Unterhändler des EU-Parlaments und die Mitgliedsstaaten wollen das Gesetz nur noch für sehr große Unternehmen einführen. Die Opposition spricht von einem schwarzen Tag.
9. Dezember 2025, 3:48 Uhr Quelle: DIE ZEIT, dpa, spr
Die Europäische Union will ihr Lieferkettengesetz zum Schutz von Menschenrechten noch vor seiner Anwendung abschwächen. Darauf haben sich Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments in Brüssel geeinigt. Das Parlament und die EU-Mitgliedsländer müssen die Änderung noch genehmigen, normalerweise ist das aber eine Formsache.
Laut der Einigung sollen nur noch wenige große Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von mindestens 1,5 Milliarden Euro in die Pflicht genommen werden, Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung in ihren Lieferketten einzudämmen. Ursprünglich sollte das vor einem Jahr beschlossene Lieferkettengesetz bereits Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 450 Millionen Euro binden.
Darüber hinaus sollen Firmen, die gegen die Regeln verstoßen, auf EU-Ebene keiner zivilrechtlichen Haftung mehr unterliegen. Dadurch entfällt eine Klagemöglichkeit für Opfer von Menschenrechtsverstößen. Wenn sich Unternehmen nicht an die Vorgaben halten, soll eine Strafe von maximal drei Prozent ihres weltweiten Nettoumsatzes verhängt werden können. Außerdem soll es nach Angaben aus dem Parlament und der EU-Staaten künftig keine Pflicht mehr geben, Handlungspläne für Klimaziele auszuarbeiten.
Ziel des Lieferkettengesetzes ist es, Menschenrechte weltweit zu stärken. Große Unternehmen sollen zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sie von Verletzungen dieser Rechte etwa durch Kinder- oder Zwangsarbeit profitieren. An dem Vorhaben hatte es jedoch Kritik von Regierungen sowie der Wirtschaft geben. Unternehmen beschwerten sich unter anderem über den hohen bürokratischen Aufwand.
Grüne und Sozialdemokraten kritisieren Mehrheit
Vorausgegangen war dem jetzt erfolgten Schritt ein wochenlanger Streit. Die konservative Europaparlamentsfraktion um CDU und CSU hatte vor knapp einem Monat mit der Unterstützung rechter und rechtsextremer Parteien den Weg für eine Abschwächung des Regelwerks freigemacht. Zuvor hatten sich auch die EU-Staaten für weniger strenge Vorschriften ausgesprochen.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte während seines Antrittsbesuchs in Brüssel sogar eine komplette Abschaffung der Richtlinie gefordert. Als ein erster Kompromiss zur Abschwächung des EU-Lieferkettengesetzes im Europaparlament scheiterte, nannte Merz dies "inakzeptabel" und forderte eine Korrektur.
Die rechte Mehrheit zugunsten der Abschwächung des Lieferkettengesetzes im Parlament wurde von Liberalen, Sozialdemokraten und Grünen kritisiert. Der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken sprach von einem schwarzen Tag für Europa, da Menschenrechte und Klimaschutz offenkundig nur noch billige Verhandlungsmasse seien. "Ein Kompromiss mit den demokratischen Kräften des Parlaments wäre möglich gewesen, scheiterte aber an der Erpressungstaktik der Konservativen", sagte Wölken.
"Die Konservativen im Europaparlament und die EU-Mitgliedstaaten haben heute Nacht den letzten Nagel in den Sarg des EU-Lieferkettengesetzes geschlagen", sagte die Grünen-Abgeordnete Anna Cavazzini.
Eigentlich arbeiten EVP, Sozialdemokraten (S&D) und Liberale in einer Art informeller Koalition zusammen. Sie haben eine knappe Mehrheit im Parlament. Das Lieferkettengesetz dürfte nun das erste große Gesetzesprojekt werden, das mit einer klar rechten Mehrheit durch das Parlament geht. Welche Auswirkungen das auf die künftige Zusammenarbeit von EVP, S&D und Liberalen haben wird, ist noch unklar.

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