Als Ex-Vorsitzende mit schlauen Ratschlägen besserwissern und ihrer Partei auf den Nerv gehen, nein, das hat Saskia Esken nicht vor. Das hat sie nach der Ankündigung, nicht wieder als Parteivorsitzende zu kandidieren, öffentlich klargestellt.
Aber ein bisschen was zu sagen hat sie zu der Art und Weise, wie in den vergangenen Monaten mit ihr umgegangen wurde, dann doch noch. In einem Interview mit der „taz“ hat sie das nun erledigt. Esken beklagt, es habe eine „öffentliche Jagd“ gegeben, sie sei von den Medien unfair behandelt worden. Sie sagt: „Was die männliche Welt von politisch aktiven Frauen erwartet, ist höchst widersprüchlich und deshalb unerfüllbar.“
Und sie kommt auf ihre Partei zu sprechen, sagt, was sie schmerzt: Der solidarische Umgang miteinander sei „in letzter Zeit wieder etwas verloren gegangen“.
Das lässt sich so sagen. Die Demontage der Saskia Esken auch aus den eigenen Reihen wird in der SPD wohl nicht so bald vergessen werden. „Ich habe in der SPD noch keine Frau getroffen, die den Umgang mit Saskia Esken in Ordnung gefunden hätte“, sagt die Bundestagsabgeordnete Kathrin Michel, Co-Parteichefin in Sachsen, dem Tagesspiegel.
Erinnerung an Macho-Zeiten
In Erinnerung bleiben wird etwa Sascha Binder, SPD-Generalsekretär in Baden-Württemberg. Unter den vier besten Frauen fürs Kabinett sehe er Saskia Esken nicht, hatte er unverblümt gesagt. Oder auch Thomas Jung, Oberbürgermeister in Fürth. Für die Genossin Esken sehe er keine weiteren Aufgaben, die Fortschritt und Mehrwert bringen könnten, hatte er dem Tagesspiegel gesagt.
Es geht in der Debatte längst nicht mehr darum, ob Esken Vorsitzende hätte bleiben sollen. Sondern darum, welcher Umgang sich gehört in einer Partei, die Respekt zu ihrem Leitmotto erkoren hat.
Die Frage ist aber auch: Wie viel Respekt hatte Esken vor dem immer klarer erkennbaren Wunsch ihrer Partei, sie möge nun Platz machen? Äußerst hartnäckig hat sie sich gegen viele Versuche, ihr einen gesichtswahrenden Rückzug zu ermöglichen, gewehrt.
Nun ist Esken weg. Andere Frauen aber sind noch da und wollen vielleicht noch etwas werden. „Wenn ich anschaue, wie Saskia Esken monatelang von Genossen angegangen wurde, fühle ich mich an alte Macho-Zeiten erinnert. Ich dachte, die hätten wir als Partei hinter uns gelassen“, sagt eine junge Genossin, Mitglied im Vorstand ihres Landesverbands. „Was da geschehen ist, ist in der Partei ein großes Thema und schreckt jüngere Frauen ab. So manche wird sich zwei Mal überlegen, ob sie in dieser Partei tatsächlich nach Höherem strebt.“
Die Genossin hatte auch nie den Eindruck, Klingbeil und Esken seien eine tatsächlich gleichberechtigte Doppelspitze gewesen. „Wenn es Unangenehmes zu verkünden oder zu vertreten gab, wurde immer Saskia Esken vorgeschickt, um sich einen Kübel Ärger abzuholen.“
Mit Unmut blickt auf das Geschehene auch eine weitere SPD-Bundestagsabgeordnete. Das Thema werde unter den Frauen in der Partei breit debattiert, sagt auch sie. Das alles sei ein schlechtes Signal für den weiblichen Nachwuchs, und das werde in der Breite der Partei so wahrgenommen.
Dabei hat die SPD in der Frauenfrage doch eigentlich gerade so einiges vorzuweisen. Vier Ministerinnen und drei Minister stellt sie, dazu zwei Staatsministerinnen. Im Fraktionsvorstand sind die Frauen in der Mehrheit. Andererseits sind auf den besonders machtvollen Posten eben doch oft Männer zu sehen. Parteichef Lars Klingbeil, Fraktionschef Matthias Miersch, der neue Generalsekretär Tim Klüssendorf. Dazu nur eine Frau, die Arbeitsministerin und designierte Parteivorsitzende Bärbel Bas.
Kritik an der neuen Machtfülle
Zum Streit um den Umgang mit Esken kommt hinzu: In der Partei gibt es auch Unzufriedenheit mit der neuen Machtfülle von Klingbeil und Bas. Die Jusos Schleswig-Holstein haben gerade erst gefordert, Parteivorsitz und Kabinettsposten voneinander zu trennen. Aus anderen Juso-Landesverbänden kommt Unterstützung.
„Mit Bärbel Bas und Lars Klingbeil sollen nun zwei Parteivorsitzende kommen, die zugleich extrem fordernde Bundesministerien führen“, sagt Kemir Čolić, Landesvorsitzender der Jusos Hamburg, dem Tagesspiegel. „Das ist keine Erneuerung, das ist ein Betriebsausflug des Kabinetts ins Willy-Brandt-Haus.“
Kari Lenke, Co-Vorsitzende der Jusos Berlin, sagt dem Tagesspiegel, die Partei müsse die Arbeit der Regierung prüfen und kritisieren dürfen. „Das kann nicht gelingen, wenn die Doppelspitze der Parteiführung in der Regierung sitzt.“ Partei- und Regierungsarbeit gehörten voneinander getrennt, sagt auch Ronja Laemmerhirt, Co-Vorsitzende der Jusos Niedersachsen.
Die Mehrheitsmeinung in der SPD vertreten die Jusos damit aber aller Voraussicht nach nicht. Wie groß die Zustimmung für Klingbeil und Bas tatsächlich ist, wird der Parteitag Ende Juni zeigen.