Florentina Holzinger mit »Sancta« in der Oper Stuttgart: 18 Erste-Hilfe-Einsätze

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1921 wollte der Komponist Paul Hindemith seinen Einakter »Sancta Susanna« an der Oper Stuttgart uraufführen. Doch es gab Empörung über den als gotteslästerlich empfundenen Text, die Premiere fand erst im folgenden Jahr in Frankfurt am Main statt. Nun hat die Stuttgarter Staatsoper eine Opernperformance ins Programm genommen, die von Hindemiths Werk inspiriert ist. Doch nach den ersten beiden Aufführungen hat sie Spuren im Publikum hinterlassen.

Trotz einer Altersfreigabe ab 18 Jahren und fettgedruckten Warnhinweisen für die freizügige und blutige »Sancta« von Florentina Holzinger musste sich der Besucherservice um insgesamt 18 Menschen kümmern. Sie hätten zum Teil über Übelkeit geklagt, sagte der Sprecher der Staatsoper, Sebastian Ebling. In drei Fällen habe ein Arzt dazu geholt werden müssen. Zuvor hatten die »Stuttgarter Nachrichten« und die »Stuttgarter Zeitung« berichtet .

Mit ihren Arbeiten, bei denen sie radikal und freizügig weibliche Körper in Szene setzt, schmerzhafte Stunts einbaut und auch vor Trash nicht zurückschreckt, sorgt Holzinger seit Jahren für Aufsehen in der Theaterwelt. In »Sancta« bringt die 1986 geborene Österreicherin mit aufreizender Deutlichkeit lesbische Liebesszenen auf die Bühne, zieht christliche Rituale ins Lächerliche und prangert die sexuelle Unterdrückung der Frau an.

Spiritualität, Sexualität, aber auch Religionskritik und ein kritischer Blick auf religiöse und gesellschaftliche Gewalt ständen im Mittelpunkt der Aufführungen, informiert auch die Staatsoper. »Grenzen auszuloten und lustvoll zu überschreiten war von jeher eine zentrale Aufgabe der Kunst«, zitiert die Oper ihren Intendanten Viktor Schoner.

 »Grenzen auszuloten und lustvoll zu überschreiten war von jeher eine zentrale Aufgabe der Kunst«

Performancekünstlerin Sophie Duncan in »Sancta: »Grenzen auszuloten und lustvoll zu überschreiten war von jeher eine zentrale Aufgabe der Kunst«

Foto: Matthias Baus / dpa / picture alliance

Das Haus warnt auf seiner Homepage  aber auch ausdrücklich, die Aufführung der skandalumwitterten österreichischen Aktionskünstlerin zeige explizite sexuelle Handlungen sowie Darstellungen und Beschreibungen auch von sexueller Gewalt. Auch seien echtes Blut sowie Kunstblut, Piercingvorgänge und eine Verwundung zu sehen. Stroboskopeffekte, Lautstärke und Weihrauch würden ebenfalls eingesetzt.

Die Oper empfiehlt die Performance Zuschauern, die »wagemutig auf der Suche nach neuen Theatererfahrungen sind«, wie es auf der Homepage heißt. Allerdings sei Performancekunst neben dem Einsatz einiger Theatermittel eben »kein Fake, sondern echt«, sagte Ebling. Im Fall der in »Sancta« gezeigten, auch sexuellen Gewalt warnt das Haus daher explizit vor Retraumatisierungen.

 Für Wagemutige gibt es noch Restkarten

»Sancta«-Szene: Für Wagemutige gibt es noch Restkarten

Foto: Nicole Marianna Wytyczak / dpa / picture alliance

Nach Angaben von Opernsprecher Ebling soll mit Blick auf die noch geplanten fünf »Sancta»-Abende nichts geändert werden. Auch kämen Übelkeit und Ohnmacht immer wieder vor, sagte er. Die Premiere sei umjubelt gewesen. Er sei überzeugt, es seien im Wesentlichen Menschen in den Besucherreihen gewesen, »die wussten, auf was sie sich einlassen«.

Uraufgeführt wurde Holzingers »Sancta« am 30. Mai im Mecklenburgischen Staatstheater in Schwerin. Danach war die Performance an fünf Abenden im Juni bei den Wiener Festwochen zu sehen.

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