die Handels- und die Steuerpolitik.

Handelspolitik: Gefahr höherer Zölle

Harris dürfte vor allem zu „symbolischen“ handelspolitischen Maßnahmen greifen (zum Beispiel gelegentliche Abgaben auf bestimmte Produkte, um einem politischen Standpunkt oder bestimmten politischen Prioritäten Nachdruck zu verleihen, ähnlich wie aktuell zwischen der EU und China). Selektive Zölle (wie Maßnahmen gegen generelle Praktiken eines Landes, die über mehrere Sektoren hinweg umgesetzt werden, ähnlich wie zwischen den USA und China in den Jahren 2018 und 2019) wären dagegen unter Trump deutlich wahrscheinlicher. Im Rahmen des International Emergency Economic Powers Act scheint es präsidialen Spielraum für eine eigenhändige Erhebung von pauschalen Zöllen zu geben, auch bei einem gespaltenen Kongress. Jedoch erscheinen mir die Hürden für Donald Trump zu einer umfangreichen Einführung von dauerhaften pauschalen Zöllen aufgrund der potenziellen negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft sehr hoch. Für extreme Zölle sind diese Hürden noch höher, weswegen ich dieses Szenario eher ausschließe.

Pauschale Zölle hätten auf die Märkte die stärksten Auswirkungen. Besonders negativ zu spüren wären sie in den Bereichen Einzelhandel, Automobilhersteller, Technologie-Hardware und Halbleiter sowie in bestimmten Industriesegmenten. Am Anleihenmarkt könnte es zunächst zu einem Abverkauf kommen, da die Zölle die Inflation anheizen würden. Mittelfristig dürfte sich der Markt jedoch wieder stärker auf die tieferen Zinsen konzentrieren, weil die höheren Kosten für importierte Waren das Wachstum, die Konsumausgaben und die Produktivität dämpfen würden.

Steuerpolitik: Einkommenssteuersenkungen laufen aus

Falls im US-Kongress keine Einigung erzielt und gesetzlich verankert werden kann, werden die in der letzten Amtszeit von Trump eingeführten Steuererleichterungen für Privatpersonen Ende 2025 automatisch auslaufen.

Der ehemalige Präsident Trump verspricht im aktuellen Wahlkampf, die Einkommenssteuersenkungen dauerhaft festzuschreiben und sowohl die Körperschaftsteuer (von aktuell 21 auf 15 oder 20 Prozent) als auch die Lohnsteuer zu reduzieren. Das wäre voraussichtlich aber nur möglich bei einer Mehrheit der Republikaner in beiden Kammern des US-Kongresses − ein Szenario, dem wir bei UBS Global Wealth Management eine 35-prozentige Wahrscheinlichkeit beimessen.

Vizepräsidentin Harris dagegen erklärt, dass die Steuern nur für Amerikanerinnen und Amerikaner mit einem Jahreseinkommen von weniger als 400.000 US-Dollar dauerhaft gesenkt werden sollten. Sie befürwortet zudem eine höhere Körperschaftsteuer (von 28 Prozent) und höhere Kapitalertragsteuern. Andere Aspekte ihrer Steuerpolitik sind bisher weniger deutlich.

Die von Harris geplanten Änderungen an der Steuerpolitik – die vor allem von den US-amerikanischen Aktienmärkten höchstwahrscheinlich negativ aufgefasst werden würden – könnten wohl nur dann umgesetzt werden, wenn die Demokraten die Kontrolle über den US-Kongress erlangen würden – was aus unserer Sicht zu 15 Prozent wahrscheinlich ist.

Was bedeutet dies für Anleger?

Rund um die Handels- und Steuerpolitik bestehen zwar potenzielle Risiken für die Märkte. Die negativsten Szenarien sind meines Erachtens aber unwahrscheinlich. Dafür sorgen die Arithmetik im US-Kongress und der Unterschied zwischen „Wahlkampf betreiben“ und „tatsächlich regieren“. Daher würde ich Anlegern davon abraten, bedeutende Portfolioentscheidungen auf der Grundlage von Hoffnungen und Ängsten in Bezug auf die US-Präsidentschaftswahlen zu treffen. Stattdessen sollten sie sich eher darauf konzentrieren, Positionen in besonders wahlsensitiven Sektoren wie zyklische Konsumgüter oder erneuerbare Energien zu überprüfen.
Ein Thema, mit dem sich die Märkte aktuell noch nicht allzu stark beschäftigt haben, das aber nicht außer Acht gelassen werden sollte, ist die weitere Entwicklung der Staatsverschuldung in den USA über die Wahlen hinaus. Denn diese wird weiter wachsen. Beide Parteien erkennen zwar an, dass die öffentlichen Finanzen auf einem auf lange Sicht unhaltbaren Weg sind. Aber keine von beiden dürfte in der Lage sein, Maßnahmen umzusetzen, die zum ausgeglichenen Bundeshaushalt führen würden. Republikaner ziehen es generell vor, die Ausgaben zu kürzen, während die Demokraten lieber die Einnahmen erhöhen. Beide Ansätze erfordern gemeinsame Opfer und sind in einem tief gespaltenen Kongress schwierig durchzusetzen.

Das Congressional Budget Office erwartet, dass die nominalen Ausgaben von 6,8 Billionen US-Dollar dieses Jahr auf 10,3 Billionen US-Dollar im Jahr 2034 ansteigen werden. Etwa 87 Prozent des Anstiegs gehen auf Ausgaben für Sozialversicherungen, Gesundheitskosten und Zinszahlungen zurück. Diese Kosten einzudämmen, wird aus politischer und praktischer Sicht schwierig. Zusätzlich machen beide Präsidentschaftskandidaten Versprechungen, die den Ausgleich des Haushalts erschweren. Diese Dynamik spricht meiner Meinung nach weiterhin dafür, bei Anleihen Laufzeiten auf bis zu zehn Jahre zu limitieren und Gold schon allein aus Diversifikationsgründen in Erwägung zu ziehen.

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