In der Aufarbeitung der politischen Entscheidungen zur Coronapandemie bekommt Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) scharfen Gegenwind von der FDP. Lauterbach hatte Anfang 2022 in die Risikobewertung des Robert Koch-Instituts (RKI) eingegriffen und das Vorgehen nun nach Bekanntwerden verteidigt. Stephan Thomae, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, nannte die Einflussnahme nun gegenüber dem SPIEGEL einen »Skandal«.
»Es ist ein Skandal, dass Karl Lauterbach 2022 offenbar direkten Einfluss auf die Einschätzung des RKI zur Corona-Risikostufe genommen hat«, so Thomae. Gleichzeitig habe die SPD in dieser Legislatur eine umfassende Aufarbeitung der Pandemie verhindert und stattdessen eine alleinige Aufarbeitung durch einen Bürgerrat gefordert. »Ein Bürgerrat hätte aber ein solches Fehlverhalten auf Kosten der Bürgerrechte nie ans Licht gebracht«, glaubt Thomae.
Die Empörung Thomaes geht auf einen Medienbericht von »Süddeutsche Zeitung«, NDR und WDR zurück. Diese hatten am Mittwoch enthüllt, dass das RKI die Risikobewertung Anfang 2022 von »sehr hoch« auf »hoch« herunterstufen wollte. Lauterbach, damals neuer Gesundheitsminister der Ampel, hatte die Entscheidung überstimmt und den sehr hohen Status beibehalten. Der Minister habe dem RKI demnach mitgeteilt, dass eine Herabstufung der Risikobewertung »politisch nicht gewünscht« sei – obwohl das RKI und ihr damaliger Präsident Lothar Wieler dies zu dem Zeitpunkt gewollt hätten.
Lauterbach hatte seine Entscheidung nun per Tweet verteidigt: »Hätten wir im Februar 2022 die Risikostufe bereits herabgesetzt, als zum Teil noch Hunderte Menschen am Tag an Covid gestorben sind, wäre das ein Fehler gewesen«. Daher hätten das RKI und das Gesundheitsministerium die Herabstufung damals zu Recht verschoben.
Bei der Risikobewertung handelt es sich um eine qualitative Beschreibung. Das heißt: Den verwendeten Begriffen »gering«, »mäßig«, »hoch« und »sehr hoch« liegen keine quantitativen Werte zugrunde, gewisse Daten werden also interpretiert. So schreibt auch die »Süddeutsche Zeitung«, dass es keine klaren Vorgaben für die Risikostufen gab.