Flucht und Asyl: Am Montag beginnen die polnischen Grenzkontrollen

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Von diesem Montag an werden Reisende an der deutsch-polnischen Grenze in alle Richtungen kontrolliert. Bereits jetzt stehen Zehntausende polnische Arbeitnehmer, die täglich oder wöchentlich zu ihren Arbeitsstellen in Deutschland pendeln, regelmäßig in langen Staus. Solche haben sie nun zusätzlich auf der Heimreise zu befürchten. Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk hatte vergangene Woche diese Reaktion auf die seit Oktober 2023 stattfindenden deutschen Kontrollen angekündigt. Dabei sprach er von einer notwendigen „Symmetrie“.

Derzeit veranstalten selbsternannte, polnische Grenzschützer, die von dem rechtsextremen polnischen Sejm-Abgeordneten Robert Bąkiewicz angeworben werden, illegale Kontrollen an der deutschen Grenze: Deutschland schicke vorsätzlich Tausende Migranten nach Polen, zumeist Straftäter, die es loswerden wolle. Deutschland wolle Polen destabilisieren, so lautet Bąkiewiczs Verschwörungstheorie. Unterstützung erhält Bąkiewicz von der rechtsnationalistischen PiS-Partei und dem künftigen Präsidenten Karol Nawrocki. Die Bundespolizei gibt an, dass es in den acht Monaten zwischen September 2024 und Ende April 2025 an der deutsch-polnischen Grenze 3777 Zurückweisungen gab.

Auch die Ostgrenze zu Litauern soll kontrolliert werden

Polen will ebenfalls von diesem Montag an auch an seiner Ostgrenze zu Litauen kontrollieren. Das Minsker Regime lockt vorsätzlich immer wieder Migranten aus Asien und Afrika nach Belarus, von wo sie teils gewaltsam über die EU-Grenze nach Lettland, Litauen und Polen getrieben werden. Angaben von Grenzschutz und freiwilligen Helfern zufolge kommen die meisten Menschen aus Syrien, Somalia, Äthiopien, Jemen und Afghanistan. Seit September 2021 haben humanitäre Helfer an der Grenze zu Belarus mehr als 25 000 Hilferufe erhalten. Das lässt Rückschlüsse auf die Zahl der ankommenden Flüchtlinge zu: Im Vergleich etwa zur Mittelmeerroute ist sie gering.

So erreichten allein im Jahr 2024 laut Mediendienst Integration fast 200 000 Flüchtlinge die EU über das Mittelmeer, das waren etwa 27 Prozent weniger Menschen als 2023. Ministerpräsident Tusk betont oft, dass die polnische EU-Außengrenze sehr sicher ist und kaum jemand die von Stacheldraht gekrönte Stahlmauer überwindet. Tusks Regierung ließ an der Grenze zu Belarus das Asylrecht aussetzen, Brüssel duldet das. In Polen wurden nach Angaben der Regierung im Jahr 2024 etwa 17 000 Asylanträge gestellt, davon 12 000 von ukrainischen, belarussischen und russischen Staatsangehörigen.

Polen tat in der Vergangenheit offensichtlich wenig dafür, diejenigen, die es dann doch ins Land geschafft hatten, auf ihrem Weg Richtung Westen aufzuhalten, gleiches gilt für Litauen. So berichten es schon lange polnische Hilfsorganisationen. Die Anzahl der Menschen, die von deutschen Behörden nach Polen zurückgewiesen werden, bestätigt diesen Eindruck. Der Jurist Filip Rakoczy von der gemeinnützigen Organisation Nomada in Polen beobachtet, dass polnische Behörden seit Beginn der deutschen Grenzkontrollen mehr daran interessiert seien, ihrer Pflicht nachzukommen und ankommende Flüchtlinge im Land zu registrieren. Auch seine Organisation rät Schutzsuchenden, direkt in Polen einen Asylantrag zu stellen.

Vor einem Jahr haben die EU-Staaten die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, kurz GEAS, beschlossen. Sie muss derzeit von den Mitgliedsstaaten ins jeweilige nationale Recht übersetzt werden. Ministerpräsident Tusk gibt sich in seinem Land stets als Gegner dieses Asylkompromisses, wie auch schon die Vorgänger-Regierung unter der rechtsnationalistischen PiS-Partei. Dabei müsste Polen nach diesem Gesetz keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen, da es bereits so vielen ukrainischen Kriegsflüchtlingen Zuflucht bietet. Tusk aber stellt es so dar, als werde Polen gezwungen, weitere Menschen aus asiatischen und afrikanischen Ländern aufzunehmen, womit das Land aber überfordert sei.

Innenminister Alexander Dobrindt möchte das noch gar nicht umgesetzte neue europäische Asylrecht verschärfen. Zu einer Beratung darüber hat er für Ende kommender Woche Amtskollegen aus mehreren Nachbarländern zu einem wortwörtlichen Gipfel auf der Zugspitze eingeladen. Durch die Weigerung, an der deutschen Grenze Asylgesuche zu akzeptieren, bricht die Bundesregierung bereits jetzt bestehendes EU-Recht. Diese Weigerung ist auch nach dem neuen Asylkompromiss nicht rechtskonform.

Dobrindt möchte unter anderem erreichen, dass Flüchtlinge auch in Nicht-EU-Länder abgeschoben werden können, in denen sie nie vorher gelebt haben und in denen sie auch keine Familie haben. Im ersten Halbjahr stellten laut Bundesinnenministerium etwas mehr als 61 000 Menschen in Deutschland einen Asylantrag, im Vorjahreszeitraum waren es doppelt so viele.

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