Die Geschichte des Schlafs ist immer auch die Geschichte der Schlaflosigkeit. Stöhnen heute Übermüdete morgens, die nächtliche Hitze oder Grübeleien hätten ihnen den Schlaf geraubt, war es im Mittelalter üblich, nach ein paar Stunden Schlaf wieder aufzuwachen und vor der zweiten Phase, dem Morgenschlaf, über Gott und die Welt nachzudenken.
Wo sind die digitalen Nachtwächter?
Vor kurzem sinnierte man auf Tiktok, jener Zusammenkunft schlafloser junger Menschen, über eine weitere Erklärung für Einschlafschwierigkeiten: den „Schlafserver“. Er funktioniert wie in einem gemeinsam gespielten Online-Videospiel, dessen Server auf eine begrenzte Zahl gleichzeitig Spielender ausgelegt ist. So stellen sich die Tiktoker auch den Schlaf vor: Wer einschlafen will, braucht erstmal einen Platz auf dem Schlafserver. Und die imaginäre Warteliste ist lang, sie kann Millionen Wartende umfassen. Um sich die Zeit in der Schlange zu vertreiben, posten die Schlafanwärter Videos, die kuriose Züge annehmen können. „Hab Platz gemacht, die Frühschicht ruft“, kommentiert eine Nutzerin unter einem Clip, andere Nutzer bedanken sich schnell für den frei gewordenen Platz. Weitere Schlafbedürftige müssen bis in den frühen Morgen warten, bis sie endlich den Schlafserver betreten können. Bäckerinnen und Bäcker werden aufgerufen, endlich aufzustehen, damit andere schlafen gehen können. Wo sind die digitalen Nachtwächter, die für Ordnung in dem Schlafchaos sorgen?
Auch die Folgen der Schlaflosigkeit dokumentieren Nutzer auf der Plattform: Man sieht Studenten, die ihren Kopf stützen müssen, oder übermüdete Schüler. Klar, der Schlafserver war voll. Dass die jungen Leute schlicht ihre Smartphones nicht aus der Hand legen konnten, kann jedenfalls nicht Grund für den Schlafmangel sein. Doch es finden sich auch kritische Stimmen. In einem Video heißt es: „Wenn ihr schlafen gehen wollt, legt euer verdammtes Handy weg, und dann macht ihr die Augen zu, Schlafmaske drüber und geht schlafen.“ Die Schlafserver-Apologeten sind empört. Über 2000 Herzen bekommt der Kommentar „Er fühlt sich krass mit seinem Privatserver“, andere fordern gar einen permanenten Ausschluss aus der Welt der Schlafserver. Auffällig ist, dass es auf Tiktok vornehmlich um den Zugang zu den Schlafservern geht. Wie gut man auf ihnen tatsächlich zur Ruhe kommt, ist dort kaum Thema. Dabei zeigen doch die tropischen Nächte dieses Sommers, wie eng erholsamer Schlaf an frische Luft gekoppelt ist. Und selbst wenn die Kühlung in Serverräumen auf Hochtouren läuft, sank dort die Temperatur in den letzten Tagen selten unter 22 Grad.