„Gaîté Lyrique“ in Paris: Theater von Flüchtlingen besetzt

vor 15 Stunden 1

Seit mehr als einem Monat ist die „Gaîté Lyrique“ von Flüchtlingen besetzt, und ein Ende der außergewöhnlichen Lage an diesem schönen Theater im 3. Arrondissement in Paris ist nicht in Sicht. Erst kürzlich hat die Theaterleitung in einem Communiqué verkündet, das Haus geschlossen zu halten. Die geplanten Veranstaltungen würden bis auf weiteres abgesagt, verschoben oder an andere Spielstätten verlegt. „Aufgrund der Besetzung des Gebäudes und des Fehlens von Lösungsvorschlägen der zuständigen Behörden ist die 'Gaîté lyrique' derzeit nicht in der Lage, die Bedingungen für den Empfang der Öffentlichkeit in ihren Räumen aufrechtzuerhalten.“ Was ist passiert?

„Der plötzliche Charakter dieser Besetzung“

Am 10. Dezember des vergangenen Jahres haben rund 250 Flüchtlinge, vereint in einem Kollektiv namens „Les Jeunes du Parc de Belleville“ die „Gaîté Lyrique“ besetzt. Viele von ihnen, so hieß es anfangs, seien minderjährig und unbegleitet nach Frankreich gelangt. Sie suchten Schutz vor dem strengen Winter. Die Leitung des Theaters, das als „gastfreundlich“ beschrieben wird und einem Modell „an der Grenze zwischen Kunst und Aktivismus“ (so die Zeitung „Libération“) folgen soll, sah es als inhuman, die Menschen wieder auf die Straße zu schicken. Immer wieder betont das Theater seither die Legitimität der Forderungen des Kollektivs, das sich „würdige und dauerhafte Unterbringung“ wünscht, und richtet sich zunehmend eindringlich mit Hilfeersuchen an die Verantwortlichen sowohl der Stadt Paris wie des Staates. Zugleich bedauert das Theater auch in seiner jüngsten Mitteilung den „erlittenen und plötzlichen Charakter dieser Besetzung“.

Mittlerweile sei die Zahl der in dem Haussmann-Gebäude untergekommenen Menschen auf 300 angestiegen. Auf Bildern ist zu sehen, wie manche von ihnen in dicke Jacken gehüllt auf Tischen schlafen. Ein Tonstudio sei zu einem medizinischen Krankenzimmer umfunktioniert worden, die sanitäre Situation verschlechtere sich täglich. Hinzu kommt, dass die „Gaîté lyrique“ durch den Ausfall des Spielbetriebs um einen guten Teil ihrer Einnahmen gebracht wird. Das Theater finanziert sich zu siebzig Prozent aus eigenen Einnahmen und erhält zu dreißig Prozent Subventionen von der Stadt Paris.

Diese wiederum teilte zuletzt mit, die Besetzung der „Gaîté Lyrique“ zu bedauern; sie bekräftigte ihre Unterstützung für die jungen Erwachsenen ohne Wohnung. „Diese sozialen Notsituationen erfordern soziale Antworten und somit geeignete Unterbringungsplätze.“ Was das konkret bedeuten könnte, ist allerdings ungewiss und offenbar auch abhängig von den Ergebnissen derzeit noch laufender Verfahren. Denn wie der „Figaro“ berichtet, werde das tatsächliche Alter der Flüchtlinge, die sich als unbegleitete Minderjährige ausgeben, in Frage gestellt. Einige von ihnen hätten daher Beschwerdeverfahren eingeleitet, um ihr Alter neu bewerten zu lassen. Für Minderjährige fiele die Betreuung in die Zuständigkeit der Stadt, für Erwachsene wäre der Staat zuständig. Wie die finanziellen Einbußen des Theaters aufgefangen werden könnten, steht ebenfalls dahin.

Gesamten Artikel lesen