Er möchte an einem schönen Ort leben, hat Adam seiner Mutter gesagt, als diese ihn nach seinem größten Wunsch fragte. Und auf die Nachfrage, was denn für ihn ein „schöner Ort“ sei, habe er gesagt: „Ein Ort, an dem keine Bomben fallen. An einem schönen Ort sind die Häuser unbeschädigt, und ich gehe zur Schule. Die Kinder lernen, danach spielen sie im Hof, und niemand stirbt.“ Einige wenige Worte aus Kindermund beschreiben das Grauen im Gazastreifen, in dem täglich israelische Bomben und Raketen auch auf die Zivilbevölkerung niedergehen. Am 24. Mai um 14 Uhr schlug eine Bombe in die Wohnung der Familie al-Najjar in Chan Yunis ein; der Fall machte weltweit Schlagzeilen wegen seiner besonderen Tragik.
Der elfjährige Adam war eines von zehn Geschwistern, die zusammen mit Vater Hamdi zu Hause waren, während Mutter Alaa al-Najjar als Kinderärztin im Krankenhaus versuchte, mit kaum noch vorhandenen Mitteln Leid zu lindern – bis plötzlich sieben ihrer eigenen Kinder eingeliefert wurden, andere waren schon an Ort und Stelle tot gewesen. Insgesamt starben neun ihrer zehn Kinder. Nur Adam überlebte, schwer verletzt und verbrannt.
Sein Vater starb an seinen Verletzungen, weil man ihn im Krankenhaus nicht ausreichend behandeln konnte
Der Vater, ebenfalls Arzt, hatte die Mutter gerade zum Dienst im Krankenhaus abgeliefert und war wieder nach Hause zu den Kindern zurückgekehrt, als die Bombe einschlug. Er starb an seinen schweren Verletzungen, weil man ihn im örtlichen Krankenhaus nicht ausreichend behandeln konnte. Die israelische Armee erklärte später, sie habe ein Gebäude mit „Verdächtigen“ ins Visier genommen und die Bewohner der Region zuvor aufgerufen, das Gebiet zu verlassen.

Die italienische Regierung hatte in wochenlangen zähen Verhandlungen mit den israelischen Behörden erreicht, dass Adam und 16 weitere verletzte Kinder zusammen mit ihren Angehörigen nach Italien verlegt werden konnten, insgesamt 70 Personen. Am Mittwoch landeten drei italienische Militärflugzeuge auf dem Mailänder Flughafen Linate, die Verletzten werden nun in norditalienischen Spezialkliniken versorgt. Adam und seine Mutter sollen in Italien bleiben, der Junge sei willkommen und werde hier zur Schule gehen, hieß es.
Das sei Teil der bisher größten Operation dieser Art, sagte der zur Begrüßung angereiste Außenminister Antonio Tajani. Man habe die Genehmigung zur Ausreise von etwa 700 Menschen aus Gaza erhalten, die sukzessive nach Italien gebracht werden sollen. „Ich hoffe, dass diese Kinder bestmöglich behandelt werden, dass sie in Frieden, fernab der Bomben leben und dass sie wieder lächeln können“, sagte der Außenminister.
Nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks Unicef sind durch israelische Angriffe in Gaza bereits 50 000 Kinder getötet oder verwundet worden. Der Krieg ist eine Folge des Massakers der Hamas in Israel am 7. Oktober 2023, bei dem die islamistischen Terroristen 1200 Menschen teilweise bestialisch ermordeten. Die aktuellen Vorgänge in Gaza wühlen die italienische Bevölkerung auf, die großen Zeitungen berichten jeden Tag auf vielen Seiten.
Ebenso wie andere europäische Regierungen befindet sich die italienische Regierung in dem Zwiespalt, das Vorgehen der Israelis in Gaza für unerträglich zu halten, an der grundsätzlichen Solidarität mit Israel aber keinen Zweifel lassen zu wollen. Die Opposition wirft der Regierung deshalb Tatenlosigkeit vor, am Wochenende hatte es in mehreren italienischen Städten Großdemonstrationen mit Hunderttausenden Teilnehmern gegeben gegen das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung und für Frieden sowie eine Zweistaatenlösung.
Adams Mutter Alaa al-Najjir, die neun von zehn Kindern und ihren Mann verloren hat, bemühte sich in Interviews, die Fassung zu bewahren: „Man nennt mich eine Heldin, weil ich einfach weitermache, aber ich bin nicht stark“, sagte sie der Zeitung La Repubblica. „Ich bin eine Frau, deren Kinder getötet wurden, fast alle, und ich wollte sie doch immer nur beschützen.“