Von allen Käsen, die Frankreich der Welt schenkt, und das sind, Dieu merci!, eine ganze Menge, mögen die Franzosen ihren Comté aus dem Jura am liebsten. Ein bekömmlicher Hartkäse, aus Rohmilch hergestellt, Mindestreifezeit vier Monate. Mild im Mund und auch für sensible Nasen keine sonderliche Herausforderung. In einer neuen Umfrage von Opinionway sagten 44 Prozent der Franzosen, sie zögen den Comté allen anderen französischen Sorten vor, dann kommt der Camembert mit 31 Prozent, dahinter der Brie mit 24 Prozent.
Ein Triumph ist das, die Trophäe einer nicht unwesentlichen nationalen Meisterschaft: Jede Französin, jeder Franzose isst im Durchschnitt pro Jahr mehr als 27 Kilogramm Käse. Der Comté stand nicht immer oben, er ist ein schneller Aufsteiger, gejagt von einer ständig wachsenden Nachfrage. Das muss man im Kopf behalten, wenn man sich die Geschichte anhört, die sich gerade um den Comté entsponnen hat, diesen bizarren Kulturkampf um den Käse.
Ausgelöst hat ihn der Naturforscher Pierre Rigaux mit seiner kurzen Rubrik „La Terre au carré“, etwa: „Die Erde im Quadrat“, auf dem Radiosender France Inter. Rigaux erzählte da neulich, dass die vielen Montbéliardes, wie die Kuhrasse heißt, von denen die Milch für den Comté kommt und kommen muss, die Böden und Flüsse im Jura belasteten. Die ganze Jauche, die Chemie im Dünger – mit den industriellen Mengen an Comté, die der Markt verlangt, wird die Natur überstrapaziert. Auch die Viehzucht ist industrialisiert worden. Es zählen ja nur die weiblichen Tiere, die Milchbringerinnen. Die männlichen werden zu Tausenden für die Schlachtung nach Spanien gebracht.
Das ist natürlich allen bekannt, gerade im Jura. Dann aber kam die Mär auf, Rigaux habe in seiner Rubrik ein Verbot des Comté gefordert, und da war die Hölle los.
Le Figaro, eine sonst seriöse bürgerliche Zeitung, schrieb von „grünen Khmer“, die dem lieben Käse an den Laib wollten. Der Tonfall war gesetzt: Die Roten Khmer, an die sich das unselige Prädikat anlehnt, hatten in den 1970er-Jahren in Kambodscha Millionen Menschen umgebracht.
Rigaux sagt jetzt nicht mehr, wo er wohnt
Nun stimmten die Sonntagszeitung Journal du Dimanche und der Nachrichtensender CNews in die Klage ein, beide im Besitz des Multimilliardärs Vincent Bolloré, der mit seinen Medien zum Meinungsmacher und Megafon der extremen Rechten geworden ist – und unter anderem auch von deren Abneigung gegen die Ökologie. Die Umweltschützer wollen uns unsere Traditionen wegnehmen, hieß es da, unsere Identität, unseren Comté!
Die Debatte geriet schnell außer Kontrolle. Im Netz ging der Hashtag „TouchePasAuComté“ viral, „Lass den Comté in Ruhe“. Rigaux, der ja nur das Bewusstsein seiner Zuhörer für die intensive Landwirtschaft etwas schärfen wollte, erhielt böse Drohungen. Er sagt jetzt lieber nicht mehr, wo er wohnt.
Sogar die Chefin der Grünen, Marine Tondelier, hielt es für angebracht, sich von Rigaux zu distanzieren, wohl aus wahltaktischen Gründen: Sie filmte sich, wie sie in ein Stück Comté beißt. Und der Präfekt des Jura, so etwas wie der Statthalter des Zentralstaates im Département, schrieb in den sozialen Medien: „Den Comté verbieten? Warum nicht gleich auch die Sonnenuntergänge über dem Jura?“ Na dann, bonne nuit.